Politik | Autonomie

KO-Schlag im Nationalrat

Watsche für Südtirols Selbstbestimmungsverfechter im österreichischen Nationalrat. Dort wurde der Autonomiekurs der SVP am Mittwoch explizit gestärkt.

Die Empörung von Heimatbund-Obmann Roland Lang ist groß. „Die SPÖ- ÖVP-Regierung in Wien verlässt den bisherigen österreichischen Rechtsstandpunkt“, lautet seine Zusammenfassung einer Abstimmung im österreichischen Nationalrat. Dort wurde am gestrigen Mittwoch ein Entschließungsantrag durchgebracht, der dem Südtiroler Selbstbestimmungslager einen herben Rückschlag versetzt. Das Recht der Südtiroler auf Selbstbestimmung ist bereits durch die laufend gehandhabte autonome Landesverwaltung verwirklicht, lautet die sinngemäße Interpretation eines von ÖVP, SPÖ und Neos eingebrachten Antrags, in dem Außenminister Sebastian Kurz aufgefordert wird, die Weiterentwicklung der Südtiroler Autonomie zu unterstützen.

"Der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres wird aufgefordert, die österreichische Außenpolitik zur Unterstützung und Weiterentwicklung der Autonomie Südtirols weiterhin im Sinne der im Pariser Vertrag von 1946 verankerten Schutzfunktion für Südtirol und der Grundprinzipien des Selbstbestimmungsrechts gemäß Art. 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte auszurichten.“

Ein klarer Punktesieg für die Südtiroler Volkspartei – im erbitterten Streit der Selbstbestimmungsbefürworter gegen deren Autonomiepolitik. Dabei hatten Sven Knoll, Roland Lang & Co. erst im vergangenen November über einen Entschließungsantrag des FPÖ-Südtirolsprechers Werner Neubauer jubiliert, mit dem man die österreichische Bundesregierung zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechts in ihrem Sinne verpflichten wollte. So wurde Sebastian Kurz unter anderem dazu aufgefordert, in allen künftigen Veröffentlichungen seines Ministeriums klar festzuhalten, dass das Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler bis heute nicht - auch nicht durch die bestehende Autonomie – verwirklicht ist.“ Mit dem am Mittwoch verabschiedeten Antrag wird dagegen genau das Gegenteil festgehalten. Das wird vor allem in der Begründung zur Entschließung klar.

„Selbstbestimmung kann auf verschiedene Weise verwirklicht werden. Für Österreich besteht kein Zweifel, dass die Südtirol-Autonomie völkerrechtlich auch auf dem Selbstbestimmungsrecht beruht, das als fortbestehendes Recht von Südtirol in Form weitgehender Autonomie ausgeübt wird. Die Südtirol-Autonomie mit hohem Maß an Selbstgesetzgebung und Selbstverwaltung ist eine besonders gelungene Form der Selbstbestimmung.“

Für den Freiheitlichen Nationalrat Werner Neubauer ein gefährliches Manöver, bei dem es in Wirklichkeit darum gehe, die „Diskussion, um die doppelte Staatsbürgerschaft vom Tisch zu wischen“. Auch für Roland Lang steht hinter dieser „weltweit einzigartigen Interpretation über das Wesen des Selbstbestimmungsrechts der Völker“ ein abgekartetes Spiel mit der Südtiroler SVP-Spitze. 

Dass diese der österreichischen Volkspartei in ihrer Interpretation von Selbstbestimmung weit näher steht als Südtiroler Freiheit, Heimatbund oder auch den Freiheitlichen machte bei der gestrigen Nationalratsdebatte auch der Tiroler ÖVP-Abgeordnete Hermann Gahr deutlich. Seine Version einer „modernen Politik, die Südtirol weiterhilft“? Österreich werde Südtirol bei der Weiterentwicklung der Europaregion unterstützen und  so versuchen, neben Autonomie und Selbstbestimmung neue Chancen zu nutzen, die sich in einem gemeinsamen Europa bieten. „Ich möchte hier auch Außenminister Sebastian Kurz hervorheben, der laufend und fast alltäglich in Kontakt ist mit Philipp Achammer und der Südtiroler Landesregierung“, so Gahr. 

Ist dies nun der definitive KO-Schlag aus dem "Vaterland" für Südtirols Selbstbestimmungskämpfer? Nicht mehr als eine zwischenzeitliche Verschnaufpause für die politisch uneinsichtigen Gegner – die „aber langfristig nur als Peinlichkeit und Lächerlichkeit in die Geschichte eingehen wird“, beschwichtigt Roland Lang. Für ihn ist absehbar, dass Rom die Südtirol-Autonomie im Zuge zentralistischer Maßnahmen angreifen wird. „Dann wird das Thema der Selbstbestimmung von selbst wieder auf die Tagesordnung kommen – auch wenn dies der vereinigten Abwehrtruppe von ÖVP, SVP und SPÖ nicht gefallen mag.“

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Harald Knoflach Do., 09.07.2015 - 13:27

Es ist Österreichs gutes Recht, sich für die Beibehaltung des Autonomiekurses auszusprechen. Dies aber jedoch als Ausübung des völkerrechtlichen Rechts auf Selbstbestimmung umzudeuten ist bizarr.
Gleichzeitig sollte man im 21. Jahrhundert endlich einmal darüber hinwegkommen, die Selbstbestimmung völkisch zu definieren. Dass die Bevölkerung eines Territoriums über ihre Zugehörigkeit frei und demokratisch bestimmen darf, sollte eine demokratische Normalität sein. Ohne dass man dafür ein nationalistisch inspiriertes Recht von zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts strapazieren muss.
Wenn ich als Familie meinen Mietvertrag kündigen, aus meiner Wohnung ausziehen und in ein neues Haus umziehen bzw. mir ein neues Haus bauen möchte, ist das ausschließlich die Entscheidung meiner Familie. Das geht weder den Nachbarn, noch den Vermieter etwas an.

Do., 09.07.2015 - 13:27 Permalink
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gorgias Do., 09.07.2015 - 17:54

Dass es so ausgehen würde, wäre leicht ersichtlich, wenn man die politische Situation nicht ignorieren würde, um sich die Trennung von Italien in greifbarer Nähe zu Phantasien.

Eigentlich ist es ein Schaden den man verursacht hat durch den Versuch die doppelte Staatsbürgerschaft zu forcieren, weil durch diese Erklärung unsere Verhandlungsposition in Autonomiefragen gegenüber einem Staat mit einem Selbstverständnis als zentralistischer Nationalstaat, geschwächt würde.

Do., 09.07.2015 - 17:54 Permalink