Gesellschaft | Ein paar Fragen in Sachen Demokratie

Last Exit: Mündige Menschen

„Der Ausgang aus der selbst gewählten Unmündigkeit“, schreibt Rupert Gietl in einem seiner Kommentare unter dem Beitrag „Sind wir reif für die direkte Demokratie“. Selbst gewählte Unmündigkeit? Das kommt mir doch irgendwie bekannt vor? Natürlich, Kant war das, in seiner Definition der Aufklärung, in der er auch folgende Empfehlung gab: Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.
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Foto: Summer School Südtirol

Das nun ist leichter gesagt als getan, scheinen wir doch wahrhaftig nicht sehr aufgeklärte Menschen im Sinne Kants zu sein. Zwar bedienen wir uns ja vielleicht hin und wieder unseres eigenen Verstandes, der allerdings bedient sich mehrheitlich aus BILD, Gazzetta dello Sport, Dolomiten, irgendwelchen Fernsehsendern und was es sonst noch alles an aufgeklärten so genannten Informationsquellen geben mag. Nur eine relativ kleine Minderheit füttert ihren Verstand mit Informationen aus so genannten seriösen Quellen, wobei ja auch die zunehmend den Zwängen der Bilanzen und anderer wirtschaftlicher Unwägbarkeiten unterworfen sind und also ihre unabhängige Berichterstattung immer öfter im Sinne der Verkaufszahlen mehr oder weniger zurück stellen (müssen), wobei ja überhaupt eine Minderheit aufgeklärter Köpfe wenig nutzt, wenn die von der Mehrheit gewählte Mehrheit (s. oben) regiert.

Information oder Manipulation?

Und zumal sich also der Verstand ja irgendwo bedienen muss, bevor mündige Menschen sich seiner bedienen können, und die Dinge sind, wie sie nun mal sind, ist wohl die Befürchtung, dass wir alle sehr viel mehr manipuliert sind denn informiert, auch nicht ganz von der Hand zu weisen. Zudem glaube ich verstanden zu haben, dass Menschen sich grundsätzlich lieber dort aufhalten und bewegen, wo sie in ihrer Meinung bestätigt werden oder sich zumindest bestätigt fühlen - wo’s halt hin und wieder a Herzl gibt für die eigene Denke, um es mit Benno Kusstatscher und auf saltorianerisch zu sagen. Auch nicht sehr hilfreich, im Sinne der ausgewogenen Meinung.

Und so scheint mir das System „Demokratie“ insgesamt ein wenig zu kränkeln und überhaupt recht anfällig zu sein für allerlei Viren, Zipperlein und ernsthafte Krankheiten, unter denen die Machtkrankheit eine ganz vorzügliche Stellung einnimmt. Denn es geht ja, wohin der mehr oder minder aufgeklärte Gedanke auch fallen mag, fast überall sehr viel weniger um die wohl eigentliche Aufgabe demokratischer Gremien, sondern vornehmlich um: Macht, und darum, an sie zu kommen, sie zu vermehren, und nicht zuletzt sie auszubauen.Denn wer sie einmal hat, die Macht, der will sie nur ungern wieder abgeben, das sehen wir ja, nicht wahr, überall und allenthalben, und sogar mehrmals am Tag. Da wird, im Namen der Macht, geschachert und gekauft, gelogen und betrogen, versprochen und gebrochen, da werden hohe Posten hier als Belohnung vergeben und dort an die Nachkommen vererbt, und am Ende verbraucht das System den weitaus größten Teil seiner Kräfte, um sich selbst am Leben zu halten, mit all den bekannten und unbekannten Kollateralschäden. 

Lasst uns die Parteien-Demokratie abschaffen!

Also würde ich vorschlagen, wir schaffen die Parteien-Demokratie ab. Lassen wir sie doch, die Sache mit ihrer Tyrannei und mit der Macht und mit machtgesteuerten Mehrheiten und nicht minder machtgesteuerten Oppositionsparteien (ah, da fällt mir ein: Geht das überhaupt noch, heutzutage, in unserer offenen und so bewegten Welt, so etwas eng gestricktes und starres wie Parteien und ihre kleineren Schwestern?), deren Arbeit und Ergebnisse ja wohl im Übrigen auch wieder nur auf Konfrontation bauen (das männliche Prinzip halt, nicht wahr); schicken wir doch all das in die Versenkung, wählen wir doch Kompetenzen statt Parteien, und Teams in die Regierung, mit wenigen, absolut und konsequent gleichberechtigten, gleichgestellten und augenhöhigen Vertreterinnen aus allem, was vertreten werden will/muss, und diese Vertreter tauschen wir alle vier, fünf Jahre zur Hälfte aus, sodass immer eine Hälfte Erfahrung und die andere Hälfte „frischer Wind“ zusammensitzen und zusammensuchen und zusammenarbeiten – vor allem aber: Keine Energien vergeuden, in Sachen Macht und allem was damit zusammenhängt.

Und derweil hoffen wir, dass das alles noch ein Weilchen gut geht, so wie’s ist, mit der Demokratie in unserem Lande aber nicht nur.