Umwelt | Zugverkehr

BBT: Von Visionen und Illusionen

Geht es nach dem Bürgermeister von Franzensfeste, sollen die Züge auf der BBT-Strecke zukünftig in seiner Gemeinde halten. Sepp Kusstatscher warnt: "Eine reine Illusion!"

Zunächst in einem Radio-Interview, dann auch schriftlich in einer Pressemitteilung, meldete sich der Bürgermeister von Franzensfeste diese Woche zu Wort. Der Anlass? Thomas Klapfer hat sich Gedanken zum BBT gemacht. Genauer gesagt, darüber, wie der Tunnel nach seiner Fertigstellung optimal für Südtirol genutzt werden könnte. “Es wird nur zwei Möglichkeiten geben, in Südtirol in die Schnellzuüge auf der Strecke Berlin-Palermo einzusteigen”, erklärt Klapfer. Nämlich einmal in Bozen und ein zweites Mal in Franzensfeste. An anderen Orten kommen die Züge auf der Strecke nicht ans Tageslicht. “Wir riskieren, eine einmalige Chance zu versäumen, wenn wir nicht alle gemeinsam eine gangbare Lösung suchen.” Mit Nachdruck weist der Bürgermeister auf die Notwendigkeit hin, bereits heute ein Verkehrskonzept für die Zeit nach Beendigung der Bauarbeiten am BBT auszuarbeiten.

Konkret kann sich Klapfer vorstellen, dass die Schnellzüge zukünftig am Bahnhof Franzensfeste Halt machen. “Über den Tunnel und die südlichen Zulaufstrecken wird es von Franzensfeste aus möglich sein, in rund 15 Minuten in Bozen oder in Innsbruck oder etwa in einer Stunde in Verona oder München zu sein. Das bedeutet, dass Südtirol verkehrstechnisch ein Vorort von Verona oder München sein wird. Andererseits sind auch wir schneller und besser erreichbar”, listet Klapfer die Vorteile auf, die sich durch die “Jahrhundermöglichkeit BBT” für Franzensfeste, seine Wirtschaft, den Tourismus, für die Pendler und das Freizeitverhalten aufzutun scheinen. Daher wünsche er sich, dass “bereits jetzt alle daran arbeiten, dass die Züge auch in Franzensfeste halten werden”.

Aufmerksam verfolgt hat des Bürgermeisters Visionen für den “Bahnhof Franzenfeste 2026” Sepp Kusstatscher. Der ehemalige Grüne EU-Parlamentarier macht sich Sorgen, dass Thomas Klapfer die falschen Schlüsse aus all dem ziehen würde, “was die große Verkehrspolitik mit Franzensfeste sowie nördlich und südlich davon plant”. In einem offenen Brief wendet sich Kusstatscher persönlich an den Bürgermeister:


Sehr geehrter Herr Bürgermeister!

Sehr viel Medienecho hat Ihre Erklärung zum BBT als „Jahrhundertmöglichkeit“ für Franzensfeste bekommen. Natürlich gönne und wünsche ich Franzensfeste bessere Chancen, warne allerdings vor falschen Hoffnungen.

Sie träumen davon, dass durch die Haltestellen der Hochgeschwindigkeits-Eisenbahn München-Palermo in Franzensfeste und in Bozen „Südtirol verkehrstechnisch ein Vorort von Verona und München sein wird“.   

Ich finde es gut, wenn Sie als neuer Bürgermeister von Franzensfeste sich Gedanken machen über die Zukunft Ihrer Gemeinde nach dem Bau des BBT. Allerdings befürchte ich stark, dass Ihre „Visionen für den Bahnhof Franzensfeste nach 2026“ eine reine Illusion sein werden. Studieren Sie doch einerseits das Konzept und die vorliegenden Planungen für den BBT und die Hochgeschwindigkeitseisenbahn Berlin-Palermo und vergleichen Sie andererseits, wo und wie oft die bereits bestehenden Hochgeschwindigkeitszüge in Europa Halt machen!

In Franzensfeste endet der BBT. Die neue Bahn wird dort aus dem BBT direkt in einen weiteren Tunnel geleitet, der von Franzensfeste über die Villnösser-Haltestelle nach Waidbruck führen soll und dann weiter bis Bozen Nord bzw. ins Unterland und weiter bis nach Verona. In Franzensfeste ist nur eine Nothaltestelle (!) geplant und in Bozen soll es laut Planungskonzept nur die Möglichkeit geben, dass, so wie in Innsbruck und in Trient, die Züge herausfahren können. Mehr nicht! Das Ziel des verrückten Großprojektes ist es, dass die superschnellen Personenzüge möglichst schnell zwischen München und Verona verkehren können.

Herr Bürgermeister, es ist gut, wenn Sie sich dagegen wehren, dass wir in den Alpentälern nicht nur die Belastungen des Transitverkehrs zu tragen haben und von den gewaltigen Baumaßnahmen kaum oder nichts profitieren. Die Lobbyisten der Bau-Mafia haben jedoch politisch auf nationaler und europäischer Ebene die teuerste aller Möglichkeiten durchgesetzt, um die Ballungsräume München und Verona mit einer Personen-Hochgeschwindigkeitsbahn zu verbinden, wobei die regionalen Zwischenräume überrollt werden. Wissen Sie beispielsweise, dass der Trassenverlauf für die neue Bahn zwischen Waidbruck und Bozen noch immer nicht festgelegt worden ist, geschweige denn, dass es dafür ein Ausführungsprojekt gäbe oder gar schon Finanzierungszusicherungen? Der BBT wird so, wie es läuft, zu einer luxuriösen Kathedrale in der Wüste.

Das Credo an ewiges Wachstum mit immer mehr, immer höher und immer schneller verblendet unsere Sicht der Dinge. Grundsatzfragen wie z.B., ob wir so schnellen Verkehr und so viele Transporte überhaupt brauchen, dürfen schon fast nicht mehr gestellt werden. Es wird kaum darüber nachgedacht, wer die Profiteure und wer die Leidtragenden dieser weltweiten Wirtschaft sind. Es wird vielfach nur nachgebetet, was im Interesse des neoliberalen Kapitalismus ist. Das Gemeinwohl bleibt dabei auf der Strecke.  

Besorgt und nachdenklich grüßt Sie
Sepp Kusstatscher aus Villanders