Wirtschaft | Pensplan

Teurer Veneziano

Die unglaubliche Geschichte eines Bürokomplexes in Venedig: Private Unternehmer verdienen Millionen, während hunderte Pensplan-Anleger viel Geld verloren haben.
palazzo.jpg
Foto: Google Street View
Der Bürokomplex steht im venezianischen Viertel „Dorsoduro“, ganz in der Nähe der Universität „Ca Foscari“. Es ist nicht weit zum Hauptbahnhof und zum zentralen Anlegeplatz der Stadt, dem Piazzale Roma.
Direkt am Kanal mit dem malerischen Namen „Rio Nuovo“ steht ein Bürohaus, das mit Südtirol mehr zu tun hat, als vielen lieb ist. Denn das Haus erzählt eine Geschichte, die deutlich macht, wie man in Südtirol Millionen-Gewinne privatisiert und noch größere Verluste sozialisiert.
Das Haus hat in den vergangenen dreizehn Jahren rund ein halbes Dutzend Mal seinen Besitzer gewechselt. Das letzte Mal im Mai 2016.
Der Fonds „Risparmio Immobiliare Uno Energia“ der Pensplan Invest SRG hat den Komplex im März 2007 um 37,7 Millionen Euro angekauft. Jetzt wurde das Haus von der Pensplan wieder verkauft. Um über 12 Millionen Euro weniger.
Dieser Millionenverlust ist aber nur der bisher letzte Schwanzschlag eines Südtiroler Immobilien-Skandals, der bis heute nicht gänzlich aufgeklärt wurde.
 

Der Sparim-Deal

 
Der italienische Energiegigant ENEL beschließt um die Jahrtausendwende einen großen Teil seines Immobilienvermögens zu veräußern. Zusammen mit der Deutschen Bank gründet die ENEL ein Unternehmen, das den Verkauf der Immobilien durchführen soll: die Immobiliare Rio Nuovo Spa. Das Unternehmen hat nicht nur den Namen von dem Kanal in Venedig, sondern anfänglich auch seinen Sitz in dem Bürokomplex in Dorsoduro 3488/U.
Die Rio Nuovo beginnt 2003 mit dem Verkauf des Immobilienpaketes. Im Spätsommer 2003 kommt es dabei zu ersten Kontakten mit dem Trentiner Wirtschaftsberater Marco Cozzio und dem Latscher Immobilienunternehmer Peter Paul Pohl.
Das Duo Pohl-Cozzio will um 81 Millionen Euro neun ehemalige ENEL-Immobilien kaufen. Am 17. November 2003 hinterlegt die Ca’ Sagredo Srl, ein Unternehmen das Pohl und Cozzio gehört, ein bindendes schriftliches Kaufangebot für den Erwerb der Liegenschaften.
Pohl und Cozzio planen von Anfang an aber nur als Zwischenhändler zu fungieren. Deshalb kaufen sie die Immobilien offiziell auch erst Mitte Februar 2004. Zu diesem Zeitpunkt haben sie längst einen Abnehmer für die Immobilien gefunden: die Immobilientochter der Sparkasse, die Sparim AG.
Für die Ca’ Sagredo schaut beim Deal unterm Strich ein sagenhafter Gewinn heraus. Denn das Duo Pohl-Cozzio kauft die acht Immobilien im Februar 2004 von der Rio Nuovo um insgesamt 77,5 Millionen Euro. Verkauft sie im April 2004 dann aber um 95,5 Millionen Euro an die Sparim weiter. Das macht innerhalb von 70 Tagen einen Gewinn von 18 Millionen Euro für Pohl & Cozzio.
 
 

Palazzo in Venedig

 
Unter diesen Immobilien, die die Sparim ankauft, findet sich auch der Bürokomplex in Venedig. Die Immobilie ist das eindeutig größte und wertvollste Bürogebäude des gesamten Portefeuille. Die Sparim kauft das Haus Ende April 2004 um 29.472.491 Euro an.
Doch die Sparkasse hat kein Glück mit ihren Immobilien. Denn diese ENEL-Immobilien können am Ende nicht wie geplant in den Dolomiti-Fonds eingebracht werden. Die Banca d'Italia verlangt wenig später, dass die Sparim diese Immobilien verkauft. Die Vorgabe der Bankenaufsicht: Banken sollen nicht Immobiliengeschäfte machen und sich von all jenen Gebäuden trennen, die nicht für ihre unmittelbare Geschäftsabwicklung benötigt werden.
Man findet schließlich auch einen Käufer. Es ist ausgerechnet jener, der zwei Jahre vorher die Immobilien mit einem Riesengewinn an die Sparkasse veräußert hat: Das Unternehmerduo Pohl-Cozzi.
Am 21. Dezember 2006 wird in Bozen der Kaufvertrag für drei Immobilien unterschrieben. Die die Ca’ Sagredo Real Estate, ein weiteres Pohl-Cozzio-Unternehmen kauft sozusagen drei Bürokomplexe in Pisa, Varese und Venedig von der Sparim zurück. Für den Bürokomplex in Venedig zahlen die Käufer 31.558.000 Euro.
Damit hat die Sparim unter dem Strich einen Gewinn von fast 2 Millionen Euro gemacht.
Aber auch die privaten Unternehmen verdienen am Weiterverkauf viel Geld.
 

Der Pensplan-Fonds

 
Nicht nur die Sparkasse plant 2005 einen geschlossen Immobilienfonds aufzulegen. Auch die Pensplan AG will über ihre Fondsverwaltungsgesellschaft Pensplan Invest SRG einen solchen Immobilienfonds gründen. Am 29. September 2005 gibt der Verwaltungsrat der Pensplan Invest grünes Licht. Der Fonds wird am Ende Risparmio Immobiliare Uno Energia heißen.
Bereits am 14. Oktober 2005 schließt der damalige Pensplan-Direktor Michael Atzwanger mit den Promotoren des Projekts einen „Letter of Intent“ ab. Die Promotoren sind neben Peter Paul Pohl und Marco Cozzio auch die beiden Bozner Finanzdienstleister Hansjörg Augschöll und Roberto Zanin. Augschöll und Zanin sind die Gesellschafter der Laurin Capital Management Spa (LCM), die exklusiv den Verkauf der Quoten des Fonds an die privaten Anleger übernehmen soll.
Peter Paul Pohl und Marco Cozzio hingegen verpflichten sich in diesem Vertrag, dem Fonds Immobilien zuzuführen. Es sind jene Immobilien aus dem ENEL-Deal, die man zuerst der Sparim verkauft und jetzt in Richtung Pensplan schiebt. Ermittlungen der Finanzwache werden später ergeben, dass die beiden Unternehmer und ihre Familienangehörigen durch die Zwischenschaltung des Fonds „Whitestone“ und einiger Briefkastenfirmen in der portugiesischen Steueroase Madeira zusätzlich mehrere Millionen Euro bei diesem Weiterverkauf verdeckt verdienen.
 
 

Wundersame Vermehrung

 
Am Bürokomplex in Venedig lässt sich aber exemplarisch nachzeichnen, wie dieses System der wundersamen Geldvermehrung funktioniert hat.
Anfang 2007 beschließt der Fonds Uno Immobiliare Energia jene drei Immobilien anzukaufen, die die Sparim über Peter Paul Pohl und Marco Cozzio wieder verkaufen wollen. Darunter das Haus in Venedig. Dabei passt es gut, dass Pohl und Cozzio bis heute im technischen Anlagekomitee des Uno-Energia-Fonds sitzen.
Auf Vorschlag der Laurin Capital Management Spa beauftragt man einen externen Experten mit der Schätzung der Immobilien. Es ist die Stima Srl des Ingenieurs Norberto Marcassoli aus Padua. Marcassoli schätzt am 14. März 2007 den Wert des Bürokomplexes in Venedig auf 36.840.000 Euro.
 

Der Fonds Immobiliare Uno kauft das Haus am 30. März schließlich um 37.736.882 Euro an.
Die Finanzpolizei ermittelt später detailliert, wie es zu dieser Bewertung gekommen ist. Der „unabhängige Gutachter“ ist ein Geschäftspartner derjenigen, die die Quoten des Fonds verkaufen. Norberto Marcassoli und LCM-Gesellschafter Roberto Zanin sind auch gemeinsam Gesellschafter und Verwaltungsräte der Bozner Finmark Srl. Die Stima liefert in Wirklichkeit eine Gefälligkeitsschätzung ab. Marcassoli überschätzt alle Immobilien um 16,9 Prozent. Das bringt der CA Sagredo am Ende einen Gewinn von rund 5 Millionen Euro. Aber auch die Laurin Capital Management verdient. Sie kassiert höhere Provisionen.
Und die Rechnung dafür zahlen die Anleger.
 

Die Abwertung

 
Ende August 2015 kommt für die Anleger des Uno Energia eine Horrormeldung heraus: Der Fonds verliert 40 Prozent seines Wertes.
Der Immobilienfonds hat allein im ersten Halbjahr 2015 über 21 Millionen Euro Verlust gemacht. Hauptgrund für die Talfahrt ist die Abwertung der zehn Immobilien des Fonds um insgesamt 21,7 Millionen Euro.
Hatte der Immobilienfonds Ende 2014 noch einen Gesamtwert von 49,865 Millionen Euro, so ist der Wert ein halbes Jahr später auf 29,476 Millionen Euro gesunken. Die an der italienischen Börse notierten Quoten des Fonds rutschen damit von 6.233,163 Euro auf 3.684,502 Euro ab. Das ist ein Wertverlust von 40,89 Prozent in sechs Monaten.
Die Abwertung ist die direkte Folge der Machenschaften bei der Gründung und der Einbringung der Immobilien in den Fonds. Dass Norberto Marcalossi und seine Stima Srl die Immobilien bei der Einbringung bewusst überschätzt haben, fällt lange nicht auf. Der Grund dafür ist einfach: Bis 2011 macht die Stima für den Fonds die halbjährlichen Schätzungen des Immobilienvermögens. Damit ist auch gesichert, dass diese bestellte Bewertung nicht auffällt.
So läuft der Uno Energia bis 2011 auch gut. Der Wert der Quoten steigt, der Fonds macht Gewinne und zahlt seinen Eignern sogar Dividenden aus. Dann aber ändert sich der Trend. Von 2011 bis 2015 geht es steil es bergab.
Einer der Gründe ist, dass jenes Unternehmen ausgewechselt wird, das die gesetzlich vorgeschriebenen halbjährlichen Schätzungen des Immobilienvermögens durchführt. Norberto Marcalossi und seine Stima schätzen das Immobilienvermögen Ende 2011 das letzte Mal. Heraus kommt ein Wert von 176.295.000 Euro. Ein halbes Jahr später kommt der neue Schätzer, die Mailänder Patrigest Spa, schon auf 7 Millionen weniger.
Als 2014 der Pensplan-Verwaltungsrat erneuert wird und auch im Verwaltungsrat der Pensplan Invest die Weichen neu gestellt werden, wechselt man im Frühjahr 2015 erneut den unabhängigen Schätzer für den Uno Energia. Die K2Real Spa kommt zum Schluss, dass das Immobilienvermögen des Fonds zum 30. Juni 2015 nur mehr einen Wert von 136.900.000 Euro hat.
Damit haben die Immobilien des Uno Energia in acht Jahren über 45 Millionen Euro an Wert verloren und die Eigner der Quoten viel Geld. Die privaten Anleger habe die Quoten um 10.000 Euro gekauft. Ende 2015 sind sie aber nur mehr 3.511,490 Euro Wert.
 

12 Millionen Verlust

 
Die Neubewertung setzt aber auch den wahren Wert der Immobilien fest. Im Juli 2008 schätzt Norberto Marcassoli den Marktwert des Bürokomplexes in Venedig noch mit 38,750 Millionen Euro. Die neuen Schätzer geben ab 2011 nur mehr eine Bewertung des gesamten Immobilienportefeuilles an und keine Werte für die einzelnen Immobilien mehr.
Doch spätestens 2016 wird klar, wievielt der Palazzo am Rio Nuovo wirklich Wert ist. Denn die Pensplan Invest -Führung beschließt den Bürokomplex zu veräußern. Am 3. Mai 2016 wird das Haus an die Doge Srl verkauft, einer Tochter der französischen AXA-Gruppe. Der Preis: 25 Millionen Euro.

"Im März 2007 kauft die Pensplan Invest den Bürokomplex um 37,7 Millionen Euro: Im Mai 2016 verkauft sie ihn um 25 Millionen." 
Das heißt, dass das Haus von Beginn an um rund ein Drittel mehr gekostet hat, was es eigentlich Wert ist. Allein mit diesem Bürokomplex hat der Immobilienfonds rund 12 Millionen Euro verloren.
Dass der Verkauf in Venedig für die privaten Anleger durchaus von Vorteil ist, zeigt die Geschäftsentwicklung des Immobiliare Energia Uno. Die Fonds hat im ersten Halbjahr 2016 wieder einen Gewinn von 1.340.207 Euro geschrieben. Die Quoten der privaten Anleger sind damit um rund 180 Euro gestiegen. Auf den Wert von 3.679,02 Euro.
Die Architekten des ursprünglichen Deals, Peter Paul Pohl und Marco Cozzio haben im technischen Anlagekomitee aber gegen diesen Verkauf gestimmt. Und Cozzio hat den Pensplan-Verantwortlichen sogar eine anwaltschaftliche Abmahnung (diffida) zukommen lassen. Der Vorwurf: Man hätte zu billig verkauft.
Wenn man weiß, dass die beiden Unternehmer mit diesen unorthodoxen Immobiliengeschäften in den vergangenen zehn Jahren – laut Ermittlungsbericht der Bozner Staatsanwaltschaft – mehr als 40 Millionen Euro verdient haben, dann ist diese Gangart mehr als starkes Stück.
Manch einer hat eben nie genug.