Politik | Landtag

„Missbrauchte Tracht“

Sigmar Stocker wittert in einem Meraner Schülerprojekt einen respektlosen Umgang mit der Südtiroler Tracht. Kulturlandesrat Philipp Achammer kontert mit klaren Worten.

Für Sigmar Stocker ist alles klar: „Meines Erachtens sieht man diese Sache aber zu respektlos gegenüber pflichtbewussten Trachtenträgern.“. Der freiheitliche Abgeordnete hat in der aktuellen Fragestunde des Landtages Ende Jänner eine Anfrage an Kultur- und Bildungslandesrat gestellt.
In der Anfrage heißt es weiter:

„Die Tiroler Tracht ist mehr als nur Bekleidung. Sie steht für unser kulturelles Erbe und ist ein Grundausdruck unserer Identität. Das Tragen einer Tracht ist ein bewusstes Bekenntnis dessen und kein Faschingskostüm oder ein Kleidungsstück, das man einfach jedem weiterreicht. Die Tiroler Tracht ist im Gegensatz zu einer Lederhose und einem Dirndl, das man beispielsweise auf dem Oktoberfest trägt, auch kein Alltagsgewand, sondern eine ehrbare Feiertagsbekleidung."

Wie aber kommt es dazu, dass der freiheitliche Landtagsabgeordnete plötzlich in einer Rolle auftritt, die sonst eigentlich dem Bozner Kaufmann und Uni-Dozenten Helmut Rizzolli zusteht: Den Hüter der heimischen Tracht?

Das Schulprojekt

Ausgangspunkt ist eine Schulprojekt des Meraner Kunstgymnasiums. “...auf der Flucht” nennt sich das Projekt, das an den Meraner Gymnasien zwischen Oktober und Dezember 2015 durchgeführt wurde.
Neben einem Sprachencafé, einer Radioreportage und zahlreichen Momenten der Begegnung zwischen Schülern und Geflüchteten, entstand im Rahmen des Projekts auch ein Kalender, der Ende Dezember 2015 im Meraner Ost West Club präsentiert wurde. Die zwölf Motive für die Kalenderblätter entstanden während dem Fotoworkshop “Fremde Bilderwelten”, der unter anderem vom Brixner Fotografen Georg Hofer begleitet wurde.

Fotoshooting für Kalender: Kleidung stiftet Identität.

Wir schlüpfen in die Kleider des Anderen, um ihn besser zu verstehen. Kleidung stiftet kulturelle Zugehörigkeit und Identität. Ein Afrikaner in Tracht, eine Südtiroler Schülerin im afrikanischen Kleid – im Kleideraustausch begegnet Afrika unserer Kultur und wir der ihren.”, heißt es in der offiziellen Beschreibung des Projekts.
In Zusammenarbeit mit der Trachtenkammer Schenna realisierten die Schüler mit vier Flüchtlingen aus Westafrika eine Fotosession mit Tiroler und afrikanischen Trachten. Aus den Fotos entstand dann ein Kalender, der südtirolweit großen Anklang findet.

„Lächerlich machen“

Doch anscheinend gibt es auch Menschen, die mit der Verbindung Tirol-Afrika ihre Schwierigkeiten haben. Nur so ist die geharnischte Landtagsanfrage von Sigmar Stocker zu verstehen.
Der freiheitliche Abgeordnete schreibt:

„Das traditionelle „Gwand“ unserer Heimat sollte mit Respekt behandelt und getragen werden. Trachtenvereine und das Land Südtirol investieren viel Geld, damit historische Trachten nicht verloren gehen. Deshalb sollten sie auch nicht für fragwürdige Projekte missbraucht werden. Es ist auch nicht ratsam, wenn man Trachtenträger damit öffentlich lächerlich macht. Hier meine ich weniger die Schüler-, sondern die Lehrerschaft und Direktion, die dies verstehen müssten.“

„Trachtenvereine und das Land Südtirol investieren viel Geld, damit historische Trachten nicht verloren gehen. Deshalb sollten sie auch nicht für fragwürdige Projekte missbraucht werden. Es ist auch nicht ratsam, wenn man Trachtenträger damit öffentlich lächerlich macht.“
Sigmar Stocker

Aufgrund dieser Analyse will Sigmar Stocker wissen, wie viel das Projekt gekostet hat und welche Haltung die Landesregierung zu diesem Projekt einnimmt. Der blaue Abgeordnete legt in den Fragen dabei seine Überzeugung nochmals offen:

  • Wie rechtfertigen die Verantwortlichen des Projekts diesen Missbrauch der Tracht?

  • Warum haben die Verantwortlichen für ihr Projekt keine Burka bzw. kein Niqab als traditionelle Kleidung von muslimischen Frauen in Westafrika verwendet?

  • Sind sich die Verantwortlichen bewusst, dass sie mit diesem Projekt Trachtenträger öffentlich lächerlich gemacht haben bzw. dass sich Trachtenträger in ihrer Traditionspflege dadurch provoziert fühlen?

Keine Provokation

Weil die Anfrage vergangene Woche in der aktuellen Fragestunde nicht mehr behandelt werden konnte, hat Philipp Achammer jetzt schriftlich auf Stockers Anfrage geantwortet. Der Kultur- und Bildungslandesrat führt in seiner Antwort aus, dass das Projekt die Schule nichts gekostet habe, weil alle Beteiligten unentgeltlich mitgearbeitet haben. Vor allem aber stellen sich Achammer und mit ihm die Landesregierung ohne Abstriche hinter das Projekt. 
Achammers Anworten sind sachlich, aber durchaus energisch. So schreibt der SVP-Obmann unmissverständlich:

„Als zuständiger Landesrat weise ich in aller Entschiedenheit den Vorwurf des „Missbrauchs“ oder des „lächerlich Machens“ zurück. Das Projekt stellt Ausgleich, Verständigung und Verständnis für fremde Realitäten in den Mittelpunkt – gerade Heimat- und Traditionsbewusstsein sollte auch mit Offenheit gegenüber dem Anderen verbunden sein.“

„Als zuständiger Landesrat weise ich in aller Entschiedenheit den Vorwurf des „Missbrauchs“ oder des „lächerlich Machens“ zurück. Das Projekt stellt Ausgleich, Verständigung und Verständnis für fremde Realitäten in den Mittelpunkt – gerade Heimat- und Traditionsbewusstsein sollte auch mit Offenheit gegenüber dem Anderen verbunden sein.“
Philipp Achammer

Den polemischen Verweis Stockers auf Burka und Niqab kontert Achammer:

„Da die involvierten Geflüchteten alle aus Afrika stammen, wurden vor Ort verfügbare traditionelle Stoffe aus dem afrikanischen Kulturkreis verwendet. ...(...)... Die in Meran lebenden Geflüchteten haben ihr Hab und Gut in den Herkunftsländern zurückgelassen und sind ohne Trachten mit schmalen Gepäck geflüchtet und in Europa und Meran gestrandet.“

Achammer, der in der Landesregierung auch für den Bereich Integration zuständig ist, lässt am Ende seiner Antwort keine Zweifel offen:

„Die in Kooperation mit der Trachtenkammer Schenna durchgeführte didaktische Initiative hat dazu beigetragen, bei Schülerinnen, Schülern und Geflüchteten die Bedeutung des Südtiroler Brauchtums und der Tracht zu verdeutlichen. Auf diese Weise ist die Identität-stiftende Bedeutung der Pflege von Traditionen und Brauchtum gefördert worden. Dies hat nichts mit Verunglimpfung oder Provokation von Trägern oder Trägerinnen der Tracht zu tun.“

Ob Philipp Achammers klare Worte auf fruchtbaren Boden fallen, ist fraglich. Nötig sind sie aber auf jeden Fall.

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Dr. Streiter Do., 11.02.2016 - 08:21

Wie rechtfertiget Stockner die Aufwendung von Landesgeldern für so eine Schmierenkomödie? Wie steht es um seine Verantwortlichkeit als Landtagsabgeordneter vorbildlich zu handeln? Sieht der Landtagsabgeordnete Schwarze als gleichwertige Menschen? Bekennt sich Stockner zu den sogenannten europäischen Grundwerten, der Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit, der Freiheit von Wissenschaft und Kunst, der Menschenrechtskonvention und der Flüchtlingskonvention?
Ist sich Stockner bewuss dass er Trachtenträger als verschlossene Hinterwäldler darstellt. Weiter Vorurteile gegen Trachtenträger schürt, sie öffentlich lächerlich gemacht hat bzw. dass sich viele in ihrer Traditionspflege dadurch provoziert fühlen?

Do., 11.02.2016 - 08:21 Permalink
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Salto User
Sepp.Bacher Do., 11.02.2016 - 09:47

Diesen Kalender möchte ich haben. Ich finde die Bilder, die in den Medien aufgetaucht sind schön. Weiß jemand wo man den beziehen kann? Danke!
Das Bild, das über diesem Beitrag steht gefällt mir besonders gut, die Kombination schwarzes Gesicht und schwarze Hände umgeben von den Trikolore-Farben und den braunen Stoff. Ich finde das Projekt einfach toll! In meinen jungen Jahren, wo sich noch nicht jeder eine Tracht leisten konnte und auch nicht vom Land finanziert wurde, gab es Fotostudios, wo man z. B. eine Tracht ausgeliehen bekam, um ein Foto in Tracht und vielleicht auch noch vor passender Kulisse machen konnte. Also keine Neuerfindung!
Ich schaue viele Dokumentationen auch über Afrika. Außer in Nord-Nigeria und speziell in den Gebieten des Boko-Haram (vielleicht auch im Norden Malis und in Mauretanien, wo ein besonders strenger Islam von oben diktiert wird), erinnere ich mich nicht in Westafrika Frauen mit Burka und Niqab gesehen zu haben. Schon eher in bunten Gewändern, wie auch auf dem Kalender dargestellt.

Do., 11.02.2016 - 09:47 Permalink
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Thomas Kobler Do., 11.02.2016 - 15:12

Antwort auf von Sepp.Bacher

Herr Bacher, Sie können den Kalender bei uns im ost west club in Meran (www.ostwest.it) für eine kleine Spende von 10 Euro entgegennehmen. Aber Achtung, die Stückzahl ist begrenzt, wir haben nur noch wenige Exemplare.

Hier übrigens der Link zur Aktion, die im Dezember bei uns vorgestellt wurde: http://ostwest.it/praesentation-des-kalenders-auf-der-flucht/

Zu Stocker ist eigentlich jedes weitere Wort zuviel. Dieser Mensch scheint derart von Missgunst und Boshaftigkeit zerfressen, da wird einem regelrecht übel. Mittlerweile hat er ja schon Frau Mair den Rang abgelaufen. Vielleicht sollte sich dieser Herr mal fragen, wie das ansonsten weltweit gehandhabt wird, und ob die Japaner auch irgendwelche Parlamentsanfragen starten, weil Menschen allerorts mit Kimonos durch die Gegend laufen. Mehr als Kopfschütteln fällt einem dazu wahrlich nicht mehr ein.

Do., 11.02.2016 - 15:12 Permalink
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Alfonse Zanardi Do., 11.02.2016 - 10:39

Ich find' die Kids schauen super aus und der Stocker ist ein unglaublich verklemmter und miserabler Kleingeist. Dass seine offensichtlich niederträchtigen Gedanken in den Medien amplifiziert werden ist sehr bedauerlich.

Do., 11.02.2016 - 10:39 Permalink
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Michael Bockhorni Do., 11.02.2016 - 20:55

die Burka hat mit traditioneller Kleidung in Westafrika ungefähr soviel zu tun wie die Wachauer Goldhaube mit der Ultner Tracht

Do., 11.02.2016 - 20:55 Permalink
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Hansjörg Zuech Fr., 12.02.2016 - 07:02

Egal wie manche Personen diese Aufnahmen sehen. Eines lässt euch gesagt sein. Für die die solche arme Menschen nach Europa bringen ist das jetzt schon die beste Werbung. Wenn man schon gutes tut, dann sollte man nicht wegen jeder Spinnerei groß Werbung machen. Oder dient das nur den karrieregeilen Vorgesetzten? Und liebe Grüne und ach so freiheitsbewusste Menschen, was passiert wenn diese Menschen keine Arbeit finden? Wer bezahlt einmal die Sozialleistungen dieser Menschen? Haben Sie sich nie gefragt warum China in den erbauten Firmen in Afrika die eigenen Leute anstellen muss?

Fr., 12.02.2016 - 07:02 Permalink
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Herta Abram Sa., 13.02.2016 - 10:49

Der Abgeordnete Stocker zeigt uns mit seinem Statement (s)ein wenig reflektiertes und rigides Menschen- und Welbild. Was wir davon mitnehmen können: "Selber denken, nicht glauben was man glauben soll."

Sa., 13.02.2016 - 10:49 Permalink
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kuno prey Sa., 13.02.2016 - 18:54

welch ein erfrischender wind.

vielen dank herr achammer.

und komplimente den schülern sowie lehrenden vom meraner kunstgymnasium.

Sa., 13.02.2016 - 18:54 Permalink
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Hansjörg Zuech Di., 16.02.2016 - 05:59

Normalerweise sende ich nur einmal einen Kommentar, aber einige Gegenkommentare bedürfen einer Antwort. Soll ich mich bedanken, dass mich einige Schreiberlinge ins rechte Diktatoreneck drücken? Ich bin nicht so niveaulos, dass ich diese Schreiber "linke Bagasch" nenne! Einige der Schreiber melden sich wohl um sich bei Herrn Achammer einzuschleichen. Einige sind zu feige ihren richtigen Namen zu schreiben. Doch wenn schon einige von Ausbeutung reden, dann frage ich: Erstens, wann haben Sie das letzte mal für soziale Projekte gespendet und mit welcher Ausrede nicht?
Zweitens: Wurde den "eingewanderten Modells" dieses Kalenders ein Modellvertrag mit guter Bezahlung geboten? Wenn nicht, dann ist es leicht von Kunst zu sprechen und sich mit falschen Lorbeeren zu schmücken. Wenn ja, dann zeigen Sie uns doch den Vertrag mit der hohen Gage! So, und haben Sie jetzt begriffen was Ausbeutung ist?

Di., 16.02.2016 - 05:59 Permalink
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Michael Bockhorni Di., 16.02.2016 - 09:26

Antwort auf von Hansjörg Zuech

kommt da einiges durcheinander? Nicht niveaulos sein wollen, aber unterstellen, dass die Kommentator_innen nichts für soziale Projekte spenden und sich dann ausreden? Die Flüchtlinge und Schüler_innen keine Models (ohne zweites l) gesucht (und daher auch nicht bezahlt) haben sondern ein künstlerisches Projekt des Austausches und der Begegnung im Sinne hatten indem beide Seiten immateriell profitieren. Bitte erklären Sie mir in dem Zusammenhang ihren Verdacht auf Ausbeutung.

Di., 16.02.2016 - 09:26 Permalink
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Markus Lobis Di., 16.02.2016 - 11:00

Antwort auf von Hansjörg Zuech

Eine Frage aus der links-bagaschigen Ecke: Wenn also nur genug Geld fließt, dann steht die Tracht zur Disposition, oder was? Darf jemand Kritik am Fußballtrainer üben, der nicht selber Fußball spielt? Darf jemand gegen Drogendealer sein, obwohl er/sie selbst noch keinen verhaftet hat? Darf jemand eine gute Sanität fordern, obwohl er/sie gar nicht krank ist?

Menschen, die Solidarität leben und jedem und jeder die persönliche Würde zugestehen und die sich bemühen, ein menschenfreundliches Klima in unserer Gesellschaft zu schaffen sind mehr wert als eine Millionenspende eines Reichen, der Aktien von Krauss Maffei oder Heckler & Koch hat.

Im übrigen finde ich die basiskulturelle Aktion der SchülerInnen grandios und SEHR wichtig und freue mich über solche Heranwachsenden. Und noch mehr, wenn sie erkennen, wie viel Zukunftspotenzial in den Ideen der "linken Bagasch" stecken und sich nicht von neoliberalen Werten entmenschlichen lassen.

Di., 16.02.2016 - 11:00 Permalink
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ferdinand tessadri Di., 16.02.2016 - 13:00

DerVorwurf des Zuech die "zuagroasten" würden ausgebeutet, weil man sie in
der Tracht fotografiert hat ohne Ihnen hohe Tantiemen zu zahlen, hat mich
wirklich erstaunt. Ist es möglich, dass es Leute gibt die glauben, in einer Schule in der tiefsten Provinz, würden für Aufnahmen eines Kalenders Honorare gezahlt ? Und mit den Negern in Afrika, Herr Zuech ? Werden die Chinesen sie früher oder später "entsorgen" müssen, da sie zu nichts zu brauchen sind. Blüht das gleiche Schicksal auch den hier zugewanderten, die wir morgen erhalten müssen, wie Sie sagen.

Di., 16.02.2016 - 13:00 Permalink