Viva il Venexit
Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung, Zweisprachigkeitsnachweis, Unterricht der Muttersprache oder Toponomastik – was sich nach vertrautem Südtirolerisch anhört, ist Inhalt eines umstrittenen Gesetzesvorschlags, der in dieser Woche im Regionalrat des Veneto mit den Stimmen von Mitte-Rechts und der Lega Nord gutgeheißen wurde. Demnach soll der Staat für den venetischen Dialekt die Rahmenvereinbarung des Europarates zum Schutz sprachlicher Minderheiten anwenden und die Veneter als sprachliche Minderheit anerkennen. "Venexit" ist das schöne Wortspiel, das italienische Medien angesichts des wiederholten sezessionistischen Streichs der von Präsident Luca Zaia regierten Region gefunden haben. „Ein wichtiger Schritt, um unsere Forderungen nach einer Sonderautonomie durchzusetzen“, ordnet dagegen der Fraktionssprecher der Lega Nord im Regionalrat des Veneto Riccardo Barbisan den politischen Vorstoß ein. Und: „Jetzt wollen wir die selben Rechte und finanziellen Zuwendungen wie Südtirol und das Trentino.“
Ein auch unter Sprachwissenschaftlern nicht unumstrittenes Vorhaben. Denn viele Wissenschaftler wie auch die politische Opposition bezeichnen den Versuch, eine eigene Sprache für die Region zu erfinden, angesichts von Dutzenden unterschiedlicher Dialekte in den einzelnen Provinzen und Gemeinden als schlichtweg lächerlich. Auch von vielen Juristen wird das Gesetzesdekret als „eindeutig verfassungswidrig“ eingestuft. Doch solange der Verfassungsgerichtshof darüber nicht geurteilt hat, können die Gemeinden in der Region fortan den Gebrauch der „lingua veneta“ vorschreiben. In Pflichtschulen muss Dialektkunde als Zweitsprache angeboten werden und öffentliche Angestellte müssen in einem "patente di veneticità" ihre Venetisch-Kenntnisse beweisen, um eine öffentliche Stelle zu erhalten – wie auch immer die Regeln der vermeintliche Sprache dabei definiert werden.
Ein Albtraum für den Partito Democratico, der im von Mitte-Rechts regierten Veneto auf der Oppositionsbank sitzt: Eine Demütigung für alle veneti, die keineswegs eine Minderheit, sondern die fleißige Mehrheit des Landes sind, hieß es von Seiten des PD. Dem „Los von Rom“-Kurs der politischen Mehrheit kann die Partei allerdings wenig entgegensetzen: Bereits im kommenden Frühjahr kommt das nächste Referendum, mit dem eine Sonderautonomie für die Region gefordert wird.
Nun, mehr Regionalismus statt
Nun, mehr Regionalismus statt Zentralismus kann nie schaden. Irritierend nur, dass Mitte-Rechts neuerlich gegen den starken Staat ist und Mitte-Links umgekehrt.