Politik | Amtseid

Die Republik der Rituale

Sergio Mattarella hat die pompöse Zeremonie des Amtseids mehr über sich ergehen lassen als selbst gestaltet. Seine Rede blieb ohne Überraschungen.

Die Republik ist angeschlagen. Bedrängt von Korruption, Mafia, Reformfeindlichkeit und politischem Dauergezänk. Aber sie liebt nichts mehr als byzantinische Rituale. Dazu gehört die pompöse Einführung neuer Staatspräsidenten: berittene Kürassiere mit goldenen Helmen, die Motorradstaffel der Carabinieri, der Oldtimer aus den 50er Jahren, die Salutschüsse, die frecce tricolori und ihre grün-weiß-roten Streifen am grauen römischen Himmel, die von Fanfaren begleitete Kranzniederlegung am häßlichen monumento del milite ignoto....Die gigantische
Inszenierung wurde nur durch den Regen beeinträchtigt und sorgte im römischen Stadtzentrum für ein Verkehrschaos.

Sergio Mattarella hingegen liebt pompöse Spektakel nicht. Er verabscheut sie. Er läßt sie ebenso über sich ergehen wie die standing ovations im Parlament, die völlig selbstverständliche Äußerungen begleiten wie jene über den Kampf gegen Mafia und Terrorismus und den unvermeidlichen Hinweis auf die resistenza. 

Wie erwartet, bewegte sich der wortkarge und nüchterne Präsident ganz im institutionellen Rahmen der Zeremonie - ohne jede unerwartete oder besonders erwähnenswerte Äußerung.

Der Ankündigung "Sarò un arbitro imparziale" ließ er nach dem starken Applaus die ironische Anmerkung folgen "I giocatori mi aiutino" - einen Appell an jene Parlamentarier, die sich bei seiner Wahl am Samstag noch wüst bekriegt und in Intrigenspielen geübt hatten.

Mattarella streifte in seinem kurzen Text zahlreiche, für eine Antrittsrede obligatorische Themen wie die Einheit des Staates, die Gleichstellung der Frau, den Kampf gegen Korruption, das Recht auf Bildung und die Notwendigkeit rascher Reformen, um den Menschen neue Hoffnung zu geben. Nur einmal, als er sich in den wenigen Blättern seines Manuskripts verlor, zitterte das Protokoll kurz.

Der 73-Jährige mit dem schlohweißen Haar, der inmitten der Zeremonien fast etwas verloren wirkte, wird am Dienstagnachmittag glücklich sein, wenn er die Wohnungstür wieder hinter sich schließen kann.

Die von G.Mumelter kritisierten "byzantinischen Rituale" finde ich gar nicht so schlecht - vor allem, wenn der gewählte Staatspräsident so eine integere Persönlichkeit wie Sergio Mattarella ist. Auch die Republik braucht ihre Zeremoneien und Feierlichkeiten - oder sollen wir das ausschließlich dem Vatikan überlassen? Und wenn man andere europäische Länder zum Vergleich nimmt - etwa Großbritannien oder Frankreich - dann sah das byzantinische Rom doch sehr bescheiden aus.
lg LG

Do., 05.02.2015 - 01:41 Permalink