Politik | Frauenquote

Die Quote - wieder einmal

Wenige Debatten werden so emotional geführt wie jene über Frauenquoten und Gender Mainstreaming. Dabei ist Südtirol ein Musterbeispiel dafür, dass Quoten funktionieren.
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Anders als in Österreich, wo Quoten bisher parteiintern geregelt werden, gibt es in Südtirol sehr klare Regelungen, um die Repräsentanz beider Geschlechter in politischen Gremien zu gewährleisten. Betrachtet mensch hingegen das nördliche Nachbarland, so zeigt die Debatte über das Nationalratsmandat der verstorbenen Barbara Prammer lediglich, dass freiwillige Quoten ohne Sanktionen weder Klarheit noch Sicherheit bieten. Sie sind allerhöchstens ein kleiner Schritt, der ohne einen weiteren (nämlich den zu einer für alle gültigen Quote) unvollständig bleibt.

Welche Quoten gibt es in Südtirol?

Auf Gemeindeebene gibt es einerseits die Listenquoten: Eine Liste, auf der ein Geschlecht mehr als zwei Drittel der Listenplätze einnimmt, darf nicht zu den Wahlen antreten. Dies besagt die Gemeinderatswahlordnung, die zuletzt 2005 aktualisiert wurde. Diese Listenquote aus dem Jahr 2004 legt dabei keineswegs fest, auf welchem Listenplatz frau gereiht wird – und ist dem entsprechend nur in Maßen wirksam.

2013 wurde daher noch einmal im Bezug auf den Gemeindeausschuss nachgebessert: Ab den nächsten Gemeinderatswahlen 2015 (bzw. in manchen Gemeinden schon ab 2014, da früher gewählt wurde) muss das unterrepräsentierte Geschlecht im Gemeindeausschuss proportional mindestens genauso stark vertreten sein wie es in den Gemeinderat gewählt wurde. Sprich: 30 Prozent Frauen im Gemeinderat (wie utopisch!) bedeutet 30 Prozent Frauen im Gemeindeausschuss.

Was das bringt? Vergleichen wir Südtirol einmal mit Kärnten. Das österreichische Bundesland hat 132 Gemeinden, Südtirol 116. In Südtirol gibt es insgesamt zehn Bürgermeisterinnen, in Kärnten sage und schreibe drei. In beiden Fällen sind es noch viel zu wenig, und doch tut sich etwas. Zu berücksichtigen ist hierbei vor allem die Tatsache, dass der Eintritt in die Gemeindestuben für Frauen sogar noch schwieriger scheint als jener in den Landtag – zumindest wenn man sich die Sache zahlenmäßig anschaut: Im Landtag sind immerhin zehn von 35 Abgeordneten Frauen. In den meisten Gemeinden sind wir davon weit entfernt. 

Auch auf Landesebene, sprich bei Landtagswahlen, darf kein Geschlecht mehr als zwei Drittel der Listenplätze einnehmen, die Listenquote wurde bei den Landtagswahlen 2013 zum ersten Mal eingesetzt. Auch hier wird die Reihung nach wie vor nicht vorgeschrieben. Die Zusammensetzung der Landesregierung muss „dem Geschlechterverhältnis im Landtag zum Zeitpunkt seiner Konstituierung“ entsprechen.

Die radikale Idee?

Immer wieder sorgten die Quoten in den letzten Jahren – und vor allem Monaten – für Polemik. Es scheint, als stünden Frauen heute ohnehin alle Möglichkeiten offen, als bräuchten sie keine Unterstützung mehr. Umgekehrt funktioniert die Gleichung aber nicht: Wenn Frauen dieselben Chancen haben wie Männer, warum nutzen sie diese nicht? Warum sind Frauen selten motiviert, politische Verantwortung zu übernehmen?
Auch wenn überparteiliche Kommunikation absolut nicht zu den Stärken der Südtiroler Politik gehört, scheint sich unter vielen Politikerinnen doch eine Art feministischer Konsens gebildet zu haben, der sich aber gegen starke Angriffe zur Wehr setzen musste und muss:

Im vergangenen September gab es den Versuch, die Quote für den Gemeindeausschuss aufzuweichen. Er schlug fehl – den Querulant/innen sei dank. Das Geständnis, eine Quotenfrau zu sein, ist längst kein Tabu mehr. Warum auch? Der Appetit kommt mit dem Essen, die Freude an der Politik, der notwendige Ehrgeiz ergeben sich aus einem politischen Engagement heraus von selbst. Wer heute zu einer Kandidatur überredet werden muss, ist morgen noch lange keine schlechte Politikerin – im Gegenteil: Reflektierte, selbstkritische und damit verantwortungsbewusste Menschen sind essentiell für eine Demokratie.
Doch gerade für sie ist unsere Repräsentationspolitik ein bitterkalter Ort: Dieses Aufschreien, dieses Skandalisieren – wie es etwa Brigitte Foppa in den letzten Tagen erlebt haben muss –, das vor allem Frauen entgegenschlägt, die sich für andere Frauen (und sei es für nachkommende Politikerinnengenerationen) stark machen, demotiviert, zermürbt, frustriert. Angriffe auf persönlicher Ebene, weit unter der Gürtellinie und im Schutze der Internet-Anonymität gehören für viele längst zum Alltag. (Wir fragen uns, warum Frauen weniger motiviert sind, in die Politik zu gehen? Seriously?) Solidarität – ohne wenn und aber – ist hier gefragt. Frauen müssen untereinander nicht einer Meinung sein, nur um die Angriffe auf die jeweils andere zu verurteilen. Das gilt natürlich nicht nur für Frauen, sondern für alle unterrepräsentierten Gruppen.

Ideen, wie jene der doppelten Vorzugsstimme bei Gemeinderatswahlen (wer mehr als zwei Vorzugsstimmen vergeben möchte, muss mindestens eine davon dem jeweils anderen Geschlecht geben) sind keineswegs radikal: Diese wird bereits in verschiedenen italienischen Regionen praktiziert und wurde 2014 in einem anderen Kontext auch in Südtirol angewendet: An manchen mag es vielleicht vorübergegangen sein, aber um den Anteil weiblicher Abgeordneter im EU-Parlament zu erhöhen, griff das italienische Parlament zu so ziemlich dem konsequentesten Mittel, das es zur Verfügung hatte: eben der doppelten Vorzugsstimme. Wer drei Vorzugsstimmen vergab, musste mindestens eine davon dem jeweils anderen Geschlecht geben.

Wo ist der Skandal in dieser Geschichte? Dass Frauen Macht für sich beanspruchen und dies selbstbewusst und offen zeigen? Dass sie nicht mehr abwarten wollen, bis das Rad der Geschichte die Sache mit der Gleichberechtigung von selbst ins Lot bringt? Ist dieser Idealzustand „Gleichberechtigung“ nicht erst dann erreicht, wenn eine inkompetente Frau dieselben Chancen hat wie ein inkompetenter Mann? Ist es ein Skandal, dass Politikerinnen dahingehend arbeiten, dass die Quote – und je konsequenter wir sie einführen, desto schneller sind wir sie wieder los – irgendwann wirklich unnötig wird? In all dem sehe ich keinen Skandal. In all dem sehe ich vielmehr Verantwortungsbewusstsein, Courage, den Willen, mitzugestalten, und den Idealismus, der in der Alltagspolitik so oft verloren geht.