Zurück in Athen, wo von der Euphorie der Vorwahlzeiten wenig übrig geblieben ist. Im Gegenteil: schon beginnen die Scharmützel innerhalb der Regierungspartei Syrizia. Manolis Glezos, eine Legende des griechischen Widerstandes gegen die Nazi-Herrschaft, entschuldigte sich heute dafür, eine Wahlempfehlung für Syriza abgegegeben zu haben. Tsipras habe die Wahlversprechen bereits verraten. Er und Varoufakis hätten sich trotz gegenteiliger Ankündigungen mit den Erben der Troika an einen Tisch gesetzt.
Manolis Glekos war 1941 als 18jähriger in der Nacht auf die Akropolis geklettert, um die Hakenkreuz-Fahne zu entfernen und an ihrer Stelle die griechische Nationalflagge zu hissen. Seitdem ist er ein Nationalheld. Sein niederschmetterndes Urteil gegen Tsipras eröffnet die Flügelkämpfe innerhalb von Syriza, die von den Euro-Gruppen- Analysten einmal mehr völlig unterschätzt wurden.
Den griechischen Finanzminister Yannis Varoufakis wie einen Schulbuben herunterzuputzen, wie es sein deutscher Amtskollege Schäube getan hat, war keine gute Idee. Denn Varoufakis ist ein gemässigter Keynesianer, so wie auch Ministerpräsident Tsipras parteiintern nicht zum radikalen Flügel gehört. Wenn diese beiden Politiker weiterhin durch die Eurogruppe gedemütigt werden, gewinnen über kurz oder lang die Super-Hard-Liner von Syriza die Oberhand . Diese wirklich Radikalen , die sich unter dem Motto " Linke Plattform " zu einem strikten orthodoxen Kommunismus bekennen, machen 30 Prozent von Syriza aus.
Wenn sie an die Macht kommen, kann sich die von Deutschland beherrschte Eurogruppe wirklich Sorgen machen. Die "Linke Plattform" plädiert für einen Austritt Griechenlands aus dem Euro und das Ende der Euro-Zone überhaupt. Ihre Argumentation: die Europolitik sei nicht reformierbar. In diesem Punkt haben die Orthodoxen Kommunisten recht, wie am Vorgehen der EU gegenüber Griechenland deutlich geworden ist.
Denn das Problem Griechenland ist nicht gelöst , sondern nur zeitlich hinausgezögert worden - und zwar seit 2012, als der vielgerühmte Schuldenschnitt erfolgte. Der Regierung in Athen waren damals die Hälfte der Schulden erlassen worden. Doch nur , damit sie gerade soviel Luft bekam , um neue Kredite aufzunehmen, die zu 81 Prozent der Tilgung von Altschulden und Zinsen dienten.
Jedem durchschnittlich intelligenten Bürger ist klar, dass sich ein Land mit einer derartigen Schuldenlast nie sanieren kann. Es braucht Reformen, aber auch die Mittel, um ein Minimum an Sozialstaat aufrecht zu erhalten. Das ist die Voraussetzung für den politischen Konsens zur Durchführung der Reformen.
Das unausgegorene, unkluge Brüsseler Spardiktat hat in Athen genau das bewirkt, wovor vor die Eurogruppe Angst hatte: einen radikalen Linksrutsch und damit die Abwahl der mit Brüssel verbandelten griechischen Eliten. Statt mit den griechischen Nadelstreif-Anzug-Politikern hat es die Eurogruppe jetzt mit krawattenlosen, aufmüpfigen jungen Löwen zu tun.
Von meinen Bekannten in Brüssel habe ich erfahren , wie sehr die altgedienten Euro-Finanzminister gelitten haben, als ihnen der unkonventionell auftretende Varoufakis die Show stahl. Als er auch noch über die zunehmende Verarmung und die hohe Kindersterblichkeit in Griechenland zu reden begann, fühlten sich die anderen EU-Finanzminister geradezu brüskiert. Das sei doch langweilig und tue nichts zur Sache, gähnten die ausschliesslich auf Geldvermehrung konzentrierten Europartner.
Yannis Varoufakis , der durch sein Aufttreten zumindest bewirkt hat, dass alle wichtigen Medien wochenland über Griechenland reden mussten, wird voraussichtlich der erste Minister der Tsipras Regierung sein, der entlassen wird : die Syriza-Radikalen halten ihn für zu kompromissbereit, sie haben ihn zum Abschuss freigegeben.
Die meisten Eurogruppen-Mitglieder werden sich freuen, wenn Varoufakis den Hut nehmen muss. Sie arbeiten ja schon seit Wochen darauf hin , dass Griechenland scheitert und ein abschreckendes Beispiel wird. Denn die Regierung Tsipras darf auf keinen Fall Erfolge erzielen: sonst könnten ja auch andere europäische Völker auf die Idee kommen, bei den nächsten Wahlen die neolioberal-konservativen Regierungen abzuwählen.
Doch auch der als links eingestufte Ministerpräsident Matteo Renzi hackt gerne auf seinem griechischen Amtskollegen Tsipras herum, weil er fürchtet, dass das griechische Beispiel in Italien Schule machen könnte. Dabei hätte Renzi als Vertreter des am stärksten angeschlagenen südeuropäischen Landes unter dem Vorwand des griechischen Wahlsiegs eine Reform der Euro-Politik zumindest anstossen können.