Politik | Geburtenstationen

Da waren's nur noch fünf

Nun ist es fix: Mit 31. Oktober 2016 wird die Geburtenstation Sterzing geschlossen. “Die Zukunft des Krankenhauses ist aber gesichert”, sagt der Landeshauptmann.

Es ist genau zwei Wochen her, da standen Landeshauptmann Arno Kompatscher und Gesundheitslandesrätin Martha Stocker gemeinsam im Pressesaal von Palais Widmann. Was sie damals ankündigten ist nun Realität geworden. Am heutigen Dienstag ist Stocker nicht dabei als der Landeshauptmann vor die Medienvertreter tritt und über die Zukunft der Geburtenstationen von Schlanders und Sterzing spricht. “Die Landesrätin trifft sich in diesen Minuten mit den zuständigen Verantwortlichen der Krankenhäuser Sterzing und Brixen”, verrät Kompatscher. Die Botschaft, die Stocker beim Treffen überbringt ist dieselbe, die der Landeshauptmann kurz nach 12 Uhr mittags verkündet: “Wir haben heute beschlossen, die Geburtenstation in Sterzing mit 31. Oktober 2016 zu schließen.”


Unpopulär und unpopulistisch

Die Ungewissheit der vergangenen Tage, Wochen, ja Monate und Jahre ist nun vorüber. Nach eingehender Analyse, Diskussion, der Einholung verschiedenster Meinungen und nicht zuletzt dem Gutachten des Komitees für die Betreuung rund um die Geburt ist die Landesregierung heute zum Schluss gekommen, innerhalb 29. Juli in Rom eine Ausnahmeregelung für die Geburtenstation nur eines Krankenhauses mit weniger als 500 Geburten im Jahr zu beantragen. Und zwar für jene in Schlanders. In der Geburtshilfe Sterzing hingegen werden in etwas mehr als drei Monaten die Lichter ausgehen. Damit hat man sich für die Aufrechterhaltung von fünf der einstmals sieben Geburtenstationen entschieden (jene in Innichen war im März 2015 geschlossen worden).

Das sehr emotionale Thema Geburt wurde in Sterzing zusätzlich aufgeladen, weil die Behauptung aufgestellt wurde, dass die Zukunft des Krankenhauses damit zusammen hängt. Das ist nicht der Fall.
(Arno Kompatscher)

“Ein Beschluss und kein Vorschlag” sei die Schließung in Sterzing, betont der Landeshauptmann – eine Entscheidung, die aufgrund objektiver Kriterien bewusst in Bozen getroffen wurde. “Es gab keine ‘römische Bedrohung’, von der unter anderem die Rede war”, bekräftigt Kompatscher. Er ist sich der unpopulären Entscheidung zu einem derart emotionalen Thema durchaus bewusst: “Unsere Aufgabe ist es allerdings nicht, der vox populi zu folgen, das überlassen wir der Opposition.” Ihm gehe es in der ganzen Sache vielmehr und in erster Linie um eines: die Sicherheit von Mutter und Kind.


Geburtshilfe nicht auf Kosten anderer Dienste

Diese steht auch im Vordergrund der bereits 2010 von der Staat-Regionen-Konferenz festgelegten Standards für die Geburtenabteilungen. Und diese will die Landesregierung auf jeden Fall, in allen Krankenhäusern und “so bald als möglich” gewährleisten können. Die schlechtesten Karten hat dabei laut Meinung der Landesregierung und des technischen Komitees zur Betreuung rund um die Geburt: Sterzing. Der chronische Personalmangel und die EU-Arbeitszeitregelung haben zu einer Verschärfung der Situation geführt, etwa was die Gewährleistung des 24-Stunden-Aktiv-Dienstes der vier Fachkräfte in den Geburtenstationen anbelangt. Aktuell wird der Dienst nur in Bozen und Meran garantiert. An den anderen (derzeit noch) vier Geburtenstationen wird er nur aufgrund von Werkverträgen und der Einschränkung anderer Dienste ermöglicht. Damit soll künftig Schluss sein. Denn, so Kompatscher: “Es kann nicht sein, dass wir auf lange Sicht immer wieder massiv auf Werkverträge zurückgreifen und Ressourcen von anderen Diensten abziehen müssen, die dadurch eingeschränkt sind, um die Geburtenstationen rund um die Uhr offen zu halten.” Schließlich habe man sich mit den jüngst genehmigten Leistungsprofilen ausdrücklich dafür entschieden, gewisse Grundversorgungsleistungen an allen sieben Spitälern zu garantieren – “langfristig” und “nachhaltig”, wiederholt der Landeshauptmann mehrmals.

Wir wollen und müssen Gesundheitspolitik nachhaltig gestalten, das heißt, dass wir die vorgegebenen Standards zum Schutz von Mutter und Kind erfüllen und auch in Zukunft garantieren können, und dabei möglichst nicht auf Werk- und Zeitverträge zurückgreifen müssen.
(Arno Kompatscher)

Neben der unbedingten Gewährleistung der Qualitäts- und Sicherheitsstandards begründet die Landesregierung ihre Entscheidung mit der heiklen Personalsituation im Sanitätsbetrieb (“Wir haben ein besonderes Defizit bei Anästhesisten und Pädiatern im Allgemeinen”) und dem Kriterium der Distanz (“Der Dienst der Geburtshilfe kann in Brixen relativ wohnortnah angeboten werden”). In Schlanders hingegen war die große Entfernung zum nächsten Krankenhaus ausschlaggebend, um bei den römischen Stellen um eine Ausnahmeregelung anzufragen. Der Landeshauptmann rechnet “in den nächsten Wochen” mit dem definitiven Ok aus Rom.


Wie es nun weiter geht

Dass die Geburtshilfe in Sterzing “erst” am 31. Oktober geschlossen wird, ist laut Arno Kompatscher dem großen Einsatz der dortigen Zuständigen zu verdanken. Es sei gelungen, durch die Mithilfe vieler, die Dienste für die kommenden drei Monate abzudecken. Diese Zeit wolle man nun nutzen, um sich gemeinsam mit den Zuständigen im Krankenhaus Brixen auf das Danach vorzubereiten. Doch auch in Brixen selbst ist die Personalsituation alles andere als rosig. “Einstweilen wird es weiterhin Einschränkungen bei anderen Diensten geben”, kündigt der Landeshauptmann an. Die bis zum Stichtag 31. Oktober in Sterzing programmierten Geburten können jedenfalls wie vorgesehen auch dort erfolgen. Danach wird es heißen: zur Geburt ab nach Brixen. Zumindest für die Schwangeren vor Ort – 153 Frauen aus dem Wipptal brachten 2015 ihr Kind in Sterzing zur Welt, die restlichen rund 350 stammten von außerhalb des Bezirks.

Doch auch nach dem letzten Oktobertag werden sich werdende und frisch gebackene Mütter nicht vor komplett verschlossenen Türen wiederfinden. Wie in Innichen soll auch in Sterzing die Betreuung der Mütter vor und nach der Geburt weiterhin garantiert und, sofern möglich, im Sinne einer wohnortnahen Versorgung verbessert werden. Zwangsversetzungen nach Brixen wird es keine geben, auch weil zahlreiches Personal weiterhin in Sterzing gebraucht wird. Denn das Aus für die Geburtenstation bedeute keineswegs das Aus für die gesamte Struktur, bekräftigt Arno Kompatscher: “Die Zukunft des Krankenhauses Sterzing wird durch die ausgebaute Orthopädie, die Neuroreha mit mehr Betten und eine umfassende Betreuung rund um die Geburt garantiert. Wir schaffen ja nicht die Gynäkologie ab, sondern schließen nur einen Teilbereich davon.” Ein Trost dürften die Worte des Landeshauptmannes für jene, die seit Wochen und Monaten für den Fortbestand der Sterzinger Geburtenstation kämpfen, wohl kaum sein. Auch wenn sich Kompatscher überzeugt zeigt, dass es früher oder später gelingen werde, “zu Sachlichkeit zurückzukehren” und die Entscheidung verstanden würde, wird sich spätestens in zwei Tagen zeigen, wie heftig die unmittelbare Empörung der Bevölkerung ausfällt. Dann geht Sterzing nämlich auf die Straße um gegen die “Politik des Aushungers” – einem Argument, dem der Landeshauptmann nichts abgewinnen kann (“Es werden am Ende mehr Arbeitsplätze und nicht weniger sein” und “Die Peripherie geht gestärkt aus der Gesundheitsreform hervor”) – und für den Erhalt Geburtenstation zu protestieren. Zu spät, wie es scheint.

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Salto User
Günther Alois … Mi., 13.07.2016 - 06:21

Die Mammutgehälter und Privilegien der Politiker im Landtag sind gesichert!!!! Die Krankenhäuser in der Periferie auch????? In welchem Land Südtirol leben wir zur Zeit? Die Millionen für den Flughafenunsinn sind WEG!

Mi., 13.07.2016 - 06:21 Permalink