Wirtschaft | Raumordnung

Wem gehört der Wertzuwachs?

Das Feilschen um den Wertzuwachs bei der Umwandlung in Bauzonen geht in die entscheidende Runde. Neben den Bauern mobilisiert sich auch der soziale Flügel im Land.
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Foto: bauen.de

Wenn Leonhard Resch Landesrat Richard Theiner am heutigen Mittwoch Nachmittag gemeinsam mit seinen Kollegen von den Wohnbaugenossenschaft Confcoop, Legacoopbund und Agci für eine gerechtere Aufteilung des Wertzuwachses von Baugrund zu gewinnen versucht, hat er ein konkretes Beispiel in der Tasche. Ein Grundstück an der Meraner Kreuzung, an der Ausfahrt der Landeshauptstadt in Richtung Überetsch und Meran. Vor seiner Umwidmung in Bauland 200 Euro pro Quadratmeter wert, danach 1350 Euro. Nach den heutigen Spielregeln hat der Grundeigentümer also einen Wertzuwachs von 1150 Euro, den er zwar nicht vollständig, doch laut Reschs Berechnungen immerhin zu 68% selbst einstreicht. Denn nach der Umwandlung wird 60 Prozent des Grundes enteignet. Als Entschädigung dafür erhält der Grundeigentümer die Hälfte des (aufgewerteten) Marktwertes plus zehn Prozent – also in diesem Fall 742 Euro, rechnet der Referatsleiter der Genossenschaft Arche im KVW vor. „Ich bin der Meinung, dass das zu viel ist“, sagt Leonhard Resch.

Nicht nur die Wohnbaugenossenschaften, auch die Gewerkschaften und die SVP-Arbeitnehmer sehen das gleich. Um das Eigenheim für den Mittelstand wieder leistbarer zu machen, braucht es einen Wertausgleich, der eine gerechtere Verteilung des Zugewinns zwischen Grundeigentümern und öffentlicher Hand ermöglicht, fordern sie. Und sind sich damit im Grunde auch mit Landesrat Richard Theiner einig. Schließlich findet sich  in seinem Entwurf für das neue Raumordnungsgesetz ohnehin ein eigenes Kapitel zum „Grundsatz des Wertausgleichs“:

„Jede Planungsmaßnahme, welche eine Wertsteigerung der von ihr betroffenen Liegenschaften durch die Zuerkennung von neuen Baurechten oder die Änderung der Nutzungskategorien für Bauwerke bewirkt, verpflichtet die Eigentümer der jeweiligen Liegenschaften, im Verhältnis zum jeweiligen Anteil am Eigentum, der Gemeinde 30 Prozent der Wertsteigerung abzugelten.“

Statt nur in Erweiterungszonen mit gefördertem Wohnbau, soll diese Aufteilung also künftig überall gelten, wo neue Bauzonen ausgewiesen werden. Doch während der Bauernbund angesichts der weiteren „starken Belastung des Privateigentums“ aufjault, ist dem sozialen Flügel im Land der Vorschlag des Arbeitnehmer-Landesrates noch zu schwach. „In anderen Ländern sind 50 Prozent Wertausgleich vorgesehen – das wäre eine deutliche Verbesserung“, sagt auch SVP-Obmann-Stellvertreter Zeno Christanell. Laut Leonhard Resch von der Arche gibt es in Italien sogar ein – aufgrund der primären Zuständigkeit nicht für Südtirol geltendes - Gesetz, das von einer Beteiligung der öffentlichen Hand im Umfang von mindestens 50 % spricht. Auch in Deutschland und Österreich sei eine Fiftiy-Fifty-Aufteilung Usus, werden die Genossenschaftsvertreter bei ihrem heutigen Treffen mit Theiner wiederholen. Die zusätzlichen Gelder, die der öffentlichen Hand dabei zu fallen, sollten dann für das Ziel zweckgebunden werden, Wohnen in Südtirol endlich leistbarer zu machen – sei es durch direkte finanzielle Vorteile für Wohnungskäufer, sei es beispielsweise durch die Wiedergewinnung und Umwandlung bestehender Bausubstanz in sozialen Wohnbau.

Bleibt man dagegen bei den 30 Prozent, gäbe es laut Resch beim konkreten Beispiel Meraner Kreuzung nicht einmal eine Verbesserung gegenüber der heutigen Situation. Denn hier sei der öffentlichen Hand über das Enteignungsprocedere sogar 32 Prozent des Wertzuwachses zugefallen. „Ich verstehe also überhaupt nicht, wieso die Bauern nun so tun, als ob ihnen etwas genommen wird“, meint Resch. Natürlich hänge die Rechnung von der jeweiligen Lage und Gemeinde ab. „Oft ist aber in Landgemeinden die Differenz zwischen Ausgangspreis und dem Preis des umgewidmeten Grundes noch weit höher“, sagt der Referatsleiter der Arche. Für Resch ist die Rechnung also klar: Wenn Grundeigentümern schon etwas geschenkt wird, sollen sie davon die Hälfte an die öffentliche Hand abgeben.

Schluss mit Enteignungen

Ganz anders sieht dies Bauernbund-Obmann Leo Tiefenthaler: „Für den Wertzuwachs sorgt nicht die öffentliche Hand, sondern derjenige, der auf einem Grundstück investiert“, lautet seine Sicht der Dinge. Außerdem seien bei weitem nicht alle Grundeigentümer Bauern, unterstreicht Tiefenthaler. Seine wichtigste Forderung an die Landespolitik lautet: Schluss mit den Enteignungen. Komme man mit dieser Forderung durch, könne man auch über die Höhe des Wertausgleich diskutieren, meint der Bauernbund-Direktor. Denn dann könne der Eigner selbst entscheiden, ob die Rechnung für ihn aufgeht. Einigt man sich auf einen Wertausgleich von 50 Prozent, könnten sich auch die Wohnbaugenossen ein solches Modell vorstellen, sagt Leonhard Resch. Denn bliebe man schließlich beim selben Wert, der heute auch bei einer Enteignung vergolten wird. „Allerdings müsste man dann eine Kauoption für die Gemeinden einführen, damit diese die Sicherheit haben, dass sie einen Teil des Grundes bekommen“, sagt der Referatsleiter der Arche.

Sicher ist, dass noch hart um diesen Passus gefeilt werden wird, wie auch Bauernbund-Obmann  Tiefenthaler in Aussicht stellt. „Wir haben dazu in den kommenden Wochen bereits Aussprachen mit Landesrat Theiner und Landeshauptmann Kompatscher vereinbart.“