Politik | Gemeindeordnung

Region stellt Weichen für mehr Bürgerbeteiligung

Kommende Woche diskutiert der Regionalrat einen Gesetzentwurf des Abgeordneten Noggler zur Neufassung der Gemeindeordnung, für welche immer noch die Region zuständig ist.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Dieses wichtige Gesetz schafft den Rechtsrahmen für alle Gemeinden unter Wahrung der verfassungsrechtlich verbrieften Gemeindeautonomie.

Ausgehend von der regionalen Gemeindeordnung gibt der Gemeindeverband Mustersatzungen oder Empfehlungen vor, die in Südtirol von den allermeisten Gemeinden zum Großteil übernommen werden. Nur wenige Gemeinden nutzen den statutarischen Spielraum, um bessere Volksabstimmungsregeln und Bürgerbeteiligungsverfahren zu schaffen. Doch ein Mindeststandard an derartigen Bürgerrechten wie z.B. niedrigere Unterschriftenhürden, kein Beteiligungsquorum, die Briefwahl, sollten in der ganzen Region gelten.

In diesem Sinne hat der M5S einige hundert Abänderungsanträge zwecks Ausbau der kommunalen Demokratie eingebracht, die vor dem 8.12. behandelt werden müssen, wenn die Reform noch 2014 unter Dach und Fach kommen soll. Diese Vorschläge würden der direkten Demokratie im Land einen überfälligen Qualitätssprung verschaffen, deshalb hier einige der wichtigsten.

In den Gemeinden soll die Statutsinitiative eingeführt werden. Heute haben die Gemeindebürgerinnen keine Möglichkeit, von sich aus das Statut per Volksbegehren abzuändern. Das staatliche Rahmengesetz behält dieses Recht ausschließlich den Gemeinderäten vor. Damit fehlt ein zentrales Recht des Bürgers als Souverän in der Demokratie. Genauso wenig können Bürger bei Statutsänderungen durch den Gemeinderat mit dem Referendum ein Veto einlegen.

Eine Neuheit wäre die Möglichkeit der Abwahl des Bürgermeisters, des Gemeindeausschusses oder einzelner Assessoren. Was heute nur über den Weg eines Misstrauensvotums erfolgen kann, soll in Zukunft auch von mindestens 15% der Bürger erwirkt werden können. Die Abberufung aus dem Amt (recall) wird in den USA und in der Schweiz praktiziert. Ein Misstrauensantrag gegen den Gemeindeausschuss soll künftig in den Gemeinderäten auch von 2% der Bürger, nicht nur von einem Viertel des Gemeinderats eingebracht werden können.

Viele Gemeinden der Region sehen heute zu hohe Unterschriftenhürden vor. Nach bayrischem Vorbild sollen die Unterschriftenhürden abgesenkt und der Gemeindegröße angepasst werden. In Gemeinden bis 3.000 Einwohner sollen nicht mehr als 8%, in Gemeinden von 3000-10.000 Einwohner nicht mehr als 5%, in Gemeinden ab 10.000 Einwohner nicht mehr als 3% der Wahlberechtigten unterschreiben müssen. Das Beteiligungsquorum könnte in Zukunft in allen Gemeindesatzungen gestrichen werden, wenn die Gemeindeordnung dies vorgibt. Bisher haben nur 11 Südtiroler und zwei Trentiner Gemeinden dieses Quorum ganz abgeschafft.

M5S will vor allem die beiden Grundverfahren der direkten Demokratie, Volksinitiative und bestätigendes Referendum generell zum Recht aller Gemeindebürger machen. Dies ist bisher nur in Kurtatsch und Mals geschehen. Diese beiden Formen müssten immer rechtsverbindliche Wirkung haben, während nur die Volksbefragung keine rechtliche Bindungskraft haben muss.

Schließlich will der M5S auch generell das Recht auf Briefwahl einführen, das in den Abänderungsanträgen detailliert beschrieben wird. Dieses Recht, in Südtirol auf Gemeindeebene erstmals in Mals im August 2014 angewandt würde Kosten sparen, und die Beteiligung erhöhen. Weitere Anträge des M5S betreffen das Wahlrecht, die Vergütungen, die Mandatsbeschränkungen, die Bestimmungen zum Verfahren der Fusion von Gemeinden, die derzeit das Hauptthema der Gemeindepolitik des Trentino bildet.

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Martin Federspieler So., 30.11.2014 - 20:24

Im Frühjahr kommenden Jahres sind Gemeindewahlen. Liebe Direktdemokraten: stellt euch der Wahl, und setzt dann eurer Programm um. Wenn ihr nicht gewählt werdet, dann habt ihr in 5 Jahren wieder die Möglichkeit.
Das ist wie beim Fahren: wenn ich am Steuer sitze, möchte ich nicht dass andere ständig an der Handbremse herumhantieren. Das einzige Resultat ist, dass man nirgend mehr hinkommt.
Ich bleibe dabei: besser ist eine falsche Entscheidung umzusetzen, als gar keine. Denn einen Fehler kann man nachträglich wieder korrigieren.
Aus dem Stillstand kann man nicht mal positive Erkenntnisse für zukünftige Entscheidungen ableiten.

So., 30.11.2014 - 20:24 Permalink
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Thomas Benedikter So., 07.12.2014 - 13:56

Es gibt tatsächlich Grundrechte, über die nicht in Volksabstimmungen befunden werden kann, die gewissermaßen nicht zur Disposition stehen dürfen. Die Europäische Menschrechtskonvention bildet den Grundkanon für diese Rechte, der Grundrechtskatalog vieler europäischer Verfassung ist von Volksabstimmungen ausgeschlossen. Die Schweizer Bürger fühlen sich als Souveräne auch bei der Gestaltung ihrer Verfassung. In Südtirol steht diese Schranke für die direkte Demokratie eigentlich gar nicht zur Diskussion.
Die Region ist noch nicht zahnlos, Benno, aber sie hat immer noch zuviele Kompetenzen. Warum sollte z.B. gerade die Gemeindeordnung von der Region vorgegeben werden?

So., 07.12.2014 - 13:56 Permalink
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Benno Kusstatscher So., 07.12.2014 - 21:29

Antwort auf von Thomas Benedikter

Thomas, es ist bestimmt von unermesslichem Vorteil, wenn Fassa und Gröden zwei unterschiedlichen Gemeindeordnungssystemen unterliegen. Auch ist unsere Landesverwaltung derart zielstrebig in Sachen Gemeindensubsidiarität, dass wir etwas Trentiner Elan wie einen Bremsklotz befürchten müssen. (Ironie Ende)

So., 07.12.2014 - 21:29 Permalink