Gesellschaft | Aus dem Blog von Oliver Hopfgartner

Haben wir ein Hochdeutsch-Problem?

Haben wir ein "Hochdeutsch-Problem" oder haben wir Südtiroler im Umgang mit Sprache einfach Komplexe? Ich werde diese Frage wohl nicht beantworten können, kann jedoch von meinen Erfahrungen in der Steiermark berichten.
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Wenn ich einem Steirer erkläre, dass in Südtirols Schulen Hochdeutsch gesprochen wird, stoße ich meist auf Verwunderung. Bezeichnend dafür eine Szene, die ich 2009 in einem Hörsaal miterleben durfte: Ein bundesdeutscher Kommilitone fragte den Vortragenden, ob er denn nicht hochdeutsch sprechen könne, da er sich schwer tat, den steirischen Akzent des Professors zu verstehen. Der - im übrigen angesehene - Vortragende entgegnete: "Ich bin Steirer und lehre in der Steiermark. Also trage ich - wenn schon - auf steirisch vor."* Dies soll bei Gott kein Plädoyer für den Dialekt sein. Dennoch kann man durchaus vermuten, dass wir uns in Südtirol wohl künstlich ein Problem schaffen, das eigentlich irrelevant ist. Ich behaupte, dass jeder Südtiroler, der acht Jahre Schule genossen hat, in der Lage ist mit jedem bundesdeutschen Bürger zu sprechen.
Die Frage ist, wo setzen wir die Messlatte? In der Regel gilt das akzentfreie Sprechen einer Sprache als Qualitätsmerkmal. Wieso eigentlich (das ist keine rhetorische Frage)? Nach meiner persönlichen Erfahrung kommt es meist besser an, wenn man seinem Gesprächspartner durch eine akzentgefärbte Sprache direkt schon die Information gibt, woher man kommt.
Mich stört einfach diese Pathologisierung des Dialekts. Hier auf salto.bz gab es ja bereits einen Beitrag, der sich damit befasst hat, ob man nun einen Artikel in Mundart verfassen könne oder nicht. Einige Südtiroler haben fast schon Angst davor,  hochdeutsch zu sprechen, aus Angst sie könnten Fehler machen. Dadurch wird der Sinn von Sprache eigentlich pervertiert. Sprache ist ein Werkzeug zur Kommunikation. Wie ich das Werkzeug nutze, ist nicht entscheidend. Uns wird aber eingeredet, man müsse perfekt Hochdeutsch sprechen, da man sonst ein Bürger zweiter oder gar dritter Klasse sei.
Das ist falsch und gefährlich. Dasselbe gilt im Übrigen auch für die italienische Sprache. Ich gehörte auch lange zu jenen Südtirolern, die aus Angst, nicht gut genug italienisch zu sprechen, einfach auf die Nutzung dieser Sprache verzichtetet.

Im Übrigen glaube ich, dass der durchschnittliche Südtiroler besser Hochdeutsch spricht, als der durchschnittliche Österreicher. Zumindest habe ich an der Uni diesen subjektiven Eindruck gewonnen.Vielleicht können wir uns eine kleine Scheibe von den Steirern abschneiden und uns etwas entspannen, auch aus rein logischen Gründen: Sollte sich nun herausstellen, dass die Südtiroler nicht gut hochdeutsch sprechen. Wen würde das stören? Was könnten wir dagegen tun? Ich glaube eine solche Diskussion kann zu nichts führen, also sollten wir sie gar nicht erst aufkommen lassen, sondern uns wichtigeren Problemem widmen. Auf Sprache umgemünzt: Wie kann man die Menschen dazu bringen, ohne Angst mit Sprachen umzugehen? Diese Frage ist in meinen Augen sehr viel zielführender.

Abschließend möchte ich noch etwas hervorheben, das ich für bemerkenswert erachte: Subjektiv habe ich das Gefühl, die deutschsprachigen Südtiroler fühlen sich verbundener mit der Bundesrepublik Deutschland als mit Österreich. Das merkt man auch daran, welcher Wert auf die hochdeutsche Sprache gelegt wird. Rein geografisch und historisch betrachtet, ist das eigentlich seltsam. Vielleicht liegt es am Fernsehen, ich kann das aber nicht beurteilen. Mir ist das erst aufgefallen, seit ich den Großteil des Jahres in Österreich verbringe, was einem eine gesunde Distanz zu den Vorgängen in Südtirol verschafft.

* Um nicht einen falschen Eindruck zu erwecken, möchte ich klarstellen, dass in Graz natürlich auch Vorlesungen in hochdeutscher und englischer Sprache gehalten werden. Ob das Verhalten des Vortragenden in dieser Situation angebracht war oder nicht, ist eine andere Geschichte.