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Das BBT-Versprechen

Wird der Transitverkehr über den Brenner nicht massiv auf die Schiene verlagert, macht der BBT keinen Sinn, sagt der österreichische Rechnungshof. Ist das zu schaffen?
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Foto: salto

Fritz Gurgiser findet wie immer klare Worte. „Sofortiger Stopp österreichischer Steuermilliarden in die BBT SE, denn unter den gegebenen Umständen wird jeder Cent und jeder Euro verfassungswidrig in das Brennerloch „verlagert“, fordert der Chef des Tiroler Transitforums. In anderen Worten: Das Transitforum werde die  österreichische Bundesregierung in dieser Woche auffordern, die Zahlungen an die BBT-Gesellschaft solange zu stoppen, „bis im Süden des Brenners all das umgesetzt wird, was längst überfällig ist“. Sprich all jene Maßnahmen, die in Tirol oder der Schweiz seit langem unternommen werden, um die Straße gegenüber der Schiene unattraktiver zu machen – vom LKW-Nachtfahrverbot bis hin zum Mauttarif, der vom Brenner bis Verona 15 Cent pro Kilometer gegenüber den rund 70 Cent auf der Strecke Kufstein-Brenner betrage.

All das mag man vom kämpferischen Transitgegner schon oft gehört haben. Interessanterweise decken sich Gurgisers Forderungen aber weitgehend mit den Kernaussagen eines vieldiskutierten aktuellen Rohberichts des österreichischen Rechnungshofes zum 10-Milliarden schweren BBT-Projekt. Denn die massiven Ausgaben von Steuergeldern sind laut dem Kontrollgremium nur dann gerechtfertigt, wenn es auf der Brennerachse zu einer ebenso massiven Verlagerung des Gütertransits von der Straße auf die Schiene kommt. Konkret spricht der Rechnungshof dabei von einer Umkehrung der aktuellen Verhältnisse von etwas mehr als einem Viertel Bahnverkehr gegenüber knapp drei Viertel Straße. Dementsprechend werden in dem 120 Seiten langen Bericht nicht nur nationale und internationale Bemühungen für eine solch „bedeutende Verlagerung des Güterverkehrsaufkommens“ verlangt.  Auch das sektorale Fahrverbot in Tirol, hierzulande bekanntlich nicht nur für Handelskammerpräsident Michl Ebener ein rotes Tuch, wird ausdrücklich lobend hervorgehen.  Denn, wie es im Rechnungshofbericht heißt: Gelingt die Verlagerung nicht, wird der 55 Kilometer lange Tunnel zwischen Tirol und Südtirol seinen zehn Milliarden Euro teuren Zweck nicht erfüllen.

Applaus von Umweltschützern - und der BBT SE

Applaus für solche Ansagen kommt vom Dachverband für Natur- und Umweltschutz. Dort interpretiert man den Rechnungshofbericht als Bestätigung der Forderungen aller BBT-kritischen Akteure im Land.  „Wir brauchen endlich verbindliche Maßnahme, um bereits jetzt den Umweg-Verkehr über den Brenner wirksam zu reduzieren sowie eine gesetzlich verankerte Verlagerung von der Straße auf die Schiene für den verbliebenen Schwerverkehr zu erreichen“, schreibt der Dachverband in einer Aussendung. Darin wird Landeshauptmann Arno Kompatscher aufgefordert, die „Rüge des Rechnungshofes“ auch bei seinem Brüssel-Aufenthalt in dieser Woche aufzugreifen, um „endlich verbindliche Zusagen aus Brüssel zur Zwangsverlagerung von der Straße auf die Schiene zu erreichen.“

Beifall für die Kernaussagen des Rechnungshofsberichts kommt aber auch von der BBT SE selbst.“Wir stimmen damit vollkommen überein“, sagt Martin Ausserdorfer, Direktor der Beobachtungsstelle zum Bau des BBT, „die darin genannten Ziele sind auch unsere Ziele.“ Nicht nur das. Ausserdorfer gibt sich auch selbstbewusst, dass die angestrebte Verlagerung mit der Eröffnung des Tunnels gelingen wird. Und zwar allein schon aufgrund einer effizienteren und leistungsfähigeren Bahnstrecke, mit der die Schiene deutlich an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der Straße gewinnen werde. „Heute brauchen wir zwei bzw. auf Tiroler Seite drei Lokomotiven, um die engen und steilen Kurven auf der Strecke zu bewältigen, morgen wird eine Lokomotive das Doppelte an Gewicht transportieren können“, sagt Ausserdorfer. Heute betrage die Fahrzeit zwischen Franzensfeste und Innsbruck rund 1 Stunde 45 Minuten. Morgen würden es 35 Minuten sein.

Zusätzlich ermögliche das grenzüberschreitende Projekt laut dem Direktor der BBT-Beobachtungsstelle auch sämtliche Überbleibsel einer national ausgerichteten Bahnpolitik zu begraben, die den Verkehr über den Brenner lange  gebremst haben: ob gewerkschaftliche Sicherheitsbestimmungen, die Umstellung zwischen Gleichstrom und Wechselstrom oder einer fehlenden grenzüberschreitenden Fahrerlaubnis für Zugführer. „Allein durch die neue Infrastruktur und den Abbau solcher Zugangsbarrieren werden wir es schaffen, eine konkurrenzfähige und funktionstüchtige Verkehrsaufteilung zwischen Straße und Schiene zu erreichen“, gibt sich Ausserdorfer zuversichtlich. Ziel ist laut ihm mit der Eröffnung des Tunnels schrittweise das im EU-Weißbuch angestrebte Verhältnis von einem Drittel des Gütervekehrs auf der Straße und zwei Dritteln auf der Schiene zu erreichen.

Teure Maut, günstiger Treibstoff

Parallel dazu arbeitet man laut Martin Ausserdorfer bereits jetzt intensiv daran, die bisher fehlende Abstimmung verkehrspolitischer Maßnahmen zwischen den am Projekt beteiligten Ländern zu überwinden. „Österreich mag sich immer damit brüsten, dass es die teuerste Maut hat“, sagt er. „Doch gleichzeitig verscherbelt man dort den Treibstoff so günstig, dass sich Transportunternehmer viel Geld sparen, wenn sie nur in Österreich tanken.“ Eine Tatsache, die genauso Bremse für eine Verlagerung auf die Schiene sei wie zu günstige Mauttarife. Um parallel zum Bau des Tunnels verkehrspolitische Maßnahmen aus einer länderübergreifenden Logik heraus zu erarbeiten, wurde bereits 2007 von Ex-EU-Koordinator Karel van Miert die Brenner Corridor Plattform ins Leben gerufen, erinnert Ausserdorfer. Darin vertreten sind Bayern, Tirol, Südtirol, Trient und Verona, die drei Infrastrukturministerien und Bahngesellschaften aus Italien, Österreich und Deutschland sowie die Brenner Basistunnel Gesellschaft.

Doch auch jetzt würden bereits erste Maßnahmen zur besseren Lenkung des Güterverkehrs greifen, sagt Martin Ausserdorfer. Als eines der aktuellen Beispiele nennt er den Beschluss der Provinzen Südtirol und Trentino, die Rollende Landstraße von Wörgl bis Brenner durch einer Querfinanzierung der Region in Höhe von 7 Millionen Euro bis Trient fortzuführen. Mit der Umwandlung der A22 in eine Inhousegesellschaft werden laut dem BBT-Beobachtungsstelle-Direktor wiederum erstmals die juridischen Voraussetzungen geschaffen, um künftig die Maut sowie Geschwindigkeitsbeschränkungen autonomer regulieren zu können.

Selbst in Sachen Zulaufstrecken hat Martin Ausserdorfer nur Positives zu berichten: Die Finanzierung in Höhe von 1,5 Milliarden Euro für die Strecke Franzensfeste-Waidbruck stehe seit August; in Kürze werde das Projekt, das in einem Planungsdialog mit den betroffenen Gemeinden erarbeitet wurde, dem Ministerium zur Genehmigung übermittelt. „Im kommenden Jahr werden wir die Arbeiten ausschreiben können“, sagt er. Das Fertigstellungsziel 2026 ist deshalb laut Ausserdorfer genauso realistisch wie die damit verbunden Verkehrsverlagerung auf die Schiene. Ein großes Versprechen – das nun auch eingelöst werden muss.