Gesellschaft | Meinung

„Betteln ist ein Grundrecht des Menschen“

Brauchen wir ein Bettelverbot? Auch Eppans Gemeinderat findet ja. Warum Bürgermeister Wilfried Trettl dennoch dagegen ist.

Es gibt Stimmen in den sozialen Medien, die berechtigterweise fragen, ob eine breite Diskussion über Bettelverbote angemessen ist, wenn derzeit allein in Bozen rund 140 Flüchtlingen in den kalten Winternächten nicht einmal ein Dach über dem Kopf haben. Doch nach der Verteidigung des verschärften Bozner Bettelverbots durch den ehemaligen Stadtpolitiker Sandro Repetto sollte ein weiteres politisches Statement zur Debatte nicht untergehen: Eppans Bürgerlisten-Bürgermeister Wilfried Trettel hat auf der letzten Sitzung seines Gemeinderats gegen einen Beschlussantrag für ein Bettelverbot gestimmt. In einem offenen Brief auf der Gemeinde-Homepage erklärt er der Bevölkerung der Überetscher Gemeinde warum.

Liebe Eppanerinnen und Eppaner,

auf der Tagesordnung der letzten Gemeinderatssitzung stand ein Beschlussantrag für eine Verordnung, die das Betteln auf unserem Gemeindegebiet regeln soll. Gefordert wird darin das Verbot von aufdringlichem und aggressivem Betteln, von organisiertem Betteln und von Betteln unter Mitwirkung von Minderjährigen. Bettelnde sollen sich außerdem nicht zu nahe bei Geschäften und Betrieben, Marktflächen, Bushaltestellen und gebührenpflichtigen Parkplätzen aufhalten.

Ich habe gegen diesen Beschlussantrag gestimmt. Mir ist die Problematik, die durch Bettelei entstehen kann, durchaus bewusst. Aber Betteln ist ein Grundrecht des Menschen. Aus dem Religions- und Geschichtsunterricht wissen wir, dass es immer schon Bettler gegeben hat. Und außerdem reichen die bestehenden Gesetze aus. Wenn jemand von einem Bettler belästigt wird, kann er auch ohne Verordnung die Ortspolizei verständigen. Ob sich jemand überhaupt belästigt fühlt, das erlebt jeder anders. Und es steht jedem frei, etwas zu geben oder nicht.

Der Gemeindeverwaltung ist es wichtig, darüber Bescheid zu wissen, ob und wann es sich um organisiertes Betteln handelt, denn das ist verboten. Die Ortspolizei beobachtet das Phänomen diesbezüglich sehr genau. Der Beschlussantrag ist vom Gemeinderat schließlich angenommen worden. Man sieht es als Signal für die Bevölkerung an, dass die Gemeinde in dieser Hinsicht etwas tut. Ich hoffe nicht, dass dann andererseits über zuviel Polizeipräsenz geklagt wird!

Aggressives Verhalten erlebe und beobachte ich persönlich weniger bei den Bettlern, als vielmehr bei so manchem Mitbürger/mancher Mitbürgerin gegenüber Gemeindepolizisten, Angestellten im Rathaus und Gemeindeverwaltern, die doch nur ihre Pflicht tun. Von gewissen Kommentaren in sozialen Medien ganz zu schweigen. Auch darüber sollte man nachdenken!

Euer Bürgermeister

Wilfried Trettl