Dass der Südtiroler Autonomiekonvent eine Farce ist, ist seit langem klar. Demnach darf man sich auch keinen großen Wurf erwarten, was die Ergebnisse dieses politischen Gesellschaftsspiels betrifft.
In den vergangenen Wochen haben die acht Arbeitsgruppen im "Forum der 100" ihre Abschlussberichte fertiggestellt. Diese Berichte sollen jetzt dem "Konvent der 33" übermittelt werden. Der Rat der 33 Weisen soll daraus am Ende eine Art Südtiroler Verfassung und einen Operationsplan für die Zukunft dieses Landes stricken.
Ohne Umschweife: Wenn man sich den „vorläufigen Endbericht“ der Arbeitsgruppe 2 anschaut, dann ist das Ergebnis weitaus schlimmer als befürchtet.
Die Arbeitsgruppe 2 behandelt die Themen „Selbstbestimmung, Euregio, Beziehungen zu Österreich und Italien, Südtirolaktivisten“. Man bewegt sich damit a priori auf einem politischen Minenfeld.
In der Arbeitsgruppe sitzen die Chefin der Meraner SVP-Frauen, Jutta Telser, als Sprecherin und der Brunecker Volkswirt und Nahverkehrsexperte Patrick Dejaco als Mitglied des Konvents der 33. Des weiteren noch Manfred Andreas Klotz (Dorf Tirol), Alexander Knoll (Lana), Sigmund Kripp (Partschins), Karin Lunz (Branzoll), Egon Pramstrahler (Naturns), Eduard Stoll (Bruneck) und Josef Wielander (Schlanders).
„Die Arbeitsgruppe hat die einzelnen Themenfelder großteils in konstruktivem Dialog erarbeitet und nach individueller Vorarbeit auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner hingearbeitet und einen Konsens erreicht“, heißt es im Abschlussbericht.
Wenn man sich den „vorläufigen Endbericht“ der Arbeitsgruppe 2 anschaut, dann ist das Ergebnis weitaus schlimmer als befürchtet.
Im offiziellen Bericht steht weiter: „Nachdem einige gewünschte Referenten auch wegen der kurzen Vorlaufzeit der Einladung nicht zur Verfügung standen, hat die Arbeitsgruppe schlussendlich Alice Engl als Rechtsexpertin zum Thema Euregio und Franz Watschinger als Rechtsexperten zum Thema Selbstbestimmungsrecht angehört.“
Der studierte Jurist und Historiker Franz Watschinger war drei Jahre lang Assistent am Institut für Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungslehre an der Uni Innsbruck. Danach wurde Watschinger Partner der renommierten Innsbrucker Rechtsanwaltssozietät AWZ.
Franz Watschinger ist der Sohn von Rudolf Watschinger, einem verurteilten Südtirol-Attentäter, engen Freund und Mitarbeiter von Norbert Burger. Vater Watschinger, Mitglied der schlagenden Innsbrucker Burschenschaft „Brixia“, war Gründer und erster Obmann der rechtsextremen „Nationaldemokratischen Partei (NDP)“ in Österreich.
Auch Franz Watschinger war/ist „Brixe“; 1994 war er einer der Organisatoren des „Gesamttiroler Freiheitskommerses“ in Innsbruck. Watschinger ist als Rechtsexperte vor allem in der patriotischen Szene ein gefragter Mann. Als Anwalt vertritt er zum Beispiel die Schützen-Funktionärin und Historikerin Margareth Lun, die den Wiener Historiker Michael Wedekind wegen einer kritischen Fußnote in einem Gutachten zur Rolle der Tiroler Blasmusik in der NS-Zeit verklagt hat.
Dass der Autonomiekonvent einen schlagenden Burschenschafter als Selbstbestimmungsexperten einlädt, scheint anscheinend niemanden zu stören.
Franz Watschingers schriftliches Resümee in der Arbeitsgruppe: „Freilich könnte von der Südtiroler Landesregierung jederzeit eine Abstimmung auf Basis des Selbstbestimmungsrechts abgehalten werden. Dadurch könnte ein fruchtbringender Prozess in Form von Verhandlungen zwischen der Provinz Bozen, Italien und Österreich in Gang gesetzt werden.“
Für die Arbeitsgruppe war es offensichtlich kein Problem, dass man hier den sprichwörtlichen Bock zum Gärtner gemacht hat.
Dass der Autonomiekonvent einen schlagenden Burschenschafter als Selbstbestimmungsexperten einlädt, scheint anscheinend niemanden zu stören.
Noch abstruser wird es allerdings im Kapitel „Südtirolaktivisten“.
Das Wort „Aktivist“ ist inzwischen jene quasi-offizielle Bezeichnung, die sich für die Attentäter der 1960er Jahre in weiten Teilen der deutschen Sprachgruppe durchgesetzt hat. Dabei ist es eine gefährliche und dumme Verharmlosung, die an der historischen Wahrheit vorbeigeht und auch den damals beteiligten Personen nicht gerecht wird.
Es gibt Gewerkschaftsaktivisten, Menschenrechtsaktivisten, Umweltaktivisten und Aktivisten, die sich für unzählige Dinge einsetzen. Aber Aktivisten, die mit Pistolen und Gewehren bewaffnet durch die Nacht schleichen und Attentate auf Masten oder Rohbauten begehen, gibt es nicht. Aktivismus hat nichts mit Gewalt zu tun.
Im Abschlussdokument der Arbeitsgruppe heißt es dazu: “Italien hat trotz mehrfacher Interventionen immer noch keine Maßnahmen zur Begnadigung der Südtirol-Aktivisten ergriffen, wohl aber hat es in der Vergangenheit selbst Schwerverbrecher und Terroristen begnadigt. Daher sollte nach nun mehr als einem halben Jahrhundert auch jenen Begnadigung widerfahren, deren einziges Ziel es war, sich der Unterdrückung und Italianisierung Südtirols durch den italienischen Staat zu widersetzen.“
Das einzige Ziel des „Befreiungsausschuss(es) Südtirol“ (BAS)?
Die Anschläge des BAS richteten sich vordergründig natürlich gegen den italienischen Staat und dessen Politik. Genauso aber bombte der BAS gegen die zaghafte Gangart der SVP, deren lasche Politik und den Versuch von Magnago & Co, statt des Anschlusses an Österreich eine Landesautonomie zu erreichen.
Es ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie offizielle Geschichtsklitterung funktioniert.
Wenn der Konvent von „Südtiroler Freiheitskämpfern“ spricht, dann ist das nicht nur eine unschuldige Begriffsverwirrung.
Richtig peinlich wird es im Abschlussbericht der Arbeitsgruppe aber im Kapitel „Forderungen“. Dort heißt es: „Der Südtiroler Landtag wird dringend ersucht, sich mit Nachdruck für die Begnadigung der verbliebenen Südtiroler Freiheitskämpfer der 60er Jahre einzusetzen, um diese offene Frage zu einem menschlich positiven Abschluss zu bringen.“
Man muss sich das Wort „Südtiroler Freiheitskämpfer“ auf der Zunge zergehen lassen. Und es ist das einzige Mal, dass die Definition in diesem offiziellen Dokument vorkommt.
"Freiheitskämpfer" ist jene ideologisch eingefärbte Bezeichnung, die vor allem die rechtspatriotische Szene seit Jahrzehnten in der Südtiroler Gesellschaft und darüber hinaus zu implementieren versucht. Anscheinend mit Erfolg.
Dabei ist diese Bezeichnung völliger Humbug.
Waren Sepp Kerschbaumer, Jörg Klotz, Luis Amplatz und die Pusterer Buam „Freiheitskämpfer“, so impliziert dies, dass man in den fünfziger und sechziger Jahren zwischen Salurn und dem Brenner in Unfreiheit lebte, dass den Südtirolern grundlegende Menschenrechte, politische Grundrechte und zivile Bürgerrechte vorenthalten wurden.
Es stand im Südtirol der 1950er und 1960er Jahre sicherlich nicht alles zum Besten. Italien war aber ein demokratischer Staat und keine Kolonialmacht. Zudem hatten die Südtiroler eine demokratisch gewählte Vertretung. Sie saßen in allen Gremien, wo sie sich einbringen konnten. Und sie hatten ab 1955 mit Österreich eine staatliche Schutzmacht im Rücken, die das Südtirol-Problem auf das internationale Parkett bringen konnte.
Wenn der Konvent von „Südtiroler Freiheitskämpfern“ spricht, dann ist das nicht nur eine unschuldige Begriffsverwirrung.
Es ist ein klares Zeichen dafür, dass es vor dem Konvent ein paar Stunden Nachhilfeunterricht im Fach Geschichte gebraucht hätte.
Damit die die Südtiroler Verfassung nicht auf diesem Niveau neu geschrieben wird.