Gerangel um Gratisstrom
Auch wenn die Details noch nicht feststehen – das Gerangel um den Gratisstrom hat bereits begonnen. Am 19. Juni legte Arno Kompatscher den Gesetzentwurf mit den Bestimmungen zum Nachtragshaushalt. vor Artikel 7 öffnet die Tür für den seit Jahren geforderten Gratisstrom – zunächst nur ein Stück weit. Noch stehen viele Fragezeichen im Raum. Doch allein die Aussicht, ab nächstem Jahr ein Stück vom Stromkuchen des Landes abzubekommen, genügt, um Krümel davon zu beanspruchen. Und einige warnen davor, vorschnell an “Gratisstrom für alle” zu denken.
Geld statt Strom
Als Gegenleistung dafür, dass sie mit Wasser ein öffentliches Gut zur Stromproduktion nutzen, verpflichtet Artikel 13 des Autonomiestatus Konzessionäre von großen und mittleren Wasserkraftwerken, jährlich dem Land ein bestimmtes Stromkontingent kostenlos zukommen zu lassen: 220 kWh für jedes kW konzessionierter mittlerer Nennleistung, insgesamt über 170 Millionen kWh. Die aber nicht notwendigerweise genutzt werden.
Falls das Land den so genannten Landesstrom nicht bezieht, müssen die Konzessionäre für jede nicht bezogene kWh halbjährlich einen bestimmten Betrag zahlen. Den kann der Landeshauptmann per Dekret festlegen. Zuletzt setzte Arno Kompatscher den Wert am 7. April 2016 auf 0,067435 Euro je nicht bezogener kWh fest. Für jede nicht bezogene kWh aus dem Gratisstromkontingent erhält das Land derzeit also knapp 7 Cent. Doch es waren schon einmal mehr. Die Zeiten haben sich geändert, mit dem Preisverfall im Energiesektor sanken nicht nur die Gewinne der Stromerzeuger, sondern auch die Einnahmen des Landes laut Art. 13 des Autonomiestatuts.
Diese Tatsache dürfte bei der Entscheidung der Landesregierung, umzuschwenken, mit eine Rolle gespielt haben.
Bisher hat man nämlich großzügig darauf verzichtet, den Gratisstrom zu beziehen. Auf diese Weise floss in der Ära Durnwalder Geld in die Landeskassen, während im Trentino seit Jahren etwa 160 Millionen kWh jährlich unter anderem den öffentlichen Verwaltungen, Gesundheitseinrichtungen, Museen, Schulen und Universität und Altersheimen zugute kommen.
Handaufhalten hat begonnen
Auf seiner letzten Sitzungsfolge vor der Sommerpause wird sich der Landtag ab dem heutigen Mittwoch mit dem Thema Gratisstrom beschäftigen. Der Vorschlag im Nachtragshauhsalt: Ab 1. Jänner 2018 soll es möglich sein, die elektrische Energie, die dem Land laut Art. 13 des Autonomiestatuts zusteht, “gänzlich oder zum Teil an Verbrauchergruppen jeglicher Kategorie” zu verteilen. Die Landesregierung wird also selbst entscheiden können, an wen der Gratisstrom fließt. Vorschläge gibt es bereits: “90 Prozent an die Familien im Land – 300 kWh pro Jahr – der Rest an Landeseinrichtungen”, fordern Agostino Accarrino und Walther Andreaus von der Verbraucherzentrale (VZS). “Zur Gänze an die Privathaushalte”, sagt Andreas Pöder (Bürgerunion), der wie die VZS seit mehreren Jahren den Gratisstrom fordert. “Die Rentner nicht vergessen”, mahnt der ASGB. Und auch die Wirtschaft meldet in der Person von Federico Giudiceandrea, Präsident des Unternehmerverbandes, Bedarf an.
“Die Kosten für die Gewährung von 300 kWh Gratisstrom für jeden der 260.000 Haushalte würden sich auf ca. 14,3 Millionen Euro im Jahr belaufen.”
(Richard Theiner)
Eine Arbeitsgruppe im Energieressort von Landesrat Richard Theiner hat inzwischen prüfen lassen, an wen und in welcher Form der Gratisstrom weiter gegeben werden kann. Die Absicht sei, “allen privaten Haushalten Südtirols eine noch zu definierende Menge an Gratisstrom zur Verfügung zu stellen”, meinte Theiner in seiner Antwort auf eine Landtagsanfrage noch im Mai dieses Jahres. Dabei hatte sich Theiners Ressortdirektor Florian Zerzer noch im Oktober 2016 skeptisch gezeigt und das Trentino als Vorbild genannt, wo öffentliche Einrichtungen und nicht Private vom Gratisstrom profitieren.
Die tatsächlichen Nutznießer wird die Landesregierung allerdings erst in einem eigens dafür erstellten Plan bestimmen. Bis wann sie alle Details klären will und das Versprechen Gratisstrom umsetzen will, ist nicht bekannt.
Fest steht indes: Die Landesregierung rechnet bereits für 2018 mit Mindereinnahmen von 10 Millionen Euro. 2019 sollen 9 Millionen Euro weniger in die Kassen fließen.
Wie gratis wird der Gratisstrom?
Neben den zufriedenen Gesichtern werden jedoch auch kritische Stimmen laut. “Die Aussicht auf Gratisstrom klingt natürlich gut – man darf aber nicht die Kosten für den bürokratischen Aufwand in der Abwicklung außer Acht lassen. Wenn die Kosten den Nutzen übersteigen, fällt dies auch wieder auf den Steuerzahler zurück”, wirft der Vorsitzende der SVP Wirtschaft, Josef Tschöll, ein. Auch beim ASGB wünscht man sich, dass “der Gratisstrom ohne unnötige bürokratische Hürden, wie Einkommenserklärungen oder anderweitige verwaltungstechnische Bremsklötze verteilt wird”.
Eine Frage, die viel früher ansetzt, stellt sich hingegen Riccardo Dello Sbarba: “Wird das Land den Gratisstrom auch wirklich gratis weitergeben?” Seine Zweifel erklärt der Grüne Landtagsabgeordnete so: “In den Bestimmungen zum Nachtragshaushalt wird das nicht präzisiert, während von ‘Tarifen für die an die verschiedenen Verbrauchergruppen verteilte Energie’ die Rede ist, die die Landesregierung in ihrem Plan festlegen kann.” Bis der Plan der Landesregierung noch nicht stehe, sei es somit noch verfrüht, von “Gratisstrom für alle” zu sprechen, wie es die Verbraucherzentrale macht, so Dello Sbarba. Er meint: “Das Thema eignet sich vorzüglich als Wahlkampfzuckerl...”
Gratisstrom für öffentlich
Gratisstrom für öffentlich finanzierte Einrichtungen bzw. sozial schwache Menschen (die öffentlich finanzierte Beihilfen beziehen) kostet dem Land nichts, weil ja bisherige Ausgaben für Strom (bzw. Beihilfen für Wohnnebenkosten) gespart werden. Gratisstrom an alle privaten Haushalte (bzw. Unternehmen) mindert allerdings die Landeseinnahmen.