Gesellschaft | Aufnahme

“Das sind Menschen, die da kommen”

Am Montag, nicht wie anfangs geplant am Sonntag, kommen die ersten Flüchtlinge nach Meran. Rösch: "Wir werden uns um sie bemühen." Anderswo gibt es gemischte Gefühle.

UPDATE

Wie Bürgermeister Paul Rösch gegen 18 Uhr am Sonntag Abend bekannt gab, werden die ersten Flüchtlinge erst am Montag, 29. Juni in Meran eintreffen:

 

L'arrivo dei profughi, che saranno accolti dalla città di Merano, è stato posticipato a lunedì pomeriggio.Die Ankunft...

Posted by Paul Rösch on Domenica 28 giugno 2015

Sinnbildhaft steht der Bahnhof für das Schicksal vieler Flüchtlinge. Ein Ort des Aufbruchs, des Neubeginns, der Reise ins Ungewisse, in eine bessere Zukunft. Ob sie diese in Meran finden werden, steht in den Sternen. Sicher ist jedoch, dass am heutigen Sonntag die ersten Flüchtlinge in die ehemaligen Arbeiterhäuschen nördlich des Meraner Bahnhofs einziehen. Vor einigen Tagen gab der neu bestellte Stadtrat unter Bürgermeister Paul Rösch grünes Licht für die Aufnahme von bis zu 60 Flüchtlingen. In einem Treffen mit Soziallandesrätin Martha Stocker Mitte der vergangenen Woche sicherte Rösch die Bereitstellung der ehemaligen Bauarbeiter-Unterkünfte zu. In einer Videobotschaft erklärt der Bürgermeister, wie es dazu gekommen ist:

Die meisten Flüchtlinge, die Südtirol per Quote zugewiesen werden, landen in Bozen. Dort werden sie eine Zeit lang in den Kasernen behalten, wo Untersuchungen und Ansuchen gemacht werden. Nach einer gewissen Zeit sollen sie aber weitergeschickt werden. Und das Traurige ist, dass sich viele Gemeinden quer stellen. Auch reiche Gemeinden, die überhaupt keine finanziellen Probleme haben. Ich bin vor einiger Zeit schon zum Landeshauptmann und habe ihm von dem leer stehenden Arbeiterareal am Bahnhof berichtet. Diesen Vorschlag hatte mir Herr Balzarini einmal unterbreitet. Die Landesregierung hat das sofort aufgenommen und wir bekommen jetzt Flüchtlinge. Wir haben Platz für 50, 60 Menschen. Aber am Sonntag kommen jetzt bereits 25.

Um die Menschen wird sich wie auch in Bozen der Verein Volontarius kümmern. Doch die Gemeinde will sich nicht aus der Verantwortung ziehen. “Wir werden als Gemeinde versuchen, Sprachkurse zu organisieren. Wir werden uns einfach auch etwas bemühen um die Flüchtlinge” versichert Rösch. Denn: “Das sind Menschen, die kommen. Oftmals werden sie nicht als solche gesehen.”

 

Das Klima in der Stadtregierung ist gut und die ersten Projekte sind auf dem Weg ...

Posted by Paul Rösch on Venerdì 26 giugno 2015

Am Montag um 9 Uhr will der Bürgermeister das gesamte Vorhaben auch der Presse präsentieren. “Darauf freue ich mich sehr”, so Rösch, “denn es ist ein Zeichen. Meran ist ja eine Stadt, die diese Tradition in sich hat. Wir waren immer dieser kosmopolitische Ort. Und dass wir diese Tradition fortführen, darauf freue ich mich.”

Zwanzig Kilometer von Meran entfernt ist man weniger erfreut über die neuen Mitbürger. In Prissian sollen in den kommenden Monaten 40 Flüchtlinge ankommen. Untergebracht werden sie im ehemaligen Salus-Center der kleinen Fraktion der Gemeinde Tisens. Platz gäbe es dort für etwa 80 Personen. Diese Anzahl an Flüchtlingen wollte man dem 800-Einwohner-Dörfchen aber nicht zumuten. Doch vor allem den Prissianer Tourismustreibenden bereitet die nahende Ankunft von Flüchtlingen Kopfzerbrechen. Sie machen sich Sorgen um ihr Geschäft. “Ich selbst verstehe natürlich, dass diese Leute eine Unterkunft brauchen, aber ich bin mir nicht sicher, ob das auch unsere Gäste so sehen. Als Unternehmer muss man auch darauf schauen”, gesteht ein Prissianer Gastwirt im Gespräch mit der Neuen Südtiroler Tageszeitung. “Ein Tourist klickt sich im Zweifelsfall weiter, wenn in einer der Internet-Bewertungen erwähnt wird, dass daneben ein Asylanten-Heim steht”, gibt ein anderer Hotelbetreiber zu bedenken. Bürgermeister Christoph Matscher bittet um Verständnis: “Wir kennen bei uns ja praktisch keine Ausländer”, sagt der Erste Tisner Bürger.

Etwas gelassener sieht die Sache Matschers Amtskollege Andreas Colli. Als Bürgermeister von Kastelruth gehört seine Gemeinde zu jenen, die vom Land für die Unterbringung von Flüchtlingen ausgemacht wurde. Für Colli steht der humanitäre Auftrag angesichts der unzähligen Menschen auf der Flucht im Vordergrund. Vereinzelt seien Stimmen in Kastelruth laut geworden, berichten die Medien. Wieder sind es Hoteliers und Gastwirte, die sich um das Image des bekannten Tourismusortes sorgen. “Es gibt teilweise Vorurteile und Ängste”, bestätigt Colli in der Tageszeitung Dolomiten, “doch diese sind unbegründet.” Er rechnet vor: “Bei unseren 1,3 Millionen Nächtigungen im Jahr werden 15 Flüchtlinge keine große Rolle spielen.” So viele könnten laut Auskunft des Bürgermeisters nämlich in Kastelruth untergebracht werden. Das ausgewählte Gebäude, ein Wohnheim der Tertiarschwestern, steht seit Jahren bereits leer. Nach einigen Umbauarbeiten wäre das Haus im Dorfzentrum beziehbar. Doch bevor Flüchtlinge aufgenommen werden, besteht Bürgermeister Colli darauf, in einem Treffen die Bevölkerung genau und umfangreich zu informieren. Um eventuelle Skepsis, Vorurteile und Ängste auszuräumen.