Das kleine ( 11 Millionen Einwohner ) und wirtschaftlich unbedeutende EU-Land Griechenland hat die zuständigen EU-Behörden an den Rand ihrer Belastbarkeit gebracht. Statt den verhassten griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras durch eine Blockadepolitik bei den Euro-Krisenverhandlungen zu schwächen, stärkten ihn die Eurogruppen-Chefs durch ihre Unnachgiebigkeit.
Beim Referendum über das Eurogruppen-Memorandum siegte das Nein-Lager von Alexis Tsipras haushoch. Deshalb wollte der deutsche Finanzminister Schäuble eigentlich nicht mehr weiterverhandeln. Dann wieder sagte er, man werde weitermachen, aber wie bisher, mit einem klaren Nein zu den griechischen Verhandlungsangeboten.
Das bedeutet: keinen Schuldenschnitt, den der IWF in einer Studie gefordert hatte und kein Entgegenkommen trotz des Rücktritts des ebenfalls gehassten griechischen Finanzministers Yannis Varoufakis. Dieser galt bisher als Hemmschuh bei den Verhandlungen. Seltsam, dass die Eurogruppe trotzdem weiterhin hart bleiben will. War Varoufakis also nur ein Vorwand?
Die geschockte deutsche Bundeskanzlerin berief nicht etwa eine Krisensitzung der Eurogruppe ein - nein, sie eilte in die Arme des französischen Staatschefs Holland, um sich auszuweinen. Und die anderen Eurogruppen-Chefs ließen sich diese bilateralen Sonderverhandlungen einmal mehr gefallen: als Vasallen, die sich dem - wenngleich - hilflosen Deutschland unterordnen.
Im Gegensatz zu den Europäern denken die Amerikaner geostrategisch. Im Fall Griechenlands hatten sie deshalb immer wieder eine pragmatische Lösung angeregt. Bisher vergeblich telefonierte US-Präsident Obama mit allen EU- Chefs, um Griechenland in der Eurozone zu behalten.
Zwar könnte es den USA ziemlich egal sein, welche Bedrohungen sich rund um Europa zusammenbrauen: dass sich die ISIS-Terrortruppen den EU-Staaten nähern oder dass Russland versucht, seine Einfluss-Sphäre in Europa auszudehnen. Was die USA allerdings nicht zulassen wollen, ist der Verlust der geostrategisch unabdingbaren südlichsten NATO-Flanke, nämlich Griechenland.
Nordafrika brennt und wird von ISIS-Truppen überrannt. Der NATO-Partner Türkei erweist sich wegen seiner politisch-religiösen Nähe zum Islamischen Staat als unzuverlässig. Im griechischen Anrainerstaat Mazedonien werden täglich neue schwarze IS-Fahnen gehisst. Und Albanien liefert täglich Dutzende Jihadisten, die Richtung Syrien abwandern.
Derweil umwirbt Kremlchef Putin den südlichen Teil Zyperns, der mit wichtigen NATO-Stützpunkten ausgestattet ist. Mit genüsslicher Schadenfreude gab Moskau bekannt, dass Putin mit seinem "Freund" Tsipras nach dessen Sieg beim Referendum telefoniert habe.
Zum Thema NATO ein Detail, das Griechenland betrifft: Die Eurogruppe forderte von Griechenland eine Kürzung der Rüstungsausgaben um 200 Millionen Euro. Griechenland war einverstanden. Wenig später meldete sich ein aufgelöster NATO-Chef Stoltenberg, der verlangte, dass Griechenland seine Rüstungsausgaben aufstocken müsse - wegen seiner geostrategischen Bedeutung.
Soviel zur Koordinierung zwischen Eurogruppe und NATO, die beide in Brüssel beheimatet sind.
Bei soviel Inkompetenz und Schwäche der derzeitigen EU-Führungsriege muss erwogen werden, die Krisenverhandlungen auf eine neue Ebene zu verlagern. Eine Beteiligung der USA, der UNO und eventuell sogar Russlands könnte hilfreich sein, um der überforderten Eurogruppe weiterzuhelfen.
Waren es nicht die die USA, die 1953 eine Schuldenkonferenz in London einberiefen, um dem besiegten Deutschland die Hälfte der Reparationszahlungen zu erlassen? Damals war auch Griechenland unter den Gläubigerstaaten, die auf die Hälfte der deutschen Kriegsschulden verzichteten. Und waren es nicht die USA, die dem zerstörten Nachkriegs-Europa durch den Marshall-Plan wieder auf die Beine halfen?
Ich kann den zurückgetretenen griechischen Finanzminister Varoufakis schon verstehen, wenn er sagt, er wolle in die USA zurückkehren und dort wieder als Universitätsprofessor arbeiten. Varoufakis ist ein Linker, trotzdem lehrte er bereits in der Vergangenheit mit Erfolg an einer amerikanischen Universität.