Haben wir ein Hochdeutsch-Problem?
Wenn ich einem Steirer erkläre, dass in Südtirols Schulen Hochdeutsch gesprochen wird, stoße ich meist auf Verwunderung. Bezeichnend dafür eine Szene, die ich 2009 in einem Hörsaal miterleben durfte: Ein bundesdeutscher Kommilitone fragte den Vortragenden, ob er denn nicht hochdeutsch sprechen könne, da er sich schwer tat, den steirischen Akzent des Professors zu verstehen. Der - im übrigen angesehene - Vortragende entgegnete: "Ich bin Steirer und lehre in der Steiermark. Also trage ich - wenn schon - auf steirisch vor."* Dies soll bei Gott kein Plädoyer für den Dialekt sein. Dennoch kann man durchaus vermuten, dass wir uns in Südtirol wohl künstlich ein Problem schaffen, das eigentlich irrelevant ist. Ich behaupte, dass jeder Südtiroler, der acht Jahre Schule genossen hat, in der Lage ist mit jedem bundesdeutschen Bürger zu sprechen.
Die Frage ist, wo setzen wir die Messlatte? In der Regel gilt das akzentfreie Sprechen einer Sprache als Qualitätsmerkmal. Wieso eigentlich (das ist keine rhetorische Frage)? Nach meiner persönlichen Erfahrung kommt es meist besser an, wenn man seinem Gesprächspartner durch eine akzentgefärbte Sprache direkt schon die Information gibt, woher man kommt.
Mich stört einfach diese Pathologisierung des Dialekts. Hier auf salto.bz gab es ja bereits einen Beitrag, der sich damit befasst hat, ob man nun einen Artikel in Mundart verfassen könne oder nicht. Einige Südtiroler haben fast schon Angst davor, hochdeutsch zu sprechen, aus Angst sie könnten Fehler machen. Dadurch wird der Sinn von Sprache eigentlich pervertiert. Sprache ist ein Werkzeug zur Kommunikation. Wie ich das Werkzeug nutze, ist nicht entscheidend. Uns wird aber eingeredet, man müsse perfekt Hochdeutsch sprechen, da man sonst ein Bürger zweiter oder gar dritter Klasse sei.
Das ist falsch und gefährlich. Dasselbe gilt im Übrigen auch für die italienische Sprache. Ich gehörte auch lange zu jenen Südtirolern, die aus Angst, nicht gut genug italienisch zu sprechen, einfach auf die Nutzung dieser Sprache verzichtetet.
Im Übrigen glaube ich, dass der durchschnittliche Südtiroler besser Hochdeutsch spricht, als der durchschnittliche Österreicher. Zumindest habe ich an der Uni diesen subjektiven Eindruck gewonnen.Vielleicht können wir uns eine kleine Scheibe von den Steirern abschneiden und uns etwas entspannen, auch aus rein logischen Gründen: Sollte sich nun herausstellen, dass die Südtiroler nicht gut hochdeutsch sprechen. Wen würde das stören? Was könnten wir dagegen tun? Ich glaube eine solche Diskussion kann zu nichts führen, also sollten wir sie gar nicht erst aufkommen lassen, sondern uns wichtigeren Problemem widmen. Auf Sprache umgemünzt: Wie kann man die Menschen dazu bringen, ohne Angst mit Sprachen umzugehen? Diese Frage ist in meinen Augen sehr viel zielführender.
Abschließend möchte ich noch etwas hervorheben, das ich für bemerkenswert erachte: Subjektiv habe ich das Gefühl, die deutschsprachigen Südtiroler fühlen sich verbundener mit der Bundesrepublik Deutschland als mit Österreich. Das merkt man auch daran, welcher Wert auf die hochdeutsche Sprache gelegt wird. Rein geografisch und historisch betrachtet, ist das eigentlich seltsam. Vielleicht liegt es am Fernsehen, ich kann das aber nicht beurteilen. Mir ist das erst aufgefallen, seit ich den Großteil des Jahres in Österreich verbringe, was einem eine gesunde Distanz zu den Vorgängen in Südtirol verschafft.
* Um nicht einen falschen Eindruck zu erwecken, möchte ich klarstellen, dass in Graz natürlich auch Vorlesungen in hochdeutscher und englischer Sprache gehalten werden. Ob das Verhalten des Vortragenden in dieser Situation angebracht war oder nicht, ist eine andere Geschichte.
Dialekt oder Umgangssprache
Wenn jemand so redet wie Durnwalder - der oft kritisiert wird, dass er kein Hochdeutsch kann - oder vielleicht bezüglich Wortschatz und Syntax ein bisschen besser, der wird wohl fast von allen verstanden. Lieber so, als einen vermeintlich verhochdeutschten Dialekt, wie ihn Christoph Innerhofer oft probiert. (Die Funktionäre, die was nicht auf die Skifahrer hören....). Um bei den Skifahrern zu bleiben, die ja oft vor die Kamera gebeten werden: Den Dominik Paris mit seinem undeutlichen breiten Ultnerisch, können oft wir Südtiroler nur schlecht verstehen, geschweige z. B. ein Schweizer oder Deutscher. Dieses Problem scheinen die österreichischen und bayrischen Skifahrer nicht mehr zu haben, nachdem es in Vergangenheit z. B. bei Markus Wasmeier zu Anfang auch schon notwendig war ihn im Fernsehen zu untertiteln.
Grundsätzlich finde ich einen Südtiroler authentischer, wenn er einen verständlichen Dialekt oder Umgangssprache spricht, als gequält Schul-deutsch. Mit einem Bundesdeutschen, Schweizer oder Italiener spreche ich gerne auch Standard-deutsch.
abstufungen
ich bin dankbar für diesen artikel und kann die beobachtungen weitestgehend nachvollziehen.
ein paar präzisierungen dazu:
1. ich glaube, wir sollten - was sprache betrifft - mehrere abstufungen machen. es gibt nicht nur hochsprache und dialekt. vielmehr unterscheide ich zwischen standardsprache (hochdeutsch), der überregionalen umgangssprache (tirolerisch - also südbairische mundarten zusammengefasst und entschärft) und den regionalen bis lokalen dialekten (unterlandlerisch, pustrerisch usw.).
2. das problem in südtirol ist meines erachtens ein dreifaches - erstens ist der umgang mit der sprache ein verkrampfter, zweitens vermögen wenige in einer "überregionalen umgangssprache" zu sprechen bzw. wenden diese nicht an und drittens ist das hochdeutsch, das in südtiroler schulen gesprochen wird, kein hochdeutsch sondern vielfach eine artifizielle aussprache-anpassung eigentlich dialektaler syntax.
3. ich halte den weg der "überregionalen umgangssprachen" für einen sehr guten. durnwalder benutzt eine solche sprache, "outet" sich dadurch sofort als tiroler, wird aber dennoch im gesamten deutschen sprachraum problemlos verstanden. ich meine sogar, dass diese sprache dem hochdeutschen näher kommt, als das vermeintliche hochdeutsch, welches man in südtirol oft zu hören bekommt. dieses ist wie gesagt so artifiziell und teilweise falsch, dass ich es nicht als hochdeutsch bezeichnen würde und damit auch nicht bestätigen kann, dass südtiroler besser hochdeutsch beherrschen als ihre nordtiroler landsleute. z.b. spricht jimmy nussbaumer sämtliche laute - auch am ende eines wortes - extrem definiert aus und verschluckt nichts bzw. macht keine liaisonen. "hochdeutsche muttersprachler" tun dies allerdings sehr wohl. auch ist die verwendung der zeiten und die satzstruktur oftmals einfach nur dem dialekt entlehnt und in eine - wiederum - vermeintlich hochdeutsche aussprache übersetzt. die überregionale umgangssprache, wie sie in nordtirol im öffentlichen leben (schule, unis, politik usw.) sehr verbreitet ist, klingt hingegen natürlich, verwendet einen nicht gekünstelten satzbau und ist somit vielfach sogar korrekter.
4. zuguterletzt glaube ich, dass unsere dialekte ein großer reichtum und in vielen belangen der hochsprache überlegen sind. dialekte entstehen immer auch aus umfeld, landschaft und kultur heraus und entwickeln dadurch oft viel spezifischere und subtilere ausdrucksmöglichkeiten.
p.s.: ich finde dominik paris' interviews erfrischend, stamme nicht aus südtirol und habe dennoch nicht das geringste problem, ihn zu verstehen.
Ich finde das Thema relevant,
Ich finde das Thema relevant, aber Studenten oder grundsätzlich exilierte Südtiroler als Messlatte zu verwenden ist sicher nicht repräsentativ, deren Niveau ist aus beiden Aspekten sicher höher. Und die Behauptung der durchschnittliche Südtiroler würde besser Deutsch sprechen als der Österreicher ist nun wirklich sehr gewagt (und ich empfehle dir sie zumindest nur in Südtirol aufzustellen :-)).
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Wichtig ist für mich das Verhalten in Südtirol. Und dazu kann ich als Beispiele nur die Politik sowie das Kommunikationsverhalten junger Menschen beitragen.
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Wenn ich die alten Zeiten eines Magnago, Brugger und (sic) Benedikter mit der Pusterer Hegemonie eines Durnwalders vergleiche sind Unterschiede in Sprache und Geist offensichtlich: Erstere stammen kulturell und vom Duktus noch aus der Monarchie, mussten ihre Sprache verteidigen und haben den Krieg erlebt: ihr Bemühen nach Redlichkeit und Elite im besten Wortsinne steht für mich immer noch für das Idealbild des aufgeklärten und weltoffenen Südtirolers, der sich auch noch jenseits des Brenners problemlos verständlich machen kann.
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Unserem lieber Luis wiederum ging es ja mehr darum, das Bodenständige und die Bauernschläue zum Standard zu erheben; entsprechend wurde dem Südtiroler suggeriert er sei ohnehin der Beste und Gescheiteste und müsse sich nicht anpassen, so lange er nur möglichst schlau und dreist auftreten würde. Entsprechend ändern sich die Sitten und heute plappern alle Politiker und andere "Medienkünstler" ungeniert daher, so wie ihnen die "Papp'n" gewachsen ist. Und das gemeine Volk passt sich nur zu gerne an.
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Nun muss ich erwähnen dass ich den Südtiroler Dialekt für eine äußerst angenehme Ausdrucksweise halte, die sich in verbaler Diskussion erstklassig zur Illustration ernster und heiterer, ja "praktisch" aller Sachverhalte eignet.
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Verbal also no prob.
Was ich allerdings mit Schrecken beobachten durfte ist die schriftliche Kommunikation meiner Landsleute. Durch digitale Medien wird ja heute viel mehr geschrieben als je zuvor, und das trifft auch auf den unbedarften Süd-Älpler der sich also via Facebook und Handynachrichten vernehmen lässt. Und hier ist das Grauen absolut, wird doch unser lieber Dialekt mittels 1:1-Verschriftlichung als das sichtbar was er linguistisch ist: eine wilde Abwandlung einer einmal deutschen Sprache die für 99% der Deutsch Sprechenden vollkommen unverständlich bleiben muss.
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Meine Botschaft ist also: alle jene die vor medialen und anderem Publikum sprechen sollen sich bitte zusammennehmen, und den Kids soll jemand sagen dass sie in WhatsApp, SMS und Facebook bitte in Schriftdeutsch miteinander zu konversieren lernen sollen; es nützt nicht zuletzt ihnen selbst.
Antwort auf Ich finde das Thema relevant, von Alfonse Zanardi
sprache der intimität
zunächst einmal, es gibt keinen "südtiroler dialekt". in südtirol werden südbairische mundarten gesprochen, die sich nicht an staats- und verwaltungsgrenzen halten. so ist der dialekt, der im hochpustertal gesprochen wird, jenem des südlichen osttirols näher als der mundart im oberen vinschgau.
zum anderen sehe ich überhaupt kein problem darin, sms, e-mail und dergleichen in der privaten konversation im dialekt zu verfassen. unsere mundart ist unsere muttersprache und somit die sprache der intimität. hochdeutsch offeriert lange nicht die nuancen, die uns die mundart bietet und wird immer eine distanzsprache bleiben (das ist bis auf ganz ganz wenige ausnahmen im gesamten deutschen sprachraum so). der deutsche sprachraum ist (im gegensatz zum russischen zum beispiel) eine domäne der dialektsprecher. ich erachte dieses entweder-oder-denken als schuss ins knie. auch bei uns ist das sowohl-als-auch möglich. schwizerdütsch und hochdeutsch koexistieren ja auch.
und das mit der "wilden abwandlung einer einmal deutschen sprache" ist auch eine recht abstruse theorie. die festlegung, was hochdeutsch ist, erfolgte doch damals völlig arbiträr. sprache ist ständig im wandel - und das ist gut so. deshalb jedoch von "wilden abwandlungen" zu sprechen, finde ich befremdend. war die zweite deutsche lautverschiebung auch eine "wilde abwandlung"? sollten wir wieder appel, strate und haten sagen? oder spielst du mit deinem "einer einmal deutschen sprache" auf die einflüsse aus anderen sprachen an? dann rate ich dir mal, eine deutsche qualitätszeitung zur hand zu nehmen (faz, zeit, welt, süddeutsche ...) und jene wörter anzustreichen, die lateinischen, griechischen oder anderen fremdsprachlichen ursprungs sind. kleiner tipp: machs lieber umgekehrt und streich die deutschen wörter an - das ist weniger arbeit.
Antwort auf sprache der intimität von Harald Knoflach
Völlige Zustimmung, Harald.
Völlige Zustimmung, Harald. Zudem ist wohl das Hochdeutsche eine »Abwandlung deutscher Sprachen« und nicht umgekehrt. Ich chatte und simse (mag das Wort nicht, hat sich aber wohl durchgesetzt) u.a. mit Leuten aus der Schweiz, Österreich und Süddeutschland — und übertreibe nicht, wenn ich sage, dass sich wohl kaum wer so sehr an die Schriftsprache hält, wie ich (mag eine Ausnahme sein). Österreicher und — noch mehr — Schweizer halten sich kaum an Rechtschreibung und Grammatik, was wohl auch für den Südtiroler Nachwuchs gelten mag.
Zu deiner Liste der zu analysierenden Medien würde ich bewusst die NZZ hinzufügen, die (trotz ihrer zahlreichen Helvetismen?) zu den absoluten Größen des international-deutschsprachigen Qualitätsjournalismus gezählt wird.
Antwort auf sprache der intimität von Harald Knoflach
"Südtiroler" Dialekt
Genau, es gibt nicht "den" Südtiroler Dialekt! Und was ist gar mit dem berühmten "Laivesott", das kann man ja fast gar nicht wirklich der deutschen Sprache zuordnen... auch nicht der italienischen... ;))) Fällt vermutlich strenggenommen auch nicht in die Kategorie "Dialekte"...
Antwort auf "Südtiroler" Dialekt von Sybille Tezzele
Sabotage
Nun habe ich schon wieder ein -1 in eine Null verwandelt und wenn ich könnte würde ich ein +5 draus machen.
Was hat Sybille mit dem "Laivesott" Falsches in die Welt gesetzt, dass man es negativ bewerten muss, also nicht einverstanden.
Dann würde zumindest darunter die Begründung anzubringen sein. Die Anonymität verlockt auch hier zu Heckenschützen. Für mich sind es Querschläger und gehören in die Kategorie "Sabotage".
Antwort auf sprache der intimität von Harald Knoflach
Ich wäre euch verbunden, wenn
Ich wäre euch verbunden, wenn ihr euch nicht in pseudo-wissenschaftlicher
Erbsenzählerei ergehen würdest, sondern - wenn überhaupt - auf meine
Themen "Vorbild der Politik" und "Kommunikation in digitalen Medien" eingehen
würdet.
Wir sind hier nicht in einer Proseminargruppe.
Antwort auf Ich wäre euch verbunden, wenn von Alfonse Zanardi
Mal davon abgesehen, dass ich
Mal davon abgesehen, dass ich mich nicht angesprochen fühle, weil ich nicht sehr »wissenschaftlich« argumentiert habe, finde ich es zumindest kurios, wenn man bewusst zur »Unwissenschaftlichkeit« aufgerufen wird.
Antwort auf Ich wäre euch verbunden, wenn von Alfonse Zanardi
Klingt aber ganz nach Uni ....
Proseminargruppe nicht, sondern Diskussion. Und wenn Sie mir verraten, wo Ihre Themen zu finden sind, die nicht Erbsenzählerei und nicht Proseminarstoff sind, dann könnte ich's versuchen, sofern ich die geistigen Voraussetzungen dafür mitbringe.
Antwort auf sprache der intimität von Harald Knoflach
Ich finde es nicht OK wenn
Ich finde es nicht OK wenn nicht auf ein Post eingegangen wird sondern nur einzelne Begriffe "herausgepickt" werden.
Nichts gegen Wissenschaftlichkeit, aber ich habe keine wissenschaftliche Position bezogen sondern eine Meinung zum Thema "Vorbild der Politik" und "Kommunikation in digitalen Medien" abgegeben.
Antwort auf Ich finde es nicht OK wenn von Alfonse Zanardi
frage
habe ich nicht ausreichend untermauert, dass ich deine kritik am dialekt-sms nicht nachvollziehen kann? war das nicht "eingehen" genug?
was ist pseudo-wissenschaftlich?
Entkrampfung
@Oliver: Danke, dass Du dieses Thema wieder aufgegriffen hast (und endlich einmal einer der Beiträge verknüpft!). Was ich aus Deinem Beitrag hauptsächlich mitnehme, ist der Aufruf zur Entkrampfung der Thematik. Das tut so gut! Es beginnt da aber auch eine Gratwanderung. Ich möchte nicht, das dies in totale sprachliche Anarchie ausschlägt. Jede/r sollte sich auf ihre/seine Weise bemühen, damit die räumliche und ethnische Reichweite des Gesagten/Geschriebenen nicht künstlich eingeschränkt wird. Einsatz von Dialekt ist genauso wie die Benutzung von Vielsprachigkeit innerhalb eines Beitrages ein tolles Stilmittel. Beide sollten aber nur als solches benutzt werden und nicht einer gewollten oder ungewollten Abgrenzung dienlich sein (wie Dein Grazer Hörsaalbeispiel) . Es bissel anzustrengen, das wird uns nicht schaden, und Du siehst an meinem "bissel" vielleicht auch die Bewusstmachung meinerseits.
@Harald: Du triffst es schon ganz gut, nur hat der von Dir benutzte Begriff "bairisch" wieder so etwas Grenzen setzendes, das ich persönlich nicht so mag. Ich hatte in meinem Beitrag schon über den Begriff, den auch der von der Tageszeitung zitierte Herrn Scheutz benutzt, augengezwinkert. Sicher, wir sind hier hauptsächlich bajuwarisch beeinflusst, haben aber auch alemannische, gotische und andere Einflüsse in manchen Talschaften und Grenzgebieten, die mir lieb sind. In Bayern distanziert man sich gerne von allgäuischen, schwäbischen, fränkischen Sprachfärbungen und benutzt dazu stolz den Begriff "boarisch". Das würde mir in unserem Kontext gehörig widerstreben. Ich halte mich deshalb lieber an die Bezeichnung "süddeutsch" und lasse mich nicht davon irritieren, dass in der "Süddeutschen Zeitung" eher hochdeutsch geschrieben wird. Dort wird der Begriff eben geographisch und nicht sprachlich verstanden. Und ja, manchmal höre ich ORF 2 Radio Tirol - am liebsten vormittags - nicht unbedingt wegen der Musik oder des Informationsgehaltes, sondern einfach, weil mir die gehörte Sprache, wie Du es so schön nennst, "intim" ist. Und dabei wundere mich jedes Mal darüber, dass südlich des Brenners (wie Oliver präzise feststellt) meistens mittel- bis hochdeutsche Maßstäbe gelten, die weil absolut nicht vertraut in meinen Ohren disharmonieren.
Antwort auf Entkrampfung von Benno Kusstatscher
bairisch
... ist überhaupt nicht wertend oder grenzziehend. es ist einfach die linguistische bezeichnung für unsere mundart. in österreich, südtirol und süddeutschland werden bairische dialekte gesprochen (nord-, mittel- bzw. donau- und eben südbairisch). freilich sind sämtliche unsere dialekte von einflüssen anderer mundarten durchzogen. bairisch ist nur eine kategorisierung - nichts weiter.
Antwort auf bairisch von Harald Knoflach
wenn schon ober- und niederbairisch
und sag bloß den Franken nicht, sie würden "nordbairisch" sprechen! Außerdem rückt der Begriff uns in das Licht einer "Sprachkolonie" der Bayern, anstatt wertneutral das Gebiet zu umschreiben. Als einer, der viel in München ist, habe ich mir dort schon viele solcher Anspielungen anhören müssen (wobei die mit Südtirol incl. Gardasee - grins - mehr liebäugeln als mit Nordtirol oder sonstwelchen "Ösis") . Von "auf Augenhöhe" keine Spur...
in der mittelschule
in der mittelschule erinnterten uns professoren jedesmal, wir sollen versuchen in hochdeutsch zu sprechen. auch in der oberschule. sprich, südtirolerisch könnte fast als schlampig und unhöflich eingestuft werden. im hum gym hatten wir sogar einen aussprache-seminar für hochdeutsch mit einer österreicherin in unserer klasse bekommen... ich habe vor allem angst, grammatik fehler in deutsch zu schreiben, wo sich die buchstaben "n" und "m" sehr verwirren. aber diese angst wurde in schulen einprogrammiert und auch strebende schüler nörgelten an nachbarsschülern herum. also wer hat denn da noch den mut?
Antwort auf in der mittelschule von Celine Colturato
Ich finde die Diskussion
Ich finde die Diskussion äußerst interessant und mir gefällt auch der sehr geistreiche Beitrag von Alfons Zanardi. Darüber hatte ich noch nie nachgedacht, dass Sprache gezielt zur Manipulation in der Politik eingesetzt werden kann. Ich hab allerdings viel über den hebräischen Ansatz "am Anfang war das Wort" philosophiert und mir überlegt, ob man effektiv die Realität über Sprache erschaffen kann. Was mir in der Diskussion auffällt, ist, dass die Verknüpfung mit dem Italienischen unseres "Deutsches" nicht angesprochen wurde. Auch das macht es nämlich individuell, finde ich. Das Sprache Konfusion in der eigenen Identifikation und Zugehörigkeit bewirkt, ist offensichtlich. Ich denke auch daran, wie es klingen würde, wenn die nationalen Politiker sich nicht an ein relativ einheitliches Italienisch halten würden, dessen Blüte ja angeblich Florenz enstammt, sondern in ihren jeweiligen Dialekten sprechen würden...mich hat bei einer neulichen Fortbildung schon gestört, dass die Vortragende krampfhaft versuchte, das unüberhörbare trrr.., dass den Sizilianern eigen ist, zu überspielen.
Antwort auf Ich finde die Diskussion von no name
Übrigens danke dem Oliver
Übrigens danke dem Oliver Hopfgartner, der als noch sehr junger Mensch (so meine ich gelesen zu haben) sich Gedanken über ein so wichtiges Thema macht und damit eine beachtenswerte Fähigkeit zur Reflexion beweist. Ich hab auch eib bißchen Sorge, dass durch den allgemeinen Gebrauch des Englischen (warum eigentlich?) die wunderbare Vielfalt und Erkennbarkeit der Herkunft verloren geht, die, wie diese Diskussion aufzeigt, ein Teil der Kultur ist aus der wir kommen. Ich glaube, darüber müssen wir noch viel sprechen.
Antwort auf Übrigens danke dem Oliver von no name
Wortschatz
Du sprichst mir aus der Seele. Eine Sprache verkümmert nicht durch die Verwendung des Dialekts, im Gegenteil. Im sogenannten Hochdeutsch, speziell bei Lehrbüchern aus Deutschland, gibt es Ausdrücke, die uns total fremd sind. Ich erinnere mich an den Gockel für den Hahn, ich kannte bis dahin nur den Gigger. Das ist bereits eine Vermischung und dies im Hochdeutsch. Dann kommt bei uns noch der Gebrauch der italienischen Wörter dazu, der schnell ein Wortschatzproblem überdeckt. Noch schlimmer sind die englischen Ausdrücke, die im gesamten EDV-und Kommunikationsbereich, aber nicht nur, vorherrschend sind. Und letztlich noch die einschlägige Sprache der Jugend, die morgen somit die Sprache der Erwachsenen sein wird, mit dem berühmten "volle geil", da kann einem unsere Sprache schon etwas leid tun.
Aber es gibt zum Glück auch Ausnahmen, wie den Oliver Hopfgarnter, der in Graz Medizin studiert.
Antwort auf Ich finde die Diskussion von no name
Die sprachliche Manipulation in der Politik
"dass Sprache gezielt zur Manipulation in der Politik eingesetzt werden kann" lääst uns unser lieber Luis täglich vernehmen: "miar hobn gsogg..." - er meint sicher den pluralis maiestatis (Wir sind Kaiser). Aber der Italiener sagt: Tra il dire e il fare c'é di mezzo il mare. Wir glauben, wenn er gsogg hot, werd er schun mochn. Wenn aber die Landesräte oder Abgeordneten sagen "mir hobn gsogg", dann meinen sie wahrscheinlich: er hat der gesagt und wir haben genickt. Denn sonst gibt es das nicht - aus beim Beten oder Singen - dass mehrere gleichzeitig etwas sagen!
"...plappern alle Politiker und andere "Medienkünstler" ungeniert daher, so wie ihnen die "Papp'n" gewachsen ist..." Nicht nur wie ihnen die die "Papp'n" gewachsen ist, sondern, wie's ihnen vorgemacht wird.
Eine weitere geläufige Manipulation: Alle Politiker - auch die der Mehrheit, auch Landesräte sagen - verwenden in der Regel die unverbindliche Formel "..das müsste (dringend) gemacht oder umgesetzt werden." Niemand sagt: das haben wir beschlossen; das gehe ich gleich an; das machen wir demnächst; dafür will ich mich einsätzen, dafür will ich kämpfen." Un wir glauben, sie haben etwas versprochen; sie haben sich etwas zum Ziel gesetzt; das ist demnächst zu erwarten.
Antwort auf in der mittelschule von Celine Colturato
sowohl als auch
ich bin verfechter des dialekts, aber an ausprache-seminaren für hochdeutsch ist nichts schlechtes. es geht um das sowohl als auch.
Zu deinem Steiermark-Professor...
fällt mir ein, was ich unlängst gelesen habe. Als sich in den Siebzigern zum ersten Mal Amerikaner und Russen im Weltall getroffen haben, musste die russische Besatzung vorher Englisch und die amerikanische Russisch lernen. Bei diesem höchst gefährlichen Unterfangen war die richtige Kommunikation zwischen den Besatzungen vor dem Ankoppeln der Raumschiffe lebenswichtig. Man entschied, dass die Astronauten in der Sprache des Angesprochenen sprechen mussten, nach dem Prinzip, dass wenn jede Botschaft erst übersetzt wird, Missverständnisse unwahrscheinlicher sind, als wenn Jeder die eigene Sprache spricht.
Ich finde, das wäre ein gutes allgemeines Prinzip in allen Situationen wo verschiedene Sprachen zusammenleben, wie hier bei uns...