Wirtschaft | Agrarpolitik

Die Dummfrage

Der Bauernbund mobilisiert seine Mitglieder, an einer Onlineumfrage der EU-Kommission teilzunehmen. Die SBB-Spitze gibt zudem vor, was die Bauern antworten sollen.
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Foto: Suedtirolfoto.com / Othmar Seehauser
Will man die Herde in eine gewisse Richtung treiben, muss der Hirte Befehle erteilen.
So scheinen es jedenfalls Leo Tiefenthaler und Siegfried Rinner zu sehen. Zu diesem Schluss muss man kommen, wenn man sich das Schreiben genauer anschaut, das der Obmann und der Direktor des Südtiroler Bauernbundes diese Woche an ihre rund 20.000 Mitglieder verschickt haben.
Der direkte Anlass für das Rundmail sind die seit Monaten laufenden Verhandlungen und Beratungen zur gemeinsamen Argarpolitik (GAP) in Brüssel. Dabei wird auch über die Verteilung der Fördergelder für die Jahre 2020 bis 2026 entschieden. Es geht um insgesamt rund 60 Milliarden Euro an Förderungen.
Das Geld gehört auch in Südtirol zum überlebens(wichtigen) Bestandteil der Landwirtschaft. Aus diesem EU-Topf werden die Umweltprämien, die Beiträge für den biologischen Landbau genauso bezahlt wie die Ausgleichszulage und die Förderungen für Junglandwirte.
Wie es in Brüssel seit langem üblich ist, sollen solche Entscheidungen aber nicht im stillen Kämmerlein verhandelt, sondern zuvor in einer öffentlichen Konsultation alle Interessierten befragt werden. Aus diesem Grund läuft unter dem Titel „Modernisierung und Vereinfachung der GAP“ bis zum 2. Mai 2017 eine europaweite Online-Umfrage der EU-Kommission. Drei Monate lang haben Landwirte, Organisationen und EU-Bürger die Möglichkeit, ihre Vorstellungen zur künftigen EU-Agrarpolitik darzulegen. Die Ergebnisse der Umfrage sollen veröffentlicht und auf einer Konferenz im Juli 2017 in Brüssel vorgestellt werden.
Vor allem aber will die Kommission die Ergebnisse der Umfrage als Grundlage für die künftige EU-Agrarpolitik heranziehen.
 

Achtung Umweltschützer

 
„Die Online-Umfrage ist für die Südtiroler Landwirtschaft von äußerster Wichtigkeit, denn sie bedeutet die direkte Mitbestimmung der Zukunft unserer Landwirtschaft!“, schreiben Leo Tiefenthaler und Siegfried Rinner an ihre Mitglieder.
Recht schnell lässt die Bauernbundspitze dann die Katze aus dem Sack:
 
„Zahlreiche nichtlandwirtschaftliche Verbände und Vereinigungen, beispielsweise Tier- und Umweltschutzorganisationen, haben ihre Mitglieder bereits aufgerufen, sich an der Umfrage zu beteiligen. Sie wollen, dass die Direktzahlungen künftig nach völlig anderen Kriterien verteilt werden und den Landwirten vorschreiben, wie sie ihre Arbeit zu verrichten haben. Darüber sollen die Landwirte aber selbst mitentscheiden!“
 
 
Aus diesem Grund folgt jetzt die Generalmobilmachung der Bauernbundspitze. Der Aufruf von Leo Tiefenthaler und Siegfried Rinner schließt mit den Worten:
 
 „Wir danken Ihnen bereits vorab herzlich für die Teilnahme an der Umfrage!
Bitte ersuchen Sie auch Familienmitglieder am Hof, den Fragebogen auszufüllen. Je mehr Bäuerinnen und Bauern teilnehmen, desto stärker ist das Signal nach Brüssel!“
 

Die „Ausfüllhilfe“

 
Der Bauernbund ist die historisch mächtigste Polit- und Wirtschaftslobby in Südtirol. Die SBB-Spitzenexponenten erfüllen damit ihre ureigenste Aufgabe: die Mitglieder für ihre Anliegen zu mobilisieren.
Doch der Service des SBB geht noch um Einiges weiter. Im Mail heißt es:
 
„Wer Unterstützung für das Ausfüllen des Fragebogens benötigt, kann auf die Ausfüllhilfe des SBB (siehe Dokument im Anhang) zurückgreifen. Diese beinhaltet die Antworten und Forderungen aus Sicht des Bauernbundes. Die Textvorschläge zu den offenen Fragen sollen Ihnen als Orientierungshilfe dienen und können bei Bedarf verwendet werden. Allerdings gilt es darauf zu achten, die Texte nicht 1:1 zu übernehmen: Denn jede identische bzw. gleichlautende Antwort wird nur einmal berücksichtigt, darum ersuchen wir Sie, die Antworten zu den offenen Fragen in eigene Worte zu fassen.“
 
Schaut man sich die „Ausfüllhilfe“ des Bauernbundes genauer an, wird schnell klar, wie geschickt man damit die Bauern bevormundet. So wird in den offenen Antworten vor allem die Abschaffung und Lockerung der Kontrollen sowie der Sanktionen gefordert.
Zudem rät der Bauernbund überall dort, wo es in den insgesamt 33 Fragen Richtung Umwelt oder Verbraucherschutz geht mit „Ich weiß nicht“ zu antworten. Wie weit diese bewusste Verweigerung geht, zeigt sich im fettgedruckten Aufruf „Keine Antwort auf Frage 23“. In dieser Frage geht es um mögliche Verbesserungen von Standards in neun nichtlandwirtschaftlichen Bereichen, die anscheinend von der Bauernbundspitze allesamt als Hemmschuh die Landwirtschaft angesehen werden.
 
 
Ganz am Ende des EU-Fragebogens heißt es: „Sie können gerne ein kurzes Dokument (maximal 5 Seiten), z. B. ein Positionspapier, hochladen.“ Doch diese Möglichkeit wird in der Vorlage des Bauernbundes groß durchgestrichen.
Der Hirte fürchtet sich anscheinend davor, dass die Herde eine eigene Meinung haben könnte.
 

Die gesamte SBB-Ausfüllhilfe hier zum Nachlesen.

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Werner Wallnöfer Do., 09.03.2017 - 07:35

Für einen Journalisten, Herr Franceschini, recherchieren Sie überraschend schlecht (weniger überrascht mag der eine oder andere sein, der schon von ähnlichen Ausgüssen betroffen war). Sie müssten wissen, dass die SBB-Mitglieder auf Versammlungen et cetera klar und deutlich zum Ausdruck bringen, wohin die Richtung gehen soll. Es ist weiters allgemein bekannt, dass die SBB-Führung vergleichsweise sehr effizient die Wünsche der Mitglieder aufnimmt und daraufhin auf allen Ebenen und bei jeder Gelegenheit versucht, zur Effektivität zu führen. Das ist ein Vorgang, den sich wohl auch Mitglieder anderer Organisationen wünschen, ist es doch der Zweck der Verbände, Gewerkschaften und Interessenvereinigungen.

Nun gut, Sie verdrehen lieber diese Tatsachen. Und haben offensichtlich den Hang, nicht nur einmal wöchentlich Personen als Geflügel zu bezeichnen, sondern nun halt auch als Schafe. Somit dürfen sich heute nicht nur ich, sondern auch viele andere salto-Leser als Schaf titulieren lassen. Das ist eine reichlich eigenartige Leser-Medium Beziehung.

Während ich noch darüber nachdenke, welches Tierbild mir für Sie einfällt, grüße ich freundlichst

Werner Wallnöfer

Do., 09.03.2017 - 07:35 Permalink
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Andreas gugger Do., 09.03.2017 - 08:19

Als dumm muss sich hier schon wer anders bezeichnen.
Ein Verband, ein Verein, eine Interessenvertretung ist jedenfalls dafür da Zielvorgaben und Ziele zu definieren. Und genau das macht die SBB Spitze. Und tut gut daran seine MG zu mobilisieren. Was das mit einer Bevormundung zu tun haben soll kann man nicht erkennen. Unsere Heimat - und Umweltschützer machen doch genau das gleiche.

Do., 09.03.2017 - 08:19 Permalink
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Stereo Typ Do., 09.03.2017 - 17:24

Christoph Franceschini liegt da schon richtig. Der SBB gibt die Anworten vor, die ihm für die künftige Landwirtschaftspolitik der EU wichtig erscheinen. Es ist sozusagen ein Stimmungsbild der Spitze des SBB, was ihr wichtig und weniger wichtig erscheint. Jeder kann sich da sein eigenes Bild davon machen. All jene, die im nichtlandwirtschaftlichen Bereich tätig sind (womöglich die Mehrheit der Südtiroler?) soll sich da aber tunlichst raushalten.

Do., 09.03.2017 - 17:24 Permalink
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Sigmund Kripp Do., 09.03.2017 - 17:33

Das Problem an der Vorgabe der Antworten durch die SBB-Führung liegt eher darin, dass sie verkennt, dass es unter den 17.000 Bauern und ihren Familienmitgliedern in Südtirol nicht nur eine einzige Meinung gibt. Die Bauernwelt ist mittlerweile genauso fraktioniert, wie die übrige (politische) Welt auch! Es gibt Grüne Bauern, Schwarze Bauern, Rote Bauern, Blaue Bauern, etc.
Die Meinung der SBB-Führung ist daher längst nicht die aller SBB-Mitglieder. Diese Wahrnehmungsschwäche ist eines der Grundprobleme des SBB.
Schade!

Do., 09.03.2017 - 17:33 Permalink
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Klaus Griesser Do., 09.03.2017 - 17:40

Gratuliere, Herr Franceschini, zum Artikel. Den Vergleich mit Herde und Hirten finde ich übrigens treffend. Nicht, dass ich die SBB- Mitglieder als Schafe ansehe, aber dass der Bauernbund sich so verhält, als ob sie es wären. Der inszeniert nach außen große Geschlossenheit, obwohl das nach innen nicht so ist - ich denke z.B. dass die bisher erhaltenen Fördergelder zum Großteil gewissen (und wenigen) Industriebauern zukommen und nicht den Bergbauern. Beim harmonischen, klassischen Bild von der Herde und den Hirten bleiben die Herdenbesitzer unerwähnt und unsichtbar, jeder weiß aber, die Hirten sind nur ihre Knechte. Man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht. Im übrigen läuft auch eine anders ausgerichtete Umfrage des deutschen Landwirtschaftsministeriums, wo zumindest verbal gezweifelt wird, ob der bisher von der Landwirtschaft eingeschlagene Weg der richtige ist: http://www.bmub.bund.de/bmub/kampagnen/dialog-landwirtschaft/eu-konsult… - abgesehen davon, wieso informiert der Bauernbund seine Mitglieder nicht über den hervorragenden www.weltagrarbericht.de- oder bin ich da vielleicht schlecht informiert?

Do., 09.03.2017 - 17:40 Permalink