Mit einem Besuch des Akropolismuseums in Athen ( unbedingt zu empfehlen wie auch das Benaki-Museum !!) habe ich meinen Griechenland-Aufenthalt abgeschlossen. Das tat mir gut, um Abstand zu gewinnen von den umwälzenden Ereignissen der letzten Tage.
Ich fasse zusammen : ein deutlicher, aber nicht überraschender Wahlsieg des linken Parteibündnisses Syriza, das im wesentlichen die auseinandergebrochene sozialistische Pasok-Partei beerbt hat. Mit Syriza ist in Europa zum ersten Mal nach dem Krieg eine dezidiert linke Partei an die Macht gekommen, die der EU sehr kritisch gegenübersteht. Andererseits ist Syriza mit den orthodoxen , griechischen Kommunisten KKE so verfeindet, dass Tsipras keinen Augenblick daran gedacht hat, sie in eine Regierung zu bitten. Auch vor den zahllosen linken Splitterparteien mit den horrendesten Namen und Symbolen hütet sich Tsipras.
Keine Berührungsängste zeigte Tsipras gegenüber der rechtspopulistischen, nationalistischen und fremdenfeindlichen ANEL-Partei, die er als Koalitionspartner in die Regierung holte. Womit bewiesen ist, dass der neue Regierungschef kein grosser Ideologe, wohl aber ein beinharter Pragmatiker ist.
ANEL- Chef Kammenos ist ein deklarierter Merkel-Hasser. Von Deutschland fordert er die seit langem fällige Begleichung der Kriegsschulden. Dabei geht es nicht nur um die Zwangsanleihen während der deutschen Besatzung, sondern um die bei der Schuldenkonferenz von 1953 NICHT erlassene Hälfte der Reparationsschäden, die Griechenland noch zustehen.
Laut Kamenos schuldet Deutschland den Griechen inklusive Zinsen 116 Milliarden Euro. Damit könnte ein Grossteil der Schulden bezahlt werden. Nur gute Anwälte könnten Deutschland zur Zahlung zwingen, heisst es in Athen und Berlin, denn freiwillig zahlt Deutschland erwiesenermassen nie.
Ebenfalls überraschend : das Bekenntnis von Alexis Tsipras zum Atheismus. Als erster Regierungschef schwor er nur vor dem Staatspräsidenten auf die Verfassung, nicht aber - wie es bisher üblich war - auch vor dem griechisch-orthodoxen Erzbischof. Die angestrebte, strikte Trennung zwischen Kirche und Staat könnte nicht deutlicher unter Beweis gestellt werden.
Dass Alexis Tsipras erst kürzlich von Papst Franziskus im Vatikan empfangen worden ist und zwischen den beiden ein gutes Einverständnis herrscht , tut dieser neuen laizistischen und pragmatischen Politik offensichtlich keinen Abbruch. Auch haben die 80.000 in Griechenland lebenden Katholiken Tsipras gewählt, nicht etwa, weil sie meinten, er sei gläubig, sondern weil sie sich von ihm ein Ende der griechischen Sozialmisere erhoffen.
Die auf zehn Minister zusammengekürzte Regierungsmannschaft hat Tsipras in 48 Stunden zusammengestellt. Keine Frau ist darunter, wohl aber der als Bürgerschreck gehandelte Mathematiker Yanis Varoufakis in der Rolle des neuen Finanzministers. Der 56jährige hat nach Studienaufenthalten in England und Australien an der Austin-Universität in Texas gelehrt. Er bezeichnet sich als Marxist , doch sein bester Freund ist der Wirtschaftswissenschaftler James Galbraith, Sohn des berühmten Ökonomen John Kenneth Galbraith, der einst Chefberater von US-Präsident John F. Kennedy war.
J.K. Galbraith war ein Verfechter des Sozial- und Wohlfahrtsstaates. An diese Tradition knüpfen Tsipras und Varoufakis an, wenn sie ein Ende der neoliberalen Sparpolitik fordern. Das Motto des neuen griechischen Finanzministers lautet nicht : " zerstören wir den Kapitalismus" , sondern: "zertrümmern wir die Basis der Oligarchen " .
Wird es der neuen Regierung in Athen gelingen, die korrupte Kaste abzuschaffen, ohne selbst in den Sog von Klientel- und Misswirtschaft zu geraten? Schön wärs. Inzwischen gilt : abwarten und Tee trinken - oder vielleicht besser Ouzo ( den griechischen Nationalschnaps).