Ein Wanderer, der in einem Gasthaus im Dorf dem Herrgott das Bürgerrecht erkauft haben soll. Das ist der Kern der Sage, die den Kalterern jenen Namen gegeben hat, den sie seitdem stolz zur Schau tragen: Herrgottskinder.
Die Herrgottskinder sind gesegnet. Gesegnet mit einer lieblichen Landschaft, dem weltbekannten See und der gleichnamigen Auslese, die in Doppelliterflaschen ganzen Generationen von Deutschen den grauen Teutonen-Alltag versüßt hat. Kaltern ist reich geworden. Vom Wein und den Touristen. Rund 7.500 Einwohner hat die „Marktgemeinde Kaltern an der Weinstraße“ (so der offizielle Namen) und über 3.000 Gästebetten. Fast eine halbe Million Nächtigungen schafft Kaltern jährlich.
„Herzlich willkommen in Kaltern am See, einem der schönsten Weindörfer der Welt!“ - mit diesem Slogan wirbt die Marktgemeinde um zahlungskräftige Kunden. Bei Menschen, denen das Glück nicht so hold ist, sieht das Ganze aber anders aus. Denn Kaltern tut bisher alles, um ja keine Flüchtlinge aufnehmen zu müssen.
Der Schaden für Kaltern könnte aber weitaus größer werden. Stellen Sie sich vor, die kritische Presse im Ausland wird auf die Fremdenfeindlichkeit der Herrgottskinder aufmerksam. Dann werden die Euro-Millionen für die Tourismuswerbung umsonst sein.
Bis zum 14. Juni mussten Südtirols Kommunalverwaltungen dem Land mitteilen, ob und wie sie sich am staatlichen SPRAR-Programm beteiligen. Dieses Programm der italienischen Regierung sieht vor, dass die Gemeinden (einzeln oder in einem Verbund) die Initiative ergreifen, ein geeignetes Gebäude für die Aufnahme von Asylbewerbern finden und gemeinsam mit einer geeigneten Trägerorganisation direkt beim Staat ein Projekt einreichen. Diese freiwillige Teilnahme wird vom italienischen Staat mit bis zu 35 Euro pro Kopf und Tag finanziert. Konkret: Der Staat trägt 95 Prozent der Kosten, die Gemeinde 5 Prozent. Wobei das auch Dienstleistungen sein können.
Das SPRAR-System sieht vor, dass die Gemeinden auch kleinere Gruppen von 5 bis 15 Asylbewerbern unterbringen und aufnehmen können. Diese Möglichkeit ist daher besonders für kleine und mittelgroße Gemeinden interessant. Beteiligt sich eine Südtiroler Gemeinde an diesem Programm, so braucht sie keine weiteren Flüchtlinge aus dem staatlichen Verteilungsplan mehr aufzunehmen.
Das Land hat einen einfachen Schlüssel für die Verteilung festgelegt: 3,5 Flüchtlinge pro tausend Einwohner. Demnach müsste Kaltern maximal 28 Asylbewerber aufnehmen. Doch das ist anscheinend zu viel.
Fast 90 Gemeinden haben zeitgerecht ihre Bereitschaft beim Land angemeldet. Über zwei Dutzend Gemeinden tun hingegen so, als gehe sie das Ganze nichts an. Darunter auch Corvara. Der Gadertaler Hauptort ist die reichste Gemeinde Südtirols. Erst in dieser Woche hat sich der Gemeinderat zum zweiten Mal gegen eine Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen. Dass die Gadertaler vor knapp 100 Jahren fast so arm waren wie jene, die über das Mittelmeer zu uns kommen, daran erinnert sich heute kaum jemand mehr.
Die badiotische Xenophobie hat dabei einen einfachen Grund: Die Schwarzen stören den Blick der zahlungskräftigen Gäste auf die Dolomiten und irritieren die einheimischen Gastwirte beim Geldzählen.
Unter den Verweigerern findet sich zum Beispiel auch die Gemeinde Sarntal. Der Sarntaler Bürgermeister Franz Locher fällt gerne durch plakative Aktionen auf. So torpediert seine Gemeinde ganz bewusst den mühsam geschmiedeten Stromfrieden durch Rekurse und Prozesse, die dem Land einen riesigen Schaden zufügen könnten. Locher, bei den letzten Landtagswahlen gescheitert, wird 2018 wieder für den Landtag antreten. Der Sarner befindet sich deshalb schon seit langem wieder im Wahlkampf. Natürlich machte es sich gut, in Sachen Flüchtlinge den Verteidiger der Sarner Patschen gegen das Land herauszukehren. Locher und nicht nur er weiß, dass man mit Fremdenfeindlichkeit in Südtirol Wählerstimmen gewinnen kann.
Unmenschlichkeit als zynisches politisches Kalkül.
Die badiotische Xenophobie hat dabei einen einfachen Grund: Die Schwarzen stören den Blick der zahlungskräftigen Gäste auf die Dolomiten und irritieren die einheimischen Gastwirte beim Geldzählen.
Ähnlich ist es in Kaltern. Angeblich gibt es im Gemeindeausschuss eine Patt-Situation zwischen Gegnern und Befürwortern. Doch keiner der Gemeindeverwalter, allen voran Bürgermeisterin Gertrud Benin, sieht sich bemüßigt, offen Stellung zur Haltung ihrer Gemeinde zu beziehen.
Offiziell habe man keine Immobilien gefunden. Dabei steht zum Beispiel mitten im Dorf der Ansitz Buol seit Jahren leer. Das Haus gehört dem Land und dort soll das Weinmuseum untergebracht werden. Allein im laufenden Jahr gibt das Land 40.000 Euro für außerordentliche Instandhaltungsarbeiten aus. Das riesige Haus wäre perfekt für die Flüchtlinge.
Das Land und der Gemeindenverband wollen jenen Gemeinden, die sich benehmen wie Kaltern, Geldmittel bei der Gemeindefinanzierung kürzen. Das ist gut so.
Der Schaden für Kaltern könnte aber weitaus größer werden. Stellen Sie sich vor, die kritische Presse im Ausland wird auf die Fremdenfeindlichkeit der Herrgottskinder aufmerksam. Dann werden die Euro-Millionen für die Tourismuswerbung umsonst sein. Die zahlenden Gäste wissen dann, wo sie ihre Seele im Urlaub baumeln lassen.
Sicher ist aber jetzt schon: Der arme Herrgott wird sich für solche Kinder ordentlich schämen.