„Wenn ich gegen jemanden in der Öffentlichkeit hart vorgehe, versuche ich mich schon vorher zu informieren“, diktierte Moritz Demetz diese Woche dem Redakteur der Dolomiten in den Block.
Der Pfeil war gegen die grünen Landtagsabgeordneten Hans Heiss, Riccardo Dello Sbarba und Brigitte Foppa gerichtet, die dem Bürgermeister von St. Christina vorwerfen, im Bauskandal um das "Smarthotel Saslong" alles versucht zu haben, um den rechtswidrigen Bau zu sanieren.
Moritz Demetz hat einen ganz eigenen Blick auf das Geschehen. „Um das Hotel geht es gar nicht, das ist nur ein Aufhänger. Vielmehr ist wohl Persönliches im Spiel“, mutmaßt der Bürgermeister.
Es ist ein Satz, der viel über den ersten Bürger der Gemeinde St. Christina und seinen Sinn für Rechtsstaatlichkeit und Rechtschaffenheit aussagt.
Das, was Moritz Demetz als „Persönliches“ bezeichnet, liegt am Landesgericht Bozen. Es ist der 30 Zentimeter hohe Ermittlungsakt Nr. 10284/2015.
Das, was Moritz Demetz als „Persönliches“ bezeichnet, liegt am Landesgericht Bozen. Es ist der 30 Zentimeter hohe Ermittlungsakt Nr. 10284/2015. Auf dem Faszikel stehen zwei Namen: Eugen Hofer, Unternehmer und früherer SVP-Bürgermeister von St. Christina und Alois Rabensteiner, Bauunternehmer und Bauherr des "Smarthotels Saslong".
Inzwischen wurde in diesem Fall das Hauptverfahren eingeleitet. Oberstaatsanwalt Giancarlo Bramante wirft Hofer erschwerten Amtsmissbrauch (Art. 323 StGb), sachliche Begünstigung (Art. 379 Stgb) sowie Unterlassung der Anzeige einer strafbaren Handlung durch eine Amtsperson (Art. 361 Stgb) vor. Alois Rabensteiner hingegen wird der Offenbarung und Nutzung von Amtsgeheimnissen (Art. 326 Stgb) und schwerer Bauvergehen beschuldigt.
Die Ermittlungen gegen den heutigen Smarthotel-Besitzer Ezio Prinoth wurden archiviert. Prinoth hat das einzig Vernünftige getan. Nachdem die Beweislage eindeutig ist, hat er ausgesagt, dass er vom damaligen Bürgermeister Eugen Hofer mehrmals vor den Kontrollen der Gemeindetechniker gewarnt wurde. So konnte er die widerrechtlich errichteten Zimmer per Gipskarton verstecken.
Die Ermittler haben auch die Buchhaltung im Hotel beschlagnahmt. Daraus geht hervor, dass die fünf illegalen Zimmer zwischen Dezember 2010 und 2016 regulär vermietet wurden.
Es sind jene Zimmer, die Moritz Demetz bis heute nie gesehen haben will.
Im Akt liegt aber auch ein Gutachten eines Gerichtssachverständigen, der im Auftrag der Staatsanwaltschaft das gesamte Bauprojekt rund um das "Smarthotel" analysiert hat.
Der renommierte Südtiroler Architekt hat in diesem Gutachten eine ganze Reihe von schweren Bauvergehen aufgelistet.
- Bis heute werden öffentliche Parkplätze widerrechtlich für den Hotelbetrieb benützt;
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Sechs Räume sind nur als „statische Hohlräume“ ausgewiesen, wurden aber widerrechtlich zu fünf Zimmern und einem Büro umgebaut;
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Das Raumvolumen des Hotels ist um mindestens 1000 Kubikmeter überzogen, auch die überhöhte Bruttogeschossfläche wurde erst durch die spätere Neuklassifizierung des Hotels (am 5. August. 2015) und seine Einstufung als Drei-Sterne-Betrieb unzureichend saniert;
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Die Gebäudehöhe ist um mindestens einen Meter zu hoch;
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Im Hotel wird vollkommen widerrechtlich ein Schiverleih betrieben, der in einem Gastbetrieb keinesfalls zulässig ist;
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An der Hotelfassade prangt eine riesige Plakatfläche, die in dieser Größe nicht gestattet ist.
Alle diese Vergehen hat die frühere Gemeindeverwaltung unter Eugen Hofer weder bemerkt noch geahndet. Verständlich: Hat Hofer als Unternehmer, der im "Smarthotel" die Bäder und sanitären Anlagen einbaute, doch indirekt vom Neubau profitiert.
Sein Nachfolger Moritz Demetz hat alle diese Verstöße geerbt, als er im Mai 2015 zum Bürgermeister von St. Christina gewählt wurde. Er ist dafür nicht verantwortlich.
Sehr wohl aber ist Demetz dafür verantwortlich, was seitdem passiert ist.
Denn die neue Gemeindeverwaltung tat zwei Jahre lang so, als sei beim "Smarthotel Saslong" alles in Ordnung. Mehrmals verkündete der Bürgermeister im Gemeinderat, dass es „keine Bauvergehen gebe“ und der „Fall bereits archiviert“ sei.
Vor allem aber hat der neue Bürgermeister dort weitergemacht, wo sein Vorgänger aufgehört hat. Demetz versuchte alles. um die Ausweisung einer Tourismuszone beim "Smarthotel Saslong" durch den Gemeinderat zu boxen. Damit das gelingt, musste man im Dezember 2015 sogar eine schiefgelaufene Abstimmung im Gemeinderat annullieren und wiederholen.
„Die Ausweisung der Tourismuszone ist etwas ganz anderes“, rechtfertigt sich Moritz Demetz heute. Und er hat auch Recht damit. Als Verwalter muss er aber wissen, dass man ein Erweiterungsprojekt nur dann realisieren kann, wenn die bestehenden Bauten rechtmäßig sind. Genau das war und ist beim "Smarthotel Saslong" aber nicht der Fall.
Deshalb haben die zuständigen Landesämter und die Landesregierung im Herbst 2016 auch jene Tourismuszone versenkt, die Demetz & Co. im Gemeinderat beschlossen haben.
Während die Staatsanwaltschaft die Beamten der Gemeinde verhörte, steckten der Bürgermeister und sein Ausschuss ihre Köpfe in den Sand. Erst als die Beamten der Gerichtspolizei der Gemeindetechnikerin auf Video das Einreißen der Gipswände und die dahinter liegenden Zimmer zeigten, musste Demetz - wollte er sich nicht der Amtsunterlassung schuldig machen - einschreiten. Die Gemeinde erließ im April 2016 eine Abbruchverfügung. Genau fünf Jahre nach der ersten Eingabe der Nachbarn.
Aber auch davon informierte der Bürgermeister den Gemeinderat und die Öffentlichkeit monatelang ganz bewusst nicht.
Es ist ein mieses und unwürdiges Spiel. Und ein ganz schlechter Stil eines jungen Bürgermeister, der sich sonst gerne besonders modern und liberal gibt.
Moritz Demetz versucht jetzt eine eigene Erklärung für die gesamte Affäre. Er schiebt das ganze aufs „Persönliche“.
Gemeint sind die Nachbarn und Anrainer des "Smarthotel"s. Allen voran die Familie Kerschbaumer. Nachdem sie x-mal vergeblich bei der Gemeinde vorstellig wurden, haben sie sich an das Land, die Staatsanwaltschaft und an die Gerichte gewandt. Es war die zuständige Amtsdirektorin im Land, die letztlich durch eine Eingabe bei der Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ins Rollen brachte.
Die Kerschbaumers sind keine links-grünen-oppositionellen Querulanten. Der vor kurzem verstorbene Vater Richard Kerschbaumer, von den Grödner Nazis verfolgt und interniert, war nach dem Krieg jahrelang Dirigent und Orchestermitglied des Kirchenchores von St. Christina. Sohn Claudio steht seit 20 Jahren nicht nur dem Kirchenchor als Dirigent und Organist vor, sondern er hat auch mehrere Ensembles ins Leben gerufen, die weit über Gröden hinaus bekannt sind. Kerschbaumers Frau, seine beiden Söhne und sein Bruder singen ebenso im Chor von St. Christina.
Die Kerschbaumers kämpfen seit fast zehn Jahren um im Recht. Was passiert, wenn man sich nicht einschüchtern lässt, haben sie am eigenen Leib erlebt. Im Zuge des Hotelneubaues bauen auch sie eine Tiefgarage. Als die Gemeindetechnikerin zum Lokalaugenschein für die Benutzungsgenehmigung kommt, stehen zwei Mountainbikes in der Garage. Sie erhalten eine Strafe wegen unrechtmäßiger Benutzung von 1.700 Euro. Ebenso werden sie für eine Gartenmauer sanktioniert. Sieben Jahre lang dürfen sie aber zuschauen, wie nebenan riesige Bauvergehen ohne Folgen bleiben.
Claudio Kerschbaumer legte deshalb im Jänner 2016 alle seine Ämter nieder. Aus Protest gegen das Vorgehen der Gemeindeverwaltung. Es brandet eine breite Solidaritätswelle in der Gemeinde auf. Der Pfarrer von St. Christina, Raimund Perathoner, geht in einer öffentlichen Rede mit der Gemeindeverwaltung hart ins Gericht. Der Pfarrer fordert den Bürgermeister auf, alle Entscheidungen zurückzunehmen und sich bei Claudio Kerschbaumer zu entschuldigen.
Moritz Demetz tut jetzt genau das Gegenteil. Er versucht, den Schwarzen Peter den Anrainern zuzuschieben.
Es ist ein mieses und unwürdiges Spiel.
Und es ist ein ganz schlechter Stil eines jungen Bürgermeister, der sich sonst gerne besonders modern und liberal gibt.