Seitdem ich von Südtirol weggezogen bin, hegte ich das Vorhaben, in jeder Art von Notfall (Krankheit, Armut, Sicherheit) in meine Heimat zurückzukehren. Dort, so meine Annahme, sei alles besser.
Mein Aufenthalt in Istanbul hat diese Annahme weiter genährt. Umso mehr hat mich die Nachricht überrascht, dass ausgerechnet in der Herzstadt Tirols, in Meran, eine Jihadisten-Zelle ausgehoben wurde. Wie ist das möglich? Wie können sich diese radikalen, terroristischen Islamisten-Zellen in Meran einnisten und dort unbehelligt leben? Sind diese Männer niemandem aufgefallen? Sind unsere Südtiroler Behörden so blauäugig, solchen Menschen auch noch Wohnungen zu vermieten?
Meine Arbeit als Journalistin hat mich gelehrt, dass öffentliche Sicherheit ganz eng mit der "Kontrolle des Territoriums" zusammenhängt. Diese Kontrolle üben nicht nur die staatlichen Sicherheitsorgane aus, sondern die Bewohner des jeweiligen Territoriums. In Süditalien hat der Staat die Kontrolle über das Territorium zugunsten der besser "organisierten" Kriminalität verloren. Aber in Südtirol?
Südtirol ist überschaubar. Jeder kennt jeden, es gibt Schützenvereine und die Feuerwehren. Weshalb konnte die islamistische Terrorzelle also ungestört ihr Netzwerk ausweiten und noch dazu angehende Jihadisten auf dem Weg nach Syrien betreuen? Kann es sein, dass auch bei uns die "Einheimischen" vermehrt wegschauen statt sich aktiv einzumischen, so unbequem das auch ist? Wir sollten uns doch einmischen, wenn wir von Straftaten Kenntnis bekommen oder Hinweise darauf wahrnehmen.
Mir ist klar: Oft reagieren die Behörden abweisend. Der Bürger, der einen Vorfall meldet, wird manchmal als hysterisch eingeschätzt. Doch dieser Schein trügt: Denn obwohl die Sicherheitsleute oft apathisch auf Hinweise oder Anzeigen reagieren, ermitteln sie dann weiter. Noch etwas hält viele Bürger davon ab, Vorfälle zu melden, vor allem wenn es sich um Ausländer handelt: Sie werden oft von wohlmeinenden Mitbürgern als Rassisten abgetan.
Natürlich handelt es sich hier um ein sehr gefährliches Terrain: Südtiroler, wie alle Alpenländler, werden gemeinhin als konservativ-reaktionär-rechtsradikal eingeschätzt. Es gab viele Hitler-Anhänger und Optanten in Südtirol. Daraus darf aber nicht ein Vorurteil werden, wonach jeder, der einen mutmaßlich straffälligen Ausländer anzeigt, ein Nazi ist.
Andererseits: sind die Südtiroler genauso wachsam, wenn es sich um "Einheimische" handelt? Und warum tun sich viele so schwer, die Misshandlung von Frauen und Kindern aus der Nachbarschaft zu melden, während sie sofort zum Telefon greifen, wenn sie einen Diebstahl bemerken?
Die Bedrohung dessen, was gemeinhin als Sicherheit gilt, hat auch Südtirol erfasst. Denn Südtirol ist wohlhabend. Und das zieht Mafiosi an. Und Südtirol ist ein Tourismus- und ein Transit-Land , in dem prinzipiell jeder Gast willkommen ist. Das wiederum erleichtert es Terroristen, unterzutauchen und unbehelligt zu leben.