Kultur | Salto Weekend

Vom Suchen und Finden des Nutzens

Thematisch soll es im 10. Landesmuseum, in der Festung Franzensfeste, um Grenzen und Begegnung gehen, um Autonomie und die Festung selbst.
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Foto: Salto.bz

Die Top 10 der Südtiroler Landemuseen sind komplett. Zum Archäologiemuseum, Bergbaumuseum, Museum Ladin, Naturmuseum Südtirol, Jagd- und Fischereimuseum, Schloss Tirol - Südtiroler Landesmuseum für Kultur- und Landesgeschichte, Touriseum, Volkskundemuseum, Weinmuseum gesellt sich Landesmuseum Nummer 10, die Festung Franzensfeste. Was das neue Landesmuseum zeigen wird, darüber ist man sich einig: Im Moment dienen allerdings noch sehr vage Schlagworte als Platzhalter, in einem weitgehend offen gehaltenen Konzept. Da ist noch viel Luft nach oben.

Das 10. Landesmuseum wurde zwischen 1833 und 1838 nach Plänen des Heeresingenieurs Franz von Scholl errichtet. 6.200 Mann bauten an der mächtigen Konstruktion, auf einer Gesamtfläche eines Quadratkilometers. Im Habsburgerreich glaube man, hier wäre der geeignete Platz, die Achse zwischen den mediterranen Ländern und Mitteleuropa zu unterbrechen, um die wichtige Verkehrsverbindung durch das Eisacktal über den Brenner zu sichern. Doch der feste Glaube an die Verortung der riesigen Festung war am Ende ein Trugschluss. Für viele Dorfbewohner blieb sie über Jahrzehnte ein im Dornröschenschlaf ruhendes Denkmal mit vielen Fragezeichen?
Das ungenutzte Ungetüm, der gigantische Militärbau, wird seit über einem Jahrzehnt zeitgenössisch bespielt, auch poetisch verstanden, wie etwa vom Schriftsteller Siegfried Nitz, der in der Gemeinde Franzensfeste aufgewachsen ist.

Die Festung, die wie ein dunkles furchterregendes Gemäuer, uns sozusagen eine Trennlinie darstellte, zwischen dem Norden und dem Süden, zwischen dem oberen Eisacktal und dem Unteren Eisacktal. Es war immer wichtig möglichst schnell durch diesen Durchgang zu kommen, der unter der Burg durchführte. Und dann öffnete sich das Tal und es wurde weit und es wurde hell.

Manifesta und Landesschau
Mit der Manifesta, der europäischen Biennale für zeitgenössische Kunst, bespielte die Direktorin Hedwig Fejn im Jahr 2008 das Bauwerk mit zeitgenössischer Kunst in größerem Rahmen. Ein Jahr später folgte die Landesausstellung und 2011 nutzte eine Gruppe lokaler Künstlerinnen und Künstler der Plattform 50x50x50 Art Südtirol einen Teil der Festung in Eigeninitiative.
Gutes und Widersprüchliches passierte, viel Geld floss in Erhaltung, in die gelungene Neugestaltung der Festung, vor allem in die architektonische Aufwertung durch den Architekten Markus Scherer. 
Vor einigen Jahren sickerte noch die Idee eine Migranten-Museums durch, also ein Ein- und Auswanderermuseum, wie es in Bremerhaven in Deutschland bereits realisiert wurde. Warum nun doch kein Flüchtlingsmuseum? Ist die Thematik zu aktuell? Zu sperrig? Die Landesmuseenmacher rudern zurück, setzen auf hausgemachte Themen wie Grenze und Autonomie, Themen, die Südtirol interessiert, mit familienfreundlicher Picknick-Wiese in einer Festung, die bekanntlich klimatisch nicht besonders günstig liegt.

Labyrinth Freiheit
Das Land Südtirol, seit 2013 Eigentümer der Festung, möchte das Potential der Festung ganz auszuschöpfen. Die bestehenden Dauerausstellungen zur Geschichte der Festung und ihrem Umfeld, der BBT-Infopoint und die Ausstellung über die Bunker in Südtirol, sollen um neue Inhalte ergänzt werden. Landeshauptmann Arno Kompatscher, Museumslandesrat Florian Mussner, Kulturlandesrat Philipp Achammer, die Direktorin des Betriebes Landesmuseen Karin Dalla Torre sowie der Direktor des Ressorts Öffentliche Bauten und Italienische Kultur Paolo Montagner haben sich am Freitag zusammengefunden, um die Idee des neuen Landesmuseums vorweihnachtlich und vorsichtig vorzustellen: Die Franzensfeste als zukünftiger Ort des Friedens, wo Südtirol als Grenz- und Durchzugsland gezeigt wird, als Ort der Begegnung, wo Verbindendes und Trennendes dargestellt wird, als Kraftplatz, der Bewusstseinsbildung in Bezug auf Autonomie und Zeitgeschichte aufzeigt.
Es ist noch zu früh, um über Beträge zu sprechen, wir müssen erst den Ideenwettbewerb auswerten“ war am Ende der Grundtenor. Aus dem europaweiten Wettbewerb 2017 soll dann die bereits gegründete Arbeitsgruppe Ideen erhalten, wie die Themen (Grenzen, Autonomie, Festung) am besten transportiert werden können. Die Ergebnisse werden 2018 in der Festung ausgestellt und von der Arbeitsgruppe ins Konzept eingearbeitet. Das klingt alles noch sehr bürokratisch. Die guten Ideen werden schon noch kommen.

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Sylvia Rier So., 11.12.2016 - 09:11

Schade um das angedachte "Auswanderermuseum". Migration ist doch eines der großen gesellschaftlichen Themen, überhaupt, und zur Zeit sowieso. Überdies ist es doch nun wirklich nicht so, dass (gerade!) Südtirol keinen besonderen, ureigenen Bezug zu diesem Thema hätte. Andererseits könnte die Thematik vielleicht unter dem Titel "Grenzen" angemessen Platz finden, im Sinne von "Südtirol als Ort der Begegnung" (hm). Groß genug wäre die Festung ja.

So., 11.12.2016 - 09:11 Permalink
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Karl Gudauner So., 11.12.2016 - 10:44

Autonomie, Grenzüberschreitung, Migration im Kontext von Begegnung, Austausch und der dadurch möglichen Bereicherung scheinen mir sehr passende Themen für einen Ort, der nicht auf traditionelle museale Aufgaben beschränkt, sondern als aktive Plattform und Impulsgeber für die Entwicklung des kulturellen Diskurses verstanden und genutzt wird. Die Trostlosigkeit der Kasernenarchitektur und die bauliche Hypertrophie machen es schwierig, diese Ziele umzusetzen. Wie soll an einem Standort, der Zeugnis einer akribisch in Stein gefassten Abschottungs- und Festungsstrategie ist, ein passender Rahmen für Dialog, Offenheit und Lernen geschaffen werden? Da wäre es wohl angebracht, entsprechende neue bauliche Akzente zu setzen, um diese Botschaft zu verdeutlichen. Vielleicht ist es sinnvoller, diesbezüglich Investitionen zu tätigen anstatt für die Nutzbarmachung der historischen Baustruktur. Diese sollte nur in einem kleinen Anteil genutzt und als Anschauungsbeispiel für Relikte vergangener Welten dem Dämmerschlaf überlassen werden, der sie seit der Errichtung charakterisiert.

So., 11.12.2016 - 10:44 Permalink