Gesellschaft | Bus und Bahn

Keinen Spaß mit dem Südtirol Pass

Ab 1. September gelten neue Tarife für den öffentlichen Personenverkehr. Grüne und Bürgerunion kritisieren empfindliche Teuerung für Pendler.

In einer E-Mail informierte die SAD dieser Tage ihre Kunden über die anstehenden Neuerungen im Tarifsystem des öffentlichen Personenverkehrs. Ab 1. September gelten neue Tarifstufen für den Südtirol Pass. Die maximalen jährlichen Kosten bleiben zwar gleich hoch – sie belaufen sich auf höchstens 640 Euro im Jahr. Doch wird das Bus- und Bahnfahren in Zukunft für jene Personen empfindlich teurer, die nur selten die öffentlichen Verkehrsmittel benützen oder nur kurze Strecken zurücklegen. So müssen für die ersten 1.000 gefahrenen Kilometer 12 Cent pro Kilometer anstatt der bisherigen 8 Cent bezahlt werden. Von Kilometer 1.001 bis 2.000 Kilometer berappt man statt 4 Cent künftig das Doppelte, also 8 Cent. Erst ab Kilometer 2.001 werden die Preise günstiger. Bis zu 10.000 gefahrenen Kilometer zahlt man 3 Cent pro Kilometer (bislang waren es 4 Cent), bis 20.000 Kilometer dann nur mehr 2 Cent. Wer mehr als 20.000 Kilometer in einem Jahr zurücklegt, fährt gratis.

Eine solche Mail erhielten die Südtirol-Pass-Besitzer dieser Tage.

Zwei Drittel der Benutzer sind von Preiserhöhungen betroffen

“Aufs Jahr gerechnet ist unser Tarifsystem im mitteleuropäischen Vergleich mit Abstand das günstigste”, unterstrich Mobilitätslandesrat Florian Mussner bei Bekanntgabe der preislichen Neuerungen. Die Anpassungen seien nötig geworden, da gemäß staatlichen und EU-Vorgaben mindestens 35 Prozent der Betriebskosten im öffentlichen Nahverkehr über Tarifeinnahmen gedeckt werden müssen. Derzeit betrage die Kostendeckung rund 24 Prozent, heißt es aus dem Landesmobilitätsamt. Daher sei eine schrittweise Anpassung der Tarife “unumgänglich”. Im Land rechnet man dadurch mit Mehreinnahmen von 3,7 Millionen Euro im Jahr. Landesrat Mussner zeigt sich zufrieden: “Wichtig ist bei dieser Tarifanpassung, dass vor allem Berufspendler und Vielfahrer nicht mehr als bisher zur Kasse gebeten werden.”

Weniger zufrieden sind die Südtiroler Grünen. Sie haben nachgerechnet und sehen die Sache etwas anders als der Mobilitätslandesrat. “Vor allem die PendlerInnen, die mittlere bis kürzere Strecken zurücklegen, und die die überwiegende Mehrheit der pendelnden Werktätigen darstellen, werden mehr zahlen müssen.” Tatsächlich waren es im Jahr 2013 nur 679 Südtirol-Pass-Besitzer (0,5 Prozent), die mehr als 20.000 Kilometer zurücklegten. Auch jene Fahrgäste, die zwischen 10.000 und 20.000 Kilometer fuhren, waren nur etwas mehr als 4.000 (3,5 Prozent). Der Großteil der Südtirol-Pass-Besitzer, nämlich über zwei Drittel, legte nicht mehr als 2.000 Kilometer zurück. Und darin sehen die Grünen den Haken. Denn wie eingangs beschrieben, steigen die Kilometerpreise mit dem neuen Tarifsystem bis zu dieser Kilometeranzahl um bis zu 100 Prozent an. Doch auch dann wird das Bus- und Bahnfahren nicht sofort automatisch billiger.


Opposition: PendlerInnen dürfen nicht benachteiligt werden

Bei bis zu 5.000 gefahrenen Kilometern steigen laut den Kalkulationen der Grünen die jährlichen Ausgaben auch um 20 bis 66 Prozent. Das Risiko ist für sie klar: “PendlerInnen – die ja nicht zum Spaß sondern für die Arbeit durchs Land reisen – könnten sich angesichts der Fahrtpreiserhöhungen wieder für die Rückkehr zum Privatauto entscheiden.” Die drei Grünen Landtagsabgeordneten haben bereits einen ersten Schritt gesetzt: “Um diejenigen zu unterstützen, die sich der Arbeit wegen fortbewegen müssen, hat die Grünen Fraktion im Landtag einen Beschlussantrag vorgelegt, der vorsieht, einen speziellen ermäßigten Tarif für PendlerInnen auf der Strecke vom Haus bis zur Arbeit einzuführen”, schreiben Riccardo Dello Sbarba, Brigitte Foppa und Hans Heiss am Freitag Nachmittag.

Die Kalkulationen der Grünen zeigen: Für die Mehrzahl der Südtirol-Pass-Besitzer wird das Fahren mit den öffentlichen Verkehrsmitteln teurer. Quelle: Beschlussantrag Grüne

Mit ihrem Protest stehen sie nicht alleine da. Als “ausgesprochen überhebliche Haltung gegenüber dem Landtag” bezeichnen die beiden Bürgerunion-Vertreter Andreas Pöder und Stefan Taber die anstehenden Tarifänderungen. Sie erinnern an einen Beschlussantrag, den die Bürgerunion vergangenen Oktober im Landtag einreichte. Darin hieß es: “Der Südtiroler Landtag verpflichtet die Landesregierung 1. sich grundsätzlich auch für die Beibehaltung des bisherigen Familien-Vergünstigungssystems beim Südtirol-Pass auszusprechen; 2. für Pendler ein Mehrjahresabo bzw. eine Mehrjahresberechnung der gefahrenen Kilometer für eine günstigere Tarifabrechnung über einen längeren Zeitraum als bislang einzuführen.” Beide Punkte wurden mit 18 Ja, 13 Nein und einer Stimmenthaltung genehmigt. “Bis heute hat sich die Landesregierung jedoch geweigert, den Landtagsbeschluss umzusetzen”, kritisiert die Bürgerunion. Trotz eines ermahnenden Briefs von Landtagspräsident Thomas Widmann an die Landesregierung. “Die Bürgerunion wird nun nochmals im Landtag die Umsetzung des Beschlusses für pendlerfreundlichere und familiengerechtere Tarife einfordern”, so die Ankündigung.


Genauere Informationen über alle anstehenden Neuerungen finden Sie auf der Internetseite des Südtirol-Passes.

Helft mir mal das zu verstehen: Die Grünen selbst behaupten, "über zwei Drittel, legte nicht mehr als 2.000 Kilometer zurück".
Die neuen Tarife liegen bei 7 (Family 2000km) bis 12 (Normal 1000km) Cent je Kilometer. Nehmen wir der Einfachheit halber also mal einen Durchschnitt von 10 Cent für diese "PendlerInnen, die mittlere bis kürzere Strecken zurücklegen" und deshalb gar nicht auf mehr als 2000 km kommen. Somit auch auf nicht mehr als 200 Euro pro Jahr.
Wo besteht hier also die Gefahr, dass so jemand auf das Auto zurück wechselt? Weil der effektiv dafür gebrauchte Kraftstoff dafür ca. 210 bis 250 Euro kostet? Was ist mit Steuer, Versicherung, Anschaffungs und Wartungskosten, sowie den eventuellen Parkplatzgebühren?
Viel eher stell ich mir die Frage warum Selbstständige und Angestellte, die weder mit Pendeln müssen noch öffentlich können laut den Grünen zwingend den Arbeitsweg der Pendler in Form von sehr hohen Abgaben zu 60 bis derzeit 75% mitfinanzieren müssen. Hier wird auf Kosten anderer gelebt und politisiert, wovon in den Beschwerden der Grünen aber leider nichts zu lesen ist.

Fr., 28.08.2015 - 16:42 Permalink

Kurze Rechnung: Ich fahre mit meiner Frau und meinen zwei Kindern in die Stadt. Ich fahre 6 Kilometer, muss aber 10 bezahlen. nach neuer Rechnung zahle ich vier Euro Hin und Zurück. Dabei ist aber nicht sicher, ob es einen Sitzplatz gibt, ob ich überhaupt mitgenommen werde, oder ob die Plätze für Kinderwagen schon besetzt sind. Ich muss mich mit vollen Bussen rumschlangen, besonders in der Schulzeit, Mitfahrern die nach Alkohol, Schweiß, Urin o.ä. riechen, unpünktlichen Bussen, manchmal fallen Sie dann auch einfach mal ganz aus, und wenn es mal später wird, fährt dann nur noch die Nachtlinie, die eine riesen Runde macht, um mich zum Ziel zu bringen. Die Busfahrer fahren wie Rennfahrer, ohne Rücksicht auf Ihre Fahrgäste, auch zehn Meter vor der Haltestelle noch mal Vollgas, um dann scharf zu bremsen. Trotzdem immer zu spät.
Im eigenen Auto habe ich Platz, bin flexible, muss mir keine Gedanken machen, ob ich mit meiner lauten Musik jemanden störe,... hätte ich ein eigenes Auto, stände meine Wahl fest, welches Verkehrmittel ich benutze.

Sa., 29.08.2015 - 09:32 Permalink

Sehr gut beschrieben: für die Stadtbusse und die Linien nach Leifers und Branzoll stimmt das meiner Erfahrung nach ganz genau. Nun viele Dinge wahrscheinlich sind unvorhersehbar und unbeeinflussbar. Aber das Schlimmste ist die Kundenunfreundlichkeit und die fehlende Professionalität der Fahrer. Das betrifft einerseits das Fahrverhalten, aber noch viele andere kleine Dinge. Etwas sehr Schlimmes ist meiner Erfahrung, der Umgang mit Heizung und Klimaanlage: da gibt es anscheinend nur aus oder ein (sind die Heizung/Klima in den Bussen nicht regulierbar?), zu heiß und zu kalt oder beides. Einmal mussten wir in der I-Zone umsteigen, der Grund wurde nicht mitgeteilt, wir stiegen aus einem unterkühlten Wagen in einen überhitzten. Warum? Im neuen Bus war anstatt der Klima die Heizung an. Leute reißen dann in solchen Situationen meistens die Fenster auf, dann gibt es Zugluft dazu. Aber keinen Busfahrer scheint es zu kümmern, ob Heizung und Klima gut funktionieren und Fenster entsprechend geschlossen sind.

Sa., 29.08.2015 - 10:47 Permalink
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gorgias

Ja die theoretisch höchste Preissteigerung erfahren jene die genau 2000 km fahren und das wäre in absoluten Zahlen 80 Euro Differenz. Die meisten Pendler sind aber Langstreckenpendler und die erreichen ohne Probleme 10000 km. Wer also sich für die Pendler einsetzen möchte müsste genau für diese Strukturreform sein.

Die Einfachheit dieses System ist gerade transparent und nachvollziehbar. Kompliziert wird es wenn man einen begünstigten Streckentarif erhalten soll so habe ich mehrere Wege die zu unterschiedlichen Zeiten ideal sind, werde ich dann den begünstigten Tarif jederzeit erhalten und wie stellt man fest wo meine Arbeitsstelle ist? Wenn ich von Bozen Brixen pendeln muss dann sage ich Ich habe die Arbeitsstelle in Innichen oder Meran (wie weit geht da nochmals die Vinschger Bahn?) und nutze diese dann für meine Sonntagsfahrten.

Ich sage was ein Wert hat muss auch etwas kosten und die Preise in Südtirol sind zudem auch mehr als fair.

Fr., 28.08.2015 - 18:02 Permalink

Ach Pöder meldet sich mal wieder zu Wort?
Wieso führen wir nicht eine Pödersteuer ein? Jeder der ihn hören will soll dafür bezahlen, dann haben die restlichen Leute ihre Ruhe.

Fr., 28.08.2015 - 18:51 Permalink

Im ersten Moment mögen die Einwände der Grünen und der Union ja für einen gemeinsamen Artikel herhalten. Aber wenn man die Unionsforderung nach weiteren Vergünstigungen für Familien und der Möglichkeit für viel-Pendler die kilometerbegünstigungen de fakto permanent (sotto costo) zu haben mit den EU Vorgaben kombiniert, daß öffentliche Verkehrsmittel zu mindestens 35% über Tariff-einnahmen gedeckt sein müssen dann haben die beiden Parteien uns wohl nur noch nicht verraten wem sie damit extrem überdurchschnittlich in den Sack greifen wollen. Den Wenigfahrern mit weit über 100% der Kilometerkosten? Den nicht Einheimischen? Oder gar generell dem Steuerzahler? Oder sie haben mal schnell in's zu Ende gehende Sommerloch gemeckert und eigentlich noch nicht ganz fertig gedacht?

Fr., 28.08.2015 - 19:34 Permalink

Naja, dass irgendwann die Preise erhöht werden müssen, ist ja klar. Verstehe nur nicht warum man nicht einfach eine schrittweise Erhöhung durchführt. Pro Kilometer eben neun oder zehn Cent und nicht gleich zwölf.
Würde den Bürgern sicherlich leichter fallen und somit könnte eine endgültige Erhöhung auf zwölf Cent länger hinausgezögert werden da in der Zwischenzeit mehr Fahrtgeld lukriert wurde.
Die Preise in Südtirol sind aber im Vergleich zu anderen Regionen Mitteleuropas immer noch extrem günstig. Wahrscheinlich aufgrund von Förderungen, die irgendwo her kommen. Wissen tue ich dies aber nicht.

Sa., 29.08.2015 - 10:10 Permalink
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Martin B.

Heute nachgerechnet: noch vor einem Monat 13,20 €, heute 22,00 € Kosten für eine "Freizeitfahrt" zu zweit. Nicht nur kein Spaß mehr, sondern man rechnet nach und was auf Öffis nicht zutreffen sollte ist Fakt: mit dem Auto fährt man spätestens ab zwei Passagieren günstiger :-(

So., 27.09.2015 - 22:39 Permalink

Das ist der falsche Ansatz. Man soll wenn schon die Kosten eines ganzen Jahres betrachten und nicht einzelne Fahrten. Wärst gerade in einer anderen Stufe hättest du anstatt 13,20 nur 9,90 ausgegeben. Ich gebe im Moment gleich viel aus wie letzten Monat weil ich schon 10000 km gefahren bin.

So., 27.09.2015 - 23:22 Permalink

Hab ich (Jahreskosten PKW). Ich bin regulär Fußgänger und Radfahrer, brauch also weder Öffis noch PKW im Alltag. Deshalb komme ich derzeit niemals auf 10000 km, weder bei Öffis noch beim Auto, welches bei derart geringer Benutzung und dem hohen Alter überschaubare Nebenkosten zum Treibstoff hinzu hat.

Mo., 28.09.2015 - 02:58 Permalink