Gesellschaft | Flüchtlinge

"Das ist Rassismus"

Die Berichte und Diskussionen über Flüchtlinge reißen nicht ab. Ein Eintrag im Blog von Beppe Grillo sorgt auch auch hierzulande für Gesprächs- und Zündstoff.

Nachrichten über Menschen, die versuchen, über das Mittelmeer nach Europa zu flüchten, sind aus der täglichen Berichterstattung seit Monaten nicht mehr wegzudenken. An Bilder von komplett überladenen Booten, völlig erschöpften Männern, Frauen und Kindern oder im Wasser treibenden Körpern haben sich die meisten wohl inzwischen schon gewöhnt. Erst am Wochenende wurden erneut an die tausend Flüchtlinge im Mittelmeer gerettet. Allein am Sonntag waren es nach Angaben der italienischen Küstenwache 670 Menschen, die vom Wasser an Land gebracht wurden. Wie viele es nicht geschafft haben und bei der Überfahrt gestorben sind, ist nicht bekannt.

Laut Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) haben im ersten Halbjahr 2015 137.000 Menschen das Mittelmeer überquert und in Europa Zuflucht gesucht. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es noch 75.000 Menschen gewesen.

Nicht nur den Nachrichtenagenturen und nationalen sowie internationalen Medien liefern die nicht abreißenden Tragödien im Mittelmeer Gesprächsstoff. Auch in sozialen Medien wird heftig und häufig polemisierend diskutiert. Am Samstag, 8. August, taucht ein Eintrag im Blog von Movimento-5-Stelle-Leader Beppe Grillo auf. Vittorio Bertola, Gemeinderat der Fünfsterne-Bewegung in Turin, listet dort vier Vorschläge auf, wie der italienische Staat in Zukunft in Immigrationsfragen besser durchgreifen könnte beziehungsweise sollte. Schon seit Längerem kritisieren die Grillini die mafiösen Machenschaften einiger Organisationen, die sich eigentlich um die ankommenden Flüchtlinge kümmern sollten, sich aber an den staatlichen Beiträgen ungeniert bereichern. Daher die Forderung von Bertola: Die Anzahl der aus humanitären Gründen vergebenen Aufenthaltsgenehmigungen radikal verringern.

Da noi quasi un asilo politico su due viene dato a persone che non ne avrebbero diritto secondo i trattati internazionali sui rifugiati, ma che noi accogliamo comunque per "gravi motivi umanitari". Negli altri Paesi europei questo tipo di permessi non esiste o viene usato in misura molto minore, da noi invece con questa motivazione si fanno entrare persone che non dovrebbero, perché? Proprio per alimentare l'industria dell'accoglienza. (Bertola)

Ein weiterer Vorschlag des M5S-Gemeinderats: Jene Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wird, sollen zwangsweise in ihr Heimatland abgeschoben werden.

(…) se uno deve essere espulso deve essere accompagnato alla frontiera e/o caricato su un aereo per il suo Paese di origine, a forza se necessario. (Bertola)

Darüber hinaus sollen die Prozeduren für Rekurse gegen abgelehnte Asylanträge überarbeitet und die Überwachung der Flüchtlinge in den Aufnahmezentren verstärkt werden. Soweit die Forderungen von Vittorio Bertola, die am Wochenende für Polemiken innerhalb der italienischen Mitte-Links-Parteien sorgten. “Jetzt fehlt nur noch, dass sich Grillo in die Lega einschreibt”, so eine erste Reaktion von Matteo Orfini (PD) auf Twitter. Auch Scelta Civica kritisiert den Blogeintrag heftig: “Die Position des M5S ist schlimmer als jene von Salvini.” Ähnliche Töne kommen aus den Reihen von Sel: “Die Forderungen der Grillini sind nicht nur falsch, sie funktionieren auch gar nicht.”

Auch in Südtirol schlägt der Blogeintrag “Quattro proposte sull’immigrazione, di Vittorio Bertola” politische Wellen. Die Bozner M5S-Gemeinderätin Maria Teresa Fortini veröffentlicht ihn noch am Tag des Erscheinens, am 8. August, auf ihrer Facebook-Seite. Gemeinsam mit einer provokanten Frage, die sich ihr Trentiner Parteikollege Riccardo Fraccaro stellt: “Warum soll es richtig sein, 35 Euro am Tag für einen Asylbewerber auszugeben und gleichzeitig den italienischen Staatsbürgern ein Grundeinkommen zu verwehren?” “Il reddito di cittadinanza va bene per gli stranieri e non va bene per gli italiani. Questo sì che è razzismo!”, so zitiert Fortini Fraccaro Und fordert auf ihrem Facebook-Profil auf: “Discutiamone.”

Ihr Wunsch sollte in Erfüllung gehen. Denn unter dem Facebook-Eintrag beginnt über das Wochenende hinweg eine lebhafte Diskussion. An der sich unter anderem auch der Bozner Stadtrat Luigi Gallo und die Grüne Co-Landesvorsitzende Brigitte Foppa beteiligen. Gallo will klargestellt wissen: “Dem Asylbewerber selbst bleiben 2,50 Euro. Mit dem restlichen Geld wird eine minimale Grundversorgung wie Unterkunft und Verpflegung garantiert.” Foppa hingegen zeigt sich “verstört und enttäuscht” von Fortini: “Der Diskurs über das Grundeinkommen ist wichtig und richtig. Aber nicht auf diese Art und Weise – jene, die hier leben und jene, die flüchten, gegeneinander auszuspielen.” Auch weitere Kommentatoren können dem Vorschlag Bertolas und Fortinis gewollter Provokation wenig abgewinnen. Andere hingegen zeigen Verständnis für die Bozner M5S-Rätin. Ihr Fazit: