Politik | Urbanistik

Das Gutachten des Onorevole

Landesrat Richard Theiner ändert für den Gadertaler Hotelier Paul Pizzinini sogar den offiziellen Genehmigungsweg. Die Hof-Affäre wird immer skurriler.
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Foto: Salto.bz
Marina Crazzolara weiß, wie man eine ordentliche Watschen austeilt und dabei äußerst höflich bleibt. „Im Wissen um ihre Integrität ersuche ich die Mitglieder der Landesregierung ihre Überwachungs- und Kontrollfunktion einzunehmen und um eine objektive und unparteiische Behandlung des Rekurses - auch in Anbetracht der beinahe 180 verstrichenen statt der vom Landesgesetz vorgesehenen 90 Tage“, heißt es in dem Schreiben, das am Donnerstag an alle Mitglieder der Landesregierung, den Ressortdirektor im Urbanistikassessorat Florian Zerzer und an die Spitze des Südtiroler Bauernbundes ging.
Es ist die zweite Depesche, die die ladinische Stellvertreterin der SVP-Landesfrauenreferentin innerhalb weniger Wochen an die Landesregierung richtet. Anlass des Briefes ist eine Geschichte, die salto.bz vor Wochen enthüllt hat.
Es geht dabei um eine fragwürdige Errichtung einer neuen Hofstelle durch den Seniorchef des 5-Sterne-Hotels „Rosa Alpina“ Paolo Pizzinini.
Die Gemeinde Abtei hat Pizzinini im Mai 2016 eine Baugenehmigung erteilt, um eine neue Hofstelle für seinen geschlossenen Hof „Gasthaus zur Alpenrose“ zu errichten. Dabei hatte der Gadertaler Hotelier in den vergangenen fünf Jahrzehnten bereits die gesamte Wohnkubatur des Hofes zu Wohnungen und Hotelanlagen verbaut.
Jetzt – so argumentiert die Gemeinde – habe der geschlossene Hof keine Hofstelle mehr und deshalb wird Pizzinini erlaubt, ein neues Wohnhaus und ein neues Wirtschaftsgebäude zu bauen. Zudem kann er das „Aparthotel Rosa Alpina“, das ursprüngliche Wohngebäude des geschlossenen Hofes, aussiedeln. All das, obwohl unbestritten ist, dass die landwirtschaftliche Tätigkeit auf Pizzininis Hof bereits Ende der 1960er Jahre aufgegeben wurde.
 
Marina Crazzolara ist eine Nachbarin von Paolo Pizzinini. Ihr Mann Luca Crazzolara hat zusammen mit zwei weiteren Bauern, Christian Crazzolara und Vito Agreiter, sowohl beim Verwaltungsgericht wie auch bei der Landesregierung gegen den Hofneubau Rekurs eingereicht.
 

Bewusste Verzögerung

 
Am 24. November hat die Kommission für Natur, Landschaft und Raumentwicklung diesen Rekurs mit 5 zu einer Stimme angenommen. Die zwei Hauptgründe für die Entscheidung war die Tatsache, dass die Wohnkubatur eines geschlossenen Hofes nicht zweimal verbaut werden kann und Hotelier Paolo Pizzinini eindeutig kein Bauer ist.
Die Kommission hat aber nur beratende Funktion. Die Entscheidung muss die Landesregierung fällen. Laut Gesetz innerhalb von 180 Tagen. Die drei Kassianer Bauern haben den Rekurs am 4. Juli eingereicht. Das heißt mit 3. Jänner 2017 ist diese Halb-Jahres-Frist um.
Der Rekurs ist seit Wochen auf der Tagesordnung der Landesregierung mit der Empfehlung der Kommission: „Annahme“. Doch der zuständige Landesrat Richard Theiner hat die Entscheidung bisher vertagen lassen. Jetzt soll der Rekurs am letztmöglichen Termin, auf der Sitzung der Landesregierung am 3. Jänner 2017 behandelt werden.
Inzwischen ist aber auch klar, warum Theiner unbedingt warten wollte. Vergangene Woche trudelt im Land völlig überraschend ein Rechtsgutachten des Anwaltes Manfred Schullian ein.
Der Gemeindeausschuss von Abtei hat am 5. Dezember beschlossen, dass Schullian die Gemeinde nicht nur vor dem Verwaltungsgericht im Fall des geschlossenen Hofes „Alpenrose“ vertreten soll, sondern dass der SVP-Parlamentarier auch „auch ein Rechtsgutachten im Zusammenhang mit dem im Sinne des Art. 105 des Landesraumordnungsgesetzes, L.G. Nr. 13/1997 von den Herren Crazzolara Luca, Agreiter Vito und Crazzolara Christian eingebrachten Einspruch“ erstellen soll. Preis des Gesamtpakets: Über 11.000 Euro.
 
Schullian, als Anwalt Spezialist für Verwaltungsrecht und Urbanistik, hat jetzt das Gutachten abgeliefert. Der Inhalt: Die Erteilung der Baukonzession für den Neubau einer Hofstelle an Paul Pizzinini sei völlig rechtens.
 

Parteiische Sonderbehandlung

 
Landesrat Richard Theiner hat damit aber ein ernstes Problem. Die „Operation Schullian Gutachten“ verstößt eindeutig gegen das Gesetz. Zum einen ist ein solches Parteigutachten nicht vorgesehen und zum anderen widerspricht dieses Vorgehen eindeutig dem Gleichheitsgrundsatz.
Jeder betroffene Bürger kann gegen eine von der Gemeinde beschlossene Bauleitplanänderung beim Land nach Art. 105 des Landesraumordnungsgesetzes Eingaben machen. Der Einwand richtet sich nicht direkt gegen den Bauherrn, sondern gegen die Gemeinde und ihren Beschluss. Das Land ist vom Gesetz her verpflichtet, damit die Rechtmäßigkeit der Bauleitplanänderung zu überprüfen.
Zu allererst fordern die zuständigen Landesämter deshalb alle Unterlagen bei der Gemeinde an. Das ist auch im Fall des geschlossenen Hofes „Alpenrose“ geschehen. Salto.bz liegt der gesamte Schriftverkehr zwischen den zuständigen Ämtern und der Gemeinde Abtei vor. Daraus geht hervor, dass die Gemeinde monatelang dem Land die angeforderte Dokumentation vorenthalten hat. Am Ende mussten sich die Ämter die Unterlagen teilweise anderweitig beschaffen.
Die Gemeinde hätte jede Zeit der Welt gehabt, in dieser Phase Rechtsgutachten vorzulegen, um ihren Standpunkt zu untermauern. Ebenso war bei der Sitzung der Kommission für Natur, Landschaft und Raumentwicklung am 24. November eine Vertreterin des Gemeindenverbandes anwesend. Von ihr stammt auch die einzige Stimme gegen die Annahme des Rekurses. 
Spätestens mit dem Kommissionsbeschluss aber ist die sogenannte Ermittlungsphase endgültig abgeschlossen. Die Rechtsämter des Landes haben danach nur mehr die Aufgabe den Kommissionsentscheid in einen formal rechtlichen Beschluss zu gießen. Jene Beschlussvorlage, die dann in die Landesregierung kommt.
 

Theiners Problem

 
Das Schullian-Gutachten wurde einen Tag vor Heiligabend vom Abteier Bürgermeister Giacomo Frenademez persönlich beim Landesrat Richard Theiner abgegeben. Nach Informationen von salto.bz hat Theiner das Gutachten unkommentiert dem Rechtsamt des Landes weitergeleitet. Seine Begründung: Das Land muss sich vor der Entscheidung absichern.
 
Obwohl das Vorlegen eines Gutachtens, eindeutig außerhalb aller gesetzlichen Termine, kaum in den Kanon der Landesgesetzgebung passt, wendet man diese Praxis inzwischen im Urbanistikressort öfter an. So auch vorvergangene Woche bei der Annulllierung der Aspiag-Baukonzession. Auch dort wurde ein Rechtsgutachten der Aspiag im allerletzten Moment an das Rechtsamt des Landes weitergeleitet. Es ist eine Praxis, die einer absoluten Desavouierung der Kommission für Natur, Landschaft und Raumentwicklung gleichkommt. "Wenn Parteien Rechtsgutachten, an der zuständigen Fachkommission vorbei, nachlegen können, dann kann man uns doch gleich abschaffen", ärgert sich ein Kommissionsmitglied. Im Theiner-Ressort sieht man das anders.
Marina Crazzolara schreibt in ihrem Brief an die Landesregierung: „Laut Landesgesetz Nr. 13 vom 11.08.1997 Art. 105 ist das Einholen von weiteren Gutachten, außer jenen der Sonderkommission für Raumordnung und Urbanistik, nicht vorgesehen und die Tatsache, dass ein parteiisches Gutachten zur Bewertung herangezogen wird, nachdem sich die Kommission für Raumordnung und Urbanistik bereits ausgesprochen hat, sorgt für Unmut und Verwunderung.“
Spätestens am kommenden Dienstag wird man wissen, ob der Unmut und die Verwunderung auch bis in die Landesregierung durchgedrungen sind.