Gesellschaft | Toleranz-Übung

Kopftuch im Sanitätsbetrieb

Stellen wir uns vor, eine muslimische Studentin der Krankenpflege möchte beim Praktikum ihr Kopftuch tragen...
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Im Südtiroler Sanitätsbetrieb gibt es eine Kleiderordnung. Damit soll den Leistungsempfängern eine gewisse Orientierung im sanitären Wirrwarr gegeben werden. Man/frau kann so Ärzte von Krankenpflegern, Techniker von Pflegehelfern, Reinigungskräfte von Verwaltungsangestellten, usw... unterscheiden. Auch für die Krankenhaushygiene ist eine geordnete und saubere Dienstkleidung unerlässlich. Sie trägt auch entschieden zu einer besseren "erlebten Qualität" bei, d.h. als Patient fühlt man sich sofort in besseren Händen, wenn das Personal ordentlich gekleidet ist. Auch sehen die einzelnen Berufe im einheitlichem outfit ihre Identität und Stolz. Eine Uniform gibt Sicherheit - ganz konkret als Schutz, aber auch beim Auftreten in der Öffentlichkeit, beim Verkörpern der Rolle. Der Arbeitgeber muss vertraglich für eine angemessene und sichere Dienstkleidung sorgen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet diese zu tragen. Nicht zuletzt dient eine Kleiderordnung auch dazu, die Dienstkleidung von Tausenden von Angestellten auf vernünftige und wirtschaftliche Art und Weise zu managen, denn die Wäsche muss gekauft, gewaschen, gelagert und verteilt werden - und das auf Kosten des Steuerzahlers.

Die Arbeitskleidung im Sanitätswesen soll und darf also - ganz im Gegensatz zum Privatleben - nicht Ausdruck von Individualität sein. Oder doch? Und wenn ja, bis zu welchem Punkt? Die Gratwanderung zwischen der Einhaltung von Regeln und dem menschlichen Bestreben nach individuellem Ausdruck ist oft schwierig, manchmal delikat, manchmal führt sie zum Absturz... Sicher gewährt sie uns eine Gelegenheit zum Nachdenken, manchmal zwingt sie uns zu Entscheidungen - wie im vorliegenden Fall: ist das Tragen eines Kleidungsstückes als Ausdruck des religiösen Glaubens - auch entgegen der gültigen Kleiderordnung - legitim? Sollte die Regel geändert werden? Wenn ja, in welchem Ausmaß? Haben Patienten das Recht auf "neutral" gekleidete Angestellte? Wenn nicht, könnte das Vertrauen bestimmter Patienten in das Gesundheitspersonal durch das Tragen religiöser Symbole beeinträchtigt werden? Soll eine muslimische Krankenpflegerin gegenüber einem katholischen Patienten tolerant sein, wenn sie weiß, dass ihre Kleidung Angst oder Unbehagen hervorruft, oder soll jeglicher Patient gegenüber dieser Krankenpflgerin tolerant sein, welche umgekehrt ohne ihre Kopfbedeckung Unbehagen empfindet? Würde ein Kopftuchverbot die Religionsfreiheit einschränken? Würden wir einem jüdischen Angestellten auch die Kippa verbieten? Könnten wir dann dennoch die Kruzifixe an der Wand hängen lassen..? 

Die Meinung der salto-comunity könnte zur Entscheidungsfindung beitragen...

 

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Benno Kusstatscher Do., 09.10.2014 - 17:37

Antwort auf von Oskar Egger

Mit welcher Leichtigkeit da von Kopftuch zur Burka gewechselt wird, wie schnell von einer persönlichen Entwicklung einer Einzelnen auf ein Urteilsanspruch geschlossen wird, wie man fast kommunistisch anmutenden Laizismus-Statements von sich gibt, um dann dem Fass den Boden auszuschlagen und daraus unterstellte Frauenfeindlichkeit abzuleiten, all das zeugt wohl von höherer Argumentationskultur, der ich mich dankend ergebe. Fröstlns ruhig!

Do., 09.10.2014 - 17:37 Permalink
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Oskar Egger Do., 09.10.2014 - 18:54

Antwort auf von Benno Kusstatscher

Finden Sie "Zotteln" frauenfreundlich? Von Kopftuch zu Burkia argumentierte die zitierte Autorin, auch bei Ihnen las ich aber den Vergleich von Kopftuch und jüdischem Kappel, also so daneben? Und leider muss ich feststellen, und das ist nicht das erste Mal auf salto und anderswo und es nervt, dass, anstelle triftiger Argumente, anstelle einer weiterführenden Diskussion mit Anschuldigungen und Unterstellungen um sich geworfen wird. Mal ist man rechts, mal kommunistisch, mal von vorvorgesten, mal oberflächlich, mal verschwörungstheoretisch. Das verhindert eine Auseinandersetzung mit dem Thema. Und ja, ich wage noch einmal zu behaupten, dass hinter dem ganzen Theater auch eine verdeckte Frauenfeindlichkeit unserer westlichen Denklobby stecken kann. Es steht Ihnen ja frei, Argumente zu finden, die diesen meinen Verdacht, der neu ist, zu widerlegen.

Do., 09.10.2014 - 18:54 Permalink
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Benno Kusstatscher Do., 09.10.2014 - 20:21

Antwort auf von Oskar Egger

Ich finde "Zotteln" ziemlich gender-neutral, wenn schon, dann eher männlich besetzt. Wenn ich mit Zotteln zweifelhaft gepflegte Haartracht bezeichne, die vom Arbeitgeber ja schwerlich beanstandet werden kann, dann ist das für ein Krankenhaus sicher ein größeres Problem als ein Kopftuch.

Ich werfe Ihnen jedenfalls keine Frauenfeindlichkeit um die Ohren und hätte die doch recht ausschweifenden, sagen wir, doch recht resolut vorgetragenen Standpunkte nicht als triftige Argumente zur Sache empfunden. Mit dem " so neben bei" hatten Sie schon selber bemerkt, dass die nachfolgenden Sätze nicht wirklich das eigentliche Thema adressierten, also wozu die Liebesmüh?

Do., 09.10.2014 - 20:21 Permalink
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Oskar Egger Fr., 10.10.2014 - 08:54

Antwort auf von Benno Kusstatscher

Wieso sind meine Überlegungen Liebesmüh? Haben wir nicht über weibliche Kopfbedeckung gesprochen? Wieso ist eine überlegte Meinung gleich resolut? Ich setze mich für eine Kultur des Dialogs ein, bei der man durch gemeinsames rflektieren weiterkommt. Leider wird man beim leisesten Hauch von Kritik schon in ein Eck gedrängt.

Fr., 10.10.2014 - 08:54 Permalink
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Frank Blumtritt Do., 09.10.2014 - 22:44

Hätte nie gedacht, dass dieses Thema so viel "Anklang" finden würde... Danke für die rege Teilnahme!

Hier mein persönliches Resümee so far:
1) Öffentliche Angestellte können in Italien wegen ihrer Religion weder ausgewählt, noch entlassen werden. Auch der Verstoß gegen die Kleiderordnung wäre keine "giusta causa".
2) Dem Südtiroler Bürger ist es anscheinend zumutbar, sich sanitäre Leistungen von einer als Muslime erkennbaren Person erbringen zu lassen.
3) Das Bekenntnis zu einer Religion kann Niemandem in keiner Situation verweigert werden (Auch eine Halskette mit einem Kreuz, Davidstern, Buddha, usw. hat diesen Zweck - genau genommen sogar ein Ehering...)
4) Wer ein öffentliches Amt ausführt darf nicht vermummt sein und muss in seiner Rolle erkennbar sein.
5) Uniformen sind in einem Krankenhaus sinnvoll.
6) Das Kopftuch als Kleidungsstück hat im Gesundheitswesen weder Vor- noch Nachteile.

Fazit: Eine zeitgemäße Kleiderordnung sollte das Tragen eines Kopftuches zulassen. Angesichts ihrer spärlichen Verbreitung könnten Kippa, Turban&Co momentan einfach unerwähnt bleiben.
P.S. Viele scheinen der Meinung zu sein, dass unseren allgegenwärtigen Kruzifixen Symbole anderer Religionen zur Seite gestellt werden sollten...

Do., 09.10.2014 - 22:44 Permalink
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gorgias Do., 09.10.2014 - 23:03

Antwort auf von Frank Blumtritt

Was für ein Schwachsinn neben dem Kreuz weitere religiöse Symbole zu hängen, anstatt in öffentlichen Gebäuden wie Schulen, Gerichte und Amtsstuben auf religiöse Symbole ganz zu verzichten. Das ist am Ende eine Beleidigung aller Religionen, zumindest der abrahamitischen.
Und wenn man das ganze konsequent durchdenken würde so müsste am Ende neben dem christlichen Kreuz auch das umgekehrte Kreuz der Satanisten hängen.

Do., 09.10.2014 - 23:03 Permalink
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Waltraud Astner Sa., 11.10.2014 - 11:51

Vom Kopftuch im Krankenhaus abgesehen, stellt sich grundsätzlich die Frage warum das Kopftuch überhaupt getragen wird. Dazu ist zu sagen, dass es sicherlich einen starken Druck der islamischen community auf junge Frauen gibt sich für das Kopftuch zu entscheiden. Dabei sollen die Haare und je nachdem auch das Gesicht oder Teile davon anderen Männern nicht sichtbar gemacht werden. Da muss man sich schon fragen inwieweit eine solche Einstellung mit der Freiheit zur Entfaltung , speziell mit Frauenrechten kompatibel ist. Das Kopftuch bedeutet eine Diskriminierung von Frauen (Alice Schwarzer) und sollte in unserer ach so toleranten Gesellschaft ein Thema sein. Deshalb sollte im Sinne der Frauen das Kopftuch im öffentlichen Raum keinen Platz haben. Es kann mir doch niemand erzählen, dass dieses unbequeme, einschränkende und schweißtreibende Kleidungsstück von den Frauen freiwillig getragen wird. Noch dazu muss man sich fragen, ob es wirklich zielführend ist wenn Migranten sich durch ihr Äußeres so vehement von den Einheimischen abgrenzen müssen, zumal gerade dieses Kleidungsstück keinen praktischen Nutzen hat. Wieso muss eine Person ihr Gegenüber auf so auffallende Weise auf Schritt und Tritt mit ihrer Kultur (Religion ist es offenbar nicht) konfrontieren, sodass diese zunächst einmal auf diesen Aspekt achtet. Kulturell geprägte Anlässe (z.B.Feste) wären dazu ausreichend. Gleichzeitig ist das Kopftuch auch ein Hindernis für weitere Arten von Begegnung , z.B. Ausüben von Sportarten (Schwimmen), die vor allem für Jugendliche gemeinschaftsfördernd wirken.
Der Respekt für ein Gastland zeigt sich auch darin, dass man sich in etwa der örtlichen Kleiderordnung anpasst, genauso wäre es respektlos in einem islamischen Land, in dem man sich vorübergehend oder länger aufhält, Minirock, Shorts und knappe Oberteile zu tragen.
Zu den katholischen Orden ist zu sagen, dass diese zunehmend auf auffallende Trachten verzichten, meist nur mehr ältere Nonnen tragen das Ordenskleid.
Das Thema Kruzifix im Klassenzimmer gehört auch aus einer anderen Warte zu betrachten. Solange es das Fach Religion gibt (und das gibt es solange Eltern dies wünschen), hat der Religionslehrer, wie alle anderen Lehrer auch , das Recht Anschauungsmaterial an den Wänden anzubringen. Dies ist allemal ein Grund.

Sa., 11.10.2014 - 11:51 Permalink
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Frank Blumtritt Sa., 11.10.2014 - 19:57

Antwort auf von Waltraud Astner

Wie schon gesagt, ich halte es für äußerst gefährlich für andere zu entscheiden, ob sie etwas freiwillig oder unter Druck tun. Ein gewisser gesellschaftlicher Druck lastet auf allen Menschen, sonst muss man als Eremit leben - und auch die sind es wohl meist als Ergebnis eines gesellschaftlichen Drucks geworden.
Das Gefühl einer gewissen Zugehörigkeit zu einer Religion gibt den Menschen Sicherheit, genauso wie die Blaskapelle oder der Trachtenverein, nur dass die Religion eine universelle Sicherheit gibt, die über lokale Kultur und Staaten hinaus geht. Völlig laizistische Gesellschaften erfordern ein hohes Maß an Vertrauen der Bürger in das gesellschaftliche Gefüge und die Institutionen. Soweit sind wir hierzulande sicher nicht.
Über Ihre Bemerkung, dass das Kruzifix dem Religionslehrer als "Anschauungsmaterial" dient, muss ich schmunzeln. Schon lange ist das Fach Religionslehre keine christliche Doktrin mehr, sondern eben die Lehre der Religionen und zwar aller Religionen. Vielmehr gibt das Kreuz an der Wand den Menschen eine gewisse Sicherheit, oder besser gesagt, es verunsichert sie, wenn man es abnimmt. Anschauen und darüber nachdenken tun sowieso nur die wirklich Gläubigen, also die wenigsten.

Sa., 11.10.2014 - 19:57 Permalink
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Profil für Benutzer Waltraud Astner
Waltraud Astner Fr., 13.03.2015 - 23:50

Eine öffentliche Schule hat sich ausschließlich an den Befindlichkeiten der Schüler und nicht an jenen der Lehrer zu orientieren. Da Lehrer nun mal gewollt oder ungewollt Vorbild und Orientierungsfunktion für ihre Schüler darstellen ist es nicht erlaubt diese durch persönliche politische und religiöse Weltanschauungen zu beeinflussen. Daher haben religiöse Symbole wie Nonnenhabit, Kippa , buddhistische Tracht und Kopftuch in der Schule bei Lehrern nichts verloren. Was das religiöse Anschauungsmaterial an den Wänden anbelangt, so hängt dies von der in einer Schule (auf Wunsch der Eltern ) vermittelten Art von Religionskunde ab.
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/aufhebung-des-kopftuchverbots…

Fr., 13.03.2015 - 23:50 Permalink