Politik | Gemeinderat

Märchenhaftes Ende?

Zahlreiche Unterbrechungen und eine angriffslustige Opposition im Bozner Gemeinderat stellen die Geduld auf eine harte Probe. Spagnolli: "Überdenke Position zu Benko."

Um 19.45 Uhr sind alle 45 Bozner Gemeinderäte anwesend. Zwar ist die Sitzung bereits für 18 Uhr anberaumt, doch nach ganzen vier Unterbrechungen gleich zu Beginn der Arbeiten, vergehen knapp zwei Stunden, bis man zur Tagesordnung übergeht.

Gleich zu Beginn hagelt es heftige Kritik für die Vertreter von Luigi Spagnollis Koalition. Die Opposition äußert Unverständnis darüber, warum erneut über ein mögliches Regierungsprogramm und eine eventuelle Stadtregierung abgestimmt werden soll. So steht es nämlich auf der Tagesordnung. “Questo ordine di giorno è una presa in giro.” “State facendo una bruttissima figura davanti alla città.” “Non ammettere una perdità squalifica un politica.” Solche und ähnliche Parolen werden in Richtung Bürgermeister und Koalition geschmettert. Beinahe einstimmig die Kritik von Lega Nord, Alto Adige nel Cuore, Fratelli d’Italia, Benussi, Liste für Bozen und Movimento 5Stelle: Warum soll ein Beschlussantrag, über den bereits am Vortag abgestimmt wurde, noch einmal diskutiert werden?

Als Luigi Spagnolli das Wort ergreift, verteidigt er die erneute Diskussion. Er wird noch einmal ein Regierungsprogramm vorlegen. Denn schließlich hat er bis Mitternacht Zeit, eine Regierung auf die Beine zu stellen und zur Abstimmung zu bringen. Spagnolli will Neuwahlen, die laut seinen Angaben bis zu einer halben Million Euro kosten würden, bis zuletzt verhindern.

Inzwischen ergreift Luigi Gallo über Facebook das Wort. “Müdigkeit”, das sei was er angesichts der laufenden Diskussion im Gemeinderat fühle.

Di nuovo in consiglio comunale. ....Stanchezza. Ancora un tentativo ultimo per la giunta. ... Francamente solo la possibilità di far decidere il consiglio comunale sulla delibera sul pru di via alto Adige (benko) mi fa stare qui; solo cercare di rispondere all'attacco vergognoso di ieri, teso a espropriare il voto del consiglio comunale su quel progetto (se non si fa la giunta , salta il consiglio e lo si espropria del diritto di discutere e,per quanto ci riguarda, bocciare il progetto benko) .

Zugleich ergreift Anna Pitarelli das Wort. Sie hat zwischen den Oppositionsreihen Platz genommen. Und verteidigt wiederholt ihre Entscheidung entgegen der Parteidisziplin gegen Programm und Regierung von Luigi Spagnolli zu stimmen: “Ich verrate meine Wähler nicht, wie es andere tun. Ich will etwas für die Stadt zun und deswegen setze ich mich für ein gewisses Projekt ein. Und das unentgeltlich. Ich bin immer für alle da und arbeite für die Bürger. Und auch der Gemeinderat sollte das machen. Wer mich nun eine Verräterin nennt, der sollte überlegen: Wer verrät hier wen?

Dann ist Rudi Rieder an der Reihe. “Wir nehmen die Bürger auf den Arm”, empört sich der Gemeinderat des Movimento 5Stelle. Man habe mit voller Absicht das Risiko in Kauf genommen, für Bozen eine kommissarische Verwaltung zu erwirken. Seit einiger Zeit zirkuliere auch bereits der Name für den zukünftigen Stadtverwalter: Laut Rieder sei dies – auf Wunsch von Landeshauptmann Arno Kompatscher und Heinz-Peter Hager – Hermann Berger.

Mehrmals ist es der Generalsekretär der Gemeinde, Antonio Travaglia der das Wort ergreift. Und Klarheit in die Angelegneheit bringt. Etwa über die Rechtslage in Sachen erneute Abstimmung über einen bereits abgehandelten Tagesordnungspunkt. Oder die Benennung, die Aufgaben und Zuständigkeiten eines Kommissärs.

Den eigentlichen Clou landet aber Bürgermeister Spagnolli. In seiner letzten Stellungnahme vor einer erneuten Unterbrechung erklärt er: “Ich werde meine Position zum Benko-Projekt überdenken.” Konkret könnte das heißen, dass er sich, falls es schlussendlich doch der Gemeinderat sein wird, der über das Kaufhaus-Projekt befindet, dagegen aussprechen könnte. Ein Täuschungsmanöver? Ein Schachzug, um sich die Stimmen von Grünen und vielleicht sogar der Movimento 5Stelle-Räte zu sichern? Es bleibt spannend…Und dem Bürgermeister weniger als drei Stunden bis Mitternacht.