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Aktion Siegfried

Der Bauernbund hat Arnold Schuler im Landtag öffentlich vorgeführt. Es ist eine bewusste Demontage, an deren Ende SBB-Direktor Siegfried Rinner Landesrat werden soll.
Siegfried-Rinner
Foto: SWR

Für Arnold Schuler war es “fast wie ein Ritterschlag”, als er vor knapp drei Jahren im Kabinett Kompatscher I zum Landwirtschaftslandesrat ernannt wurde. “Für mich als Bauer war das überwältigende Wahlergebnis eine tolle Bestätigung”, gestand Schuler nach seinem Amtsantritt im Jänner 2014. Und weiter: “Ich werde versuchen, die Erwartungen an mich so weit möglich zu erfüllen.” Bauer mag er wohl sein, der 54-jährige Plauser. Doch längst nicht alle heimischen Vertreter der Landwirtschaft können mit ihm – innerhalb der SVP, aber auch darüber hinaus. Und so werden bereits jetzt, zwei Jahre vor den nächsten Wahlen zum Südtiroler Landtag, Pläne geschmiedet, um eine zweite Amtszeit Schulers zu verhindern. An seine Stelle soll niemand geringerer als der derzeitige Bauernbund-Direktor Siegfried Rinner gehievt werden. Eine erste politische Tauglichkeitsprobe für den 46-jährigen studierten Agronom fand am Dienstag dieser Woche statt.

Der letzte Akt einer langen Reihe von Versuchen, Arnold Schuler zwei Jahre vor den Wahlen zu demontieren.

Selten waren die Zuschauerränge im Südtiroler Landtag so gut gefüllt wie an diesem 8. November. War es doch der mächtige Südtiroler Bauernbund (SBB) gewesen, der seine Mitglieder über die hauseigene Zeitschrift “Der Südtiroler Landwirt” eingeladen hatte, an der Landtagssitzung am Dienstag Nachmittag teilzunehmen. Immerhin ging es um ein Thema, das viele SBB-Mitglieder unmittelbar betrifft: “Die Lage des Bergbauernwesens in Südtirol und die Maßnahmen zur Verbesserung derselben”. Die SVP-Bauernvertreter Sepp Noggler, Maria Hochgruber Kuenzer und Albert Wurzer hatten die Debatte im Rahmen der Haushaltsdebatte 2015 beantragt. Die Anhörung sollte jedoch nicht einzig der inhaltlichen Diskussion zum Maßnahmenpaket, das Arnold Schuler für den Erhalt und Schutz der rund 10.000 Bergbauerbetrieben geschnürt hat, dienen. Sondern gleichzeitig als Bewährungsprobe für den Landwirtschaftslandesrat.

Neuer Stil, neue Verstimmung

Seit Anbeginn seiner politischen Laufbahn hatte es Arnold Schuler beim Südtiroler Bauernbund nie leicht gehabt. Lange war der Bauernstand mit Luis Durnwalder im höchsten politischen Amt des Landes bestens vertreten gewesen. Als ehemaliger SBB-Direktor und Agrarlandesrat unter Silvius Magnagno hatte sich Durnwalder in seiner Regentschaft stets als verlässlicher und großzügiger Ansprechpartner für die Bauern erwiesen. Mit Arno Kompatscher hielt dann ein neuer Wind im Palais Widmann Einzug – und jemand, der bereit war, “heilige Kühe zu schlachten”.

Plötzlich ist die Landwirtschaftspolitik kein Wunschkonzert des mächtigen Bauernbundes mehr.

Die bäuerlichen Attacken in Richtung neuer Landesregierung ließen nicht lange auf sich warten. Im Zuge der Malser Pestizid-Debatte musste sich Arnold Schuler den Vorwurf gefallen lassen, das Referendum samt wohlbekanntem Ausgang nicht verhindert zu haben. Und das Beinahe-Debakel um die EU-Beiträge für die heimische Landwirtschaft im heurigen Frühjahr ist noch gut in Erinnerung. Die politische Verantwortung für die Probleme bei den Auszahlungen der EU-Fördergelder sah man im Bauernbund auch bei Arnold Schuler und forderte – nicht zum ersten Mal – den Landesrat auf, sich in Rom stärker einzusetzen. “Wir werden Schuler an den Fakten messen”, brachte es SBB-Direktor Rinner damals auf den Punkt.

Scharfe Worte, scharfer Blick

Vielen im Saal blieb nicht verborgen, dass an dem Bild am Dienstag Nachmittag etwas nicht stimmte. “Dass SVP-Mandatare ihren eigenen Landesrat zur Debatte zitieren, ist sonderbar”, wunderte sich der Freiheitliche Pius Leinter. Wie ein Schuljunge auf der Prüfbank wirkte Arnold Schuler, als Sepp Noggler zu seiner Auftaktrede ansetzte. Und dabei einen ungewohnt scharfen Ton anschlug – wohl auch, um den rund hundert Bauern auf der Tribüne, die der SBB zu mobilisieren geschafft hatte, zu zeigen, wer sich hier und heute wirklich für ihre Interessen einsetzt. “So wenig wie noch nie” sei im aktuellen Haushalt für die Landwirtschaft vorgesehen, kritisierte Noggler in Richtung Schuler, und: “Ich fordere ganz klare, umsetzbare Antworten vom Landesrat.” Harte Worte für jemanden, der lange Zeit als politischer Zwilling und guter Freund von Arnold Schuler galt.

Einer, der das Manöver durchschaut zu haben glaubte, ist Hans Heiss. Wenn Schuler einerseits mit dem Aktionsplan nun Reformwillen an den Tag lege und den wenig privilegierten Bergbauern tatkräftig unter die Arme greifen wolle, dann auch, um sich nach seinen Startschwierigkeiten als Landesrat zu revanchieren, meinte der Grüne am Dienstag. Andererseits ist es mit gutem Willen allein meist nicht getan – vor allem wenn man mit Noggler, Hochgruber Kuenzer und Wurzer gleich drei Bauernvertreter aus der eigenen Partei im Nacken sitzen hat, die, so Heiss, einen “sorgsam choachen und eskortieren und mit Nachdruck ihren Anteil am Reformwillen einfordern – stets unter der Frage: Wer in der SVP kann sich bei den Bauern am besten einschmeicheln?”.

Landesrat Rinner?

Sich bei den Bauern einzuschmeicheln, das hat Siegfried Rinner, der gemeinsam mit SBB-Obmann Leo Tiefenthaler am Dienstag unter den Zuschauern weilte, wohl nicht nötig. Als Direktor ihres größten Interessenvertreters weiß Rinner um die Sorgen, Nöte, Wünsche und Forderungen der heimischen Landwirte bestens Bescheid. 2001 wechselte Rinner von der Landesverwaltung als Direktionsassistent in den Bauernbund. Bis ihn Landwirtschaftslandesrat Hans Berger 2004 zu seinem persönlichen Referenten ernannte. Doch schon nach 24 Monaten kehrte Rinner wieder in den Bauernbund zurück, wo er seit inzwischen zehn Jahren die Stelle des Direktors innehat. Als solcher tritt er immer wieder fordernd gegenüber der Landespolitik auf. Kein Wunder, dass ihn viele aus dem Bauernstand gerne etwas näher am politischen Machtherd sehen würden.

Rinner war bereits bei den Landtagswahlen 2013 ernsthaft als Landtagskandidat im Gespräch. Vor allem aus familiären Gründen steckte der Bauernbund-Direktor am Ende aber zurück, jetzt aber dürfte Rinners Zeit gekommen sein. Denn mit Arnold Schuler wurde zum ersten Mal auch ein Konstante in der Südtiroler Gesellschaft durchbrochen. Plötzlich ist die Landwirtschaftspolitik kein Wunschkonzert des mächtigen Bauernbundes mehr. Die Versuche, alles zu tun, um Arnold Schuler möglichst schlecht aussehen zu lassen, sind seit Langem im Gange. Die Vorführung am Dienstag war nur der letzte Akt. Der amtierende Landwirtschaftslandesrat macht es seinen Gegnern dabei aber auch nicht allzu schwer. Denn Schuler hat bisher im Amt nicht gerade brilliert. So könnte 2018 genau der richtige Moment für Siegfried Rinner gekommen sein, um den Unmut der Bauernbasis zu nutzen und Schulers Platz einzunehmen. Mit Richard Theiner wird der Vinschger Vertreter die Landesregierung verlassen. Und Rinner, der inzwischen zwar in Kaltern lebt und dort für die SVP im Gemeinderat sitzt, stammt ursprünglich aus dem Vinschgau. Dass sich Schulers einstiger Polit-Zwilling Sepp Noggler am Dienstag so engagiert beteiligt hat, lässt darauf schließen, dass man bezirksintern bereits eine Seilschaft geknüpft hat.

Gegen eine Kandidatur Rinners spricht eigentlich nur die finanzielle Seite: Denn als SBB-Direktor verdient er mehr als ein Landtagsabgeordneter. Und unter dem Strich auch mehr als ein Landesrat. Doch Siegfried Rinner dürfte zu ehrgeizig sein, um sich davon abzuhalten lassen. Immerhin gibt es in jüngster Zeit zwei seiner Vorgänger, die diesen Sprung mehr als erfolgreich gemacht haben: Thomas Widmann und Luis Durnwalder schafften es vom SBB-Direktor zum Landesrat beziehungsweise Landeshauptmann. Die Demontage Arnold Schulers hat deshalb zwei Jahr vor der Wahl bereits begonnen.