Umwelt | Ein gleißend greller Gammablitz

GRB 130427A

Der 27. April 2013 ist ein Tag für die Geschichtsbücher. Vielleicht nicht für die Bücher der salto.bz Leser, aber ganz sicher für jene Astrophysiker, die über Gammablitze forschen. An besagtem Tag erreichten uns nämlich die energiereichsten Photonen des hellsten Gammablitzes seit 30 Jahren und die Welt der Wissenschaft steht Kopf.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Foto: Quimedia.it

Als Astrophysiker beschäftige ich mich hauptberuflich mit den energiereichsten Explosionen, die das Universum zu bieten hat, den so genannten Gammablitzen. Was sind diese Dinger eigentlich und warum ist einer von denen, GRB 130427A so besonders toll?

Was sind Gammablitze?

Wie der Name schon vermuten lässt, handelt es sich bei Gammablitzen, auch Gamma-Ray Bursts (GRB), um einen kurzzeitigen Ausbruch von Gammastrahlung*, der wenige Hundertstel-Sekunden bis mehreren Minuten und sogar Stunden andauern kann.

*) Gammastrahlung ist, wie beispielsweise sichtbares Licht, Mikrowellen- oder UV Strahlung, Teil des elektromagnetischen Spektrums mit sehr sehr kleinen Wellenlängen und im Umkehrschluss sehr sehr hohen Energien. Während ein Photon im optischen Bereich eine Energie von etwa 2 Elektronenvolt (eV) besitzt, so hat ein Gammaphoton eine Energie von mindestens 10 keV, ist also 10.000 mal so hoch.

Entdeckt wurden diese GRBs am Ende der 60er Jahre, als die amerikanischen Vela Spionage-Satelliten ins All geschossen wurden. Sinn und Zweck dieser amerikanischen Satelliten war es zu überprüfen, ob die UdSSR das Atomwaffensperrverbot einhält, weshalb diese Satelliten Gammadetektoren an Bord hatten. Man hat dann auch tatsächlich Gammastrahlung entdeckt. Diese extrem helle Gammastrahlung kam dann aber (zum Glück für uns) nicht von Atomwaffentests der Russen, sondern hatte in den Weiten des Alls ihren Ursprung. Niemand wusste, was solche Blitze verursacht. Aufgrund der unglaublichen Helligkeit dieser Events, glaubten viele Forscher an Ereignisse, die sehr nahe an der Erde stattfinden müssten (z.B. Kometenkollissionen), denn eine große Entfernung würde eine schier unglaubliche Energie voraussetzen, deren Ursprung niemand oder nur mit sehr exotischer Physik erklären könnte.

Es dauerte bis in die späten 90er Jahre bis man herausgefunden hat, dass diese GRBs, allen Vermutungen zum Trotz, tatsächlich in kosmologischen Entfernungen, also weit außerhalb unserer eigenen Galaxie, entstehen. Dies bedeutete im Umkehrschluss ein unglaubliches Ausmaß an freigestezter Energie. In wenigen Sekunden setzt ein GRB mehr Energie frei, als unsere Sonne in ihrem gesamtem Leben (welches immerhin 10 Milliarden Jahre beträgt). Wir sprechen von nicht weniger als 1000000000000000000000000000000000000000000000 Watt.

Heute glaubt man, dass der Tod von sehr massereichen Sternen (sehr viel "schwerer" als unsere eigene Sonne) solche Gammablitze verursachen kann. Man spricht auch von Hypernovae. Sehen wir Wissenschaftler also heute in unseren Detektoren einen GRB, so können wir ziemlich sicher davon ausgehen, dass gerade irgendwo ein Stern gestorben ist (nur um Missverständnissen vorzubeugen: Der Stern ist klarerweise schon sehr viel früher gestorben und explodiert, die Photonen erreichen uns auf Grund der großen Entfernungen und der endlichen Lichtgeschwindigkeit erst jetzt).

GRB 130427A

Ich arbeite hauptsächlich mit den Daten des Weltraumteleskops Fermiinsbesondere mit den Daten des Sekundärinstruments, dem "Gamma-Ray Burst Monitor (GBM)". GBM entdeckt die "niederenergetische" Gammastrahlung, während des Hauptinstrument, das "Large Area Telescope (LAT)" die hochenergetische Strahlung entdeckt. Seit der Beginn der Mission hat GBM im Juli 2008, haben wir mehr als 1000 Gammablitze entdeckt. (Ich arbeite gerade an der Erstellung eines Gesamtkatalogs, welcher all diese Gammablitze genauestens analysiert und auswertet.) 

Gammablitze sind wie Fingerabdrücke: Jeder unterscheidet sich von all den anderen, es gibt sozusagen keine einiigen Gammablitze. Wir sagen dazu manchmal auch: "If you've seen one GRB... you have seen one GRB". Wir geben den Bursts deswegen auch einen Namen, der sich (leider nicht sehr originell, dafür aber sehr effektiv) aus dem Beobachtungsdatum (also GRB JJMMTT) und einem Buchstaben zusammensetzt, der zeigt ob es sich um den Ersten, Zweiten, ... beobachteten GRB an jenem Tag handelt.

Am 27. April 2013 (übrigens ein Samstag, Mutter Natur kennt leider keine Feiertage *seufz*) trauten wir unseren Augen kaum. GBM hat den hellsten GRB seit mehr als 30 Jahren entdeckt. Im folgenden Bild seht ihr den Gamma-Himmel oberhalb von 100 MeV. Viele astrophysikalische Quellen produzieren Gammastrahlung (das sind die blauen, nebeligen Flecken im Bild), und ihr seht, dass GRB130427A für einige Zeit heller war, als der gesamte restliche Gamma-Himmel. Zusätzlich wurde das bis dato energiereichste Photon (ja wir entdecken einzelne Photonen) von einem Gammablitz mit einer Energie von 94 Milliarden Elektronenvolt (GeV) gemessen. Absoluter Rekord! Zusätzlich dauerte die beobachtete Gammastrahlung über einen ganzen Tag lang an; auch dies ist absoluter Spitzenwert, wenn man bedenkt, dass die meisten Gammablitze um die 10 Sekunden andauern. Der verdiente Spitzname für diesen Gammablitz lautet übrigens BotM, Burst of the Mission. (In anderen Worten, niemand glaubt, dass wir in den nächsten Jahren einen ähnlich hellen Gammablitz mit Fermi beobachten werden).

Der Gammablitz wurde anschließend auch von bodengebundenen Observatorien (also "normalen" Teleskopen) im Optischen, Infraroten und in Radiowellenlängen beobachtet. Diese konnten feststellen, dass dieser Gammablitz relativ nahe an der Erde explodiert ist. Mit "relativ nahe" sind hier natürlich astronomische Entfernungen gemeint, denn die Distanz zu uns beträgt immerhin noch stolze 3.6 Milliarden Lichtjahre (zum Vergleich: der weitest entfernte Gammablitz war GRB 090423A, der in 12.8 Milliarden Lichtjahren Entfernung explodiert ist, und damit nur kurz nach dem Urknall entstanden ist). Auf Grund seiner Nähe zu uns, der enormen Datenmenge und seiner extrem langen Dauer ist es das ideale Studienobjekt für uns Gamma-Astrophysiker und wir werden noch lange an dieser Explosion zu knabbern und zu forschen haben.

Woran ich im Moment zu knabbern habe ist die schier unglaubliche Flut an E-Mails (490 an der Zahl) von meinen Kollegen, die jetzt natürlich im Goldrausch Gammablitz-Rausch sind und sich wie kleine Kinder über ihr neues Spielzeug freuen (das meine ich natürlich im positiven Sinne und ich schließe mich selbst in diese Aussage mit ein :) ). 

Ich hoffe, ich konnte euch einen kleinen Einblick in die wunderbare Welt der Gammablitze und meinen Arbeitsalltag geben. Es gäbe natürlich noch viel mehr zu sagen und zu erklären, aber dies würde den Rahmen des Salto.Bz Netzwerks sprengen. Falls ihr noch mehr wissen wollt, könnt ihr gerne in den Kommentaren eure Fragen hinterlassen.

Quellen

1. http://www.nasa.gov/topics/universe/features/shocking-burst.html

2. http://arstechnica.com/science/2013/05/telescope-detects-the-most-energetic-gamma-ray-burst-yet/

 

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Frank Blumtritt Mo., 06.05.2013 - 22:42

das war mal super interessant, für mich faszinierend, wie alles aus dem Kosmos, und vor Allem gut erklärt!
Haben diese Strahlungen irgendwie Einfluss auf uns? Ich frage, weil "Unwetter auf der Sonne" ja angeblich öfter unsere Technik stören und wenn die Gammablitze so viel mehr Energie haben, dann käme mir als Laie zumindest seltsam vor, wenn sie keine Auswirkungen haben sollten...

Mo., 06.05.2013 - 22:42 Permalink
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David Gruber Di., 07.05.2013 - 10:10

Antwort auf von Frank Blumtritt

Hallo Frank, danke für das positive Feedback!
Und eine sehr gute Frage, die du da stellst. Wären diese Gammablitze sehr viel näher bei uns, so könnten sie tatsächlich eine ziemlich desaströse Auswirkung auf unsere Atmosphäre haben. Tatsächlich glaubt man, dass so genannte "Soft Gamma-Repeater" (also "Weiche Gamma-Wiederholer", das sind magnetische Neutronensterne, deren Emission denen der Gammablitze ähnelt) für einige Massensterben auf der Erde in der Vergangenheit verantwortlich sind. Im Gegenzug zu den Gammablitzen befinden sich diese aber in unserer eigenen Galaxie und nicht in weit entfernten Galaxien (bzw. da können wir die SGR nicht detektieren, weil sie zu schwach sind).

Tatsächlich hatte der Ausbruch eines SGRs am 27. Dezember 2004 einen messbaren Einfluss auf unsere Ionosphäre, die für kurze Zeit (auf Grund des enormen Flusses an Gamma-Photonen) expandierte und größer wurde. Unser Glück war, dass sich dieser Neutronenstern in 50.000 Lichtjahre Entfernung befindet. Wäre er in rund 10 Lichtjahren Entfernung explodiert, hätten wir heute keine Ozonschicht mehr. Den Rest kannst du dir ja denken... :)

Wie oben bereits gesagt: Gammablitze befinden sich in so großen Entfernungen, dass sie für uns keine große Gefahr darstellen. Würde ein Gammablitz in unserer eigenen Galaxie hochgehen, dann wäre dies schon bedenklicher. Aber Gammablitze sind Ereignisse der Vergangenheit (d.h. sie kommen in Galaxien vor, die kurze Zeit nach dem Urknall entstanden sind) und man glaubt nicht, dass ein Gammablitz in unserer Milchstraße sehr wahrscheinlich ist.

Di., 07.05.2013 - 10:10 Permalink
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Benno Kusstatscher Mo., 06.05.2013 - 23:58

Fesselnd Dein Bericht. Du hast einen faszinierenden Beruf, David! Fragen wirft das natürlich jede Menge auf.
Ich verstehe, dass 3.6 Milliarden Jahre eine lange Zeit ist (klar, begreifen kann ich das nicht), aber was ist um Himmels Willen 3.6 Milliarden Lichtjahre entfernt von uns ? Unsere Milchstrasse hat angeblich ja gerade eben einen bescheidenen Durchmesser von 120.000 Lichtjahren. Also 30.000 mal weiter entfernt! Oder 1.5 weiter entfernt als Andromeda. Gibt es da wirklich noch Galaxien? Welche Dosis an Gammastrahlung würde die Erde überstehen und wie nah muss eine Supernova sein, um uns gefährlich zu werden? Das sind natürlich nur rein rethorische Fragen. Aber diesen Konflikt zwischen dem Verstehen und dem Begreifen kennst Du wohl nur zu gut :-)

Mo., 06.05.2013 - 23:58 Permalink
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David Gruber Di., 07.05.2013 - 10:21

Antwort auf von Benno Kusstatscher

Hallo Benno. Auch gute Frage und ich kann deinen Konflikt zwischen Verstehen und Begreifen sehr gut verstehen. Auch wir Astrophysiker können uns die enormen Skalen oft gar nicht wirklich vorstellen, aber deshalb arbeiten wir mit eigenen Einheiten, z.B. dem Parsec [Pc] (Entfernungen von Sternen) und dem Kiloparsec [kpc] (Größen von galaxien) und Megaparsec [Mpc] (Entfernungen von Galaxien). Dies hilft die ganzen Dinge, die es da gibt in Relation zueinander zu betrachten. Würde man dies alles in Kilometern ausdrücken, so würden wir auf Grund der großen Zahlenwerte, die Unterschiede gar nicht mehr verstehen. Anders formuliert: Eine Entfernung von 10 Millionen Kilometern ist für unser Hirn gleich unvorstellbar wie 10 Milliarden Kilometer.
Das Universum ist unwahrscheinlich groß! Und es ist VOLL von Galaxien. Schau dir das folgende Youtube Video an. Das wurde mit realen Daten des Sloan Digital Sky Survey gemacht. Jeder einzelne Nebelfleck, den du da siehst ist eine Galaxie (die jeweils ca. (!) 10 Milliarden Sterne enthält). http://www.youtube.com/watch?v=08LBltePDZw

Die zweite Frage von dir, habe ich oben bei Frank schon versucht zu beantworten. Vielleicht schreibe ich einen zweiten Bericht über Massensterben auf Grund von Gammablitzen :)

Di., 07.05.2013 - 10:21 Permalink
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Profil für Benutzer Michael Bockhorni
Michael Bockhorni Di., 07.05.2013 - 08:36

ich kann mich da nur anschließen. Ein sehr interessanter und gut verständlicher Bericht, der einem mit offenen Mund zurückläßt. Danke

Di., 07.05.2013 - 08:36 Permalink
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Profil für Benutzer Erwin Demichiel
Erwin Demichiel Di., 04.06.2013 - 00:36

Wunderbar! Endlich eine Mitteilung, die mehr eröffnet, als die Sicht bis zum nächsten tausendsten intellektuellen Maulwurfshügel, der normalerweise produziert wird. Um Missverständnisse zu vermeiden: ich schliess mich vollständig in diesen Maulwurfsatz mit ein und frag mich bloß, warum wir so selten anders können. Klammer zu.

Wenn ich mir Zeit lasse, um zuzuhören, klingt mir eine Ahnung vom großen Geheimnis herüber, das hinter deinem Bericht liegt. Und ich denk mir, eure naturwissenschaftliche Begeisterung entspringt im Grunde daraus - aus dieser Ahnung. Wenn du dich jetzt als korrekter Naturwissenschaftler entrüstet distanzierst, dann nehm ich es dir kein bisschen übel. Bin froh über deinen Bericht und auch froh um das viele Geld, das hier ausgegeben wird und nicht vordergründig einem zumindest mittelfristig profitablen Ziel dienen muss. Da schauen wir heute als erste Menschen in die Morgendämmerung der Zeit, in den Beginn dieses großen schöpferischen Prozesses, der immer noch unverändert andauert und von dem wir Teil sind – bewusster oder unbewusster Teil, das liegt an uns. Da könnte vielleicht auch eine neue kollektive Erzählung beginnen, für uns Menschen des 21. Jahrhundert im globalen Dorf, über das woher wir kommen und wohin wir gehen und sie wäre eine über alle Grenzen hinweg.

Di., 04.06.2013 - 00:36 Permalink
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Profil für Benutzer no name
no name Di., 04.06.2013 - 06:59

Hab bisher immer auf etwas eso-angehauchten Seiten die Verbindung zu Nasa-Videos gesucht, weil mich das so fasziniert, wie Erwin es so treffend geschildert hat. Ganz toll, endlich hier jemanden zu finden, der uns darüber erzählt und ich verneige mich innerlich immer vor soviel Intelligenz (wenn damals Mathematik Thema gewesen wäre, hätt ich nichtmal die Matura geschafft...)

Di., 04.06.2013 - 06:59 Permalink