Politik | Interview

„Das ist billiger Populismus“

Landeshauptmann Arno Kompatscher über die finanzielle Belohnung der SPRAR-Gemeinden, den unsinnigen Widerstand dagegen und sein politisches Credo, dass man helfen muss.
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Foto: web
Salto.bz: Herr Landeshauptmann wird die Landesregierung Gemeinden, die sich nicht am SPRAR-Programm beteiligen, finanziell bestrafen?
 

Arno Kompatscher: Nein. Es geht darum, dass wir die Kosten, die jene Gemeinden haben, die Asylweber aufnehmen, bei der Gemeindefinanzierung mitberücksichtigen werden. Das ist doch logisch. Diese Gemeinden haben Kosten, die andere nicht haben. Deshalb muss und soll das auch berücksichtigt werden.
 
Sie drehen den Spieß sozusagen um: Nicht jene die sich weigern Asylwerber aufzunehmen werden bestraft, sondern jene Gemeinden, die es tun, werden belohnt?
 
Man kann das so sehen. Tatsache ist, dass wir die Kosten, die den Gemeinden dadurch anfallen, bei der Gemeindefinanzierung berücksichtigen werden. Das sieht übrigens auch das Gesetz vor. Dort heißt es, dass die Gemeindefinanzierung einen Ausgleich für die objektiv feststellbaren Kosten darstellt.
 
Verstehen Sie, die Aufregung um die Unterbringung der Flüchtlinge in manchen Südtiroler Gemeinden?
 
Offen gesagt Nein. Denn ich muss daran erinnern, dass wir derzeit in Südtirol 1.700 Asylwerber in Südtirol haben. Im Bundesland Tirol sind es hingegen 8.000. Deshalb haben wir im Vergleich zu Nordtirol weit weniger Menschen zu betreuen. Für mich ist es klar, dass wir diese Menschen solidarisch verteilt im gesamten Land unterbringen müssen. Das erleichtert auch die Integration maßgeblich. Zudem ist es auch eine Frage der Solidarität zwischen den Gemeinden. Deshalb sollen und müssen auch alle ihren Beitrag leisten.
Ich muss daran erinnern, dass wir derzeit in Südtirol 1.700 Asylwerber in Südtirol haben. Im Bundesland Tirol sind es hingegen 8.000.
Es fehlen in Südtirol aber rund 375 Plätze für Asylwerber?

 
Es stimmt, dass in Südtirol noch Plätze fehlen. Nicht alle Gemeinden haben sich am SPRAR-Programm beteiligt. Es gibt ja diese zwei Möglichkeiten. Entweder es organisiert die Gemeinde selbst eine Unterkunft im Rahmen des staatlichen SPRAR-Programmes, dann ist die Gemeinde für die Immobilie zuständig und erhält auch die entsprechenden Gelder aus dem Staatshaushalt. Oder sonst organisiert es das Land. Und wir sind gerade dabei in jenen Gemeinden, die sich per Beschluss nicht am SPRAR-Programm beteiligen wollen, dafür Standorte auszuwählen. Gleichzeitig haben wir aber auch jene Gemeinden aufgefordert, die noch keine Meldung gemacht haben, sich gegebenenfalls für das SPRAR-Programm zu entscheiden.
 
Es gibt einige Südtiroler Gemeinden, die stolz darauf sind, Widerstand zu leisten und ihre Gemeinde Flüchtlingslos präsentieren zu können. Ist es nicht an der Zeit, dass die Landesregierung hier durchgreift?
 
Es ist ganz klar, dass es hier einen Beitrag aller braucht. Es geht nicht an, dass jene, die solidarisch sind, am Ende sozusagen als Deppen dastehen, weil andere sagen, ich weigere mich einfach. Diese Gemeindeverwalter glauben dadurch bei den Bürgern auch noch eine gute Figur zu machen. Doch das bezweifle ich stark. Diese Haltung ist nichts als billiger Populismus. Denn hier geht es nicht um die Frage, wie man Flüchtlingspolitik gestalten soll. Das ist eine politische Frage, die man auf nationaler und internationaler Ebene zu bewältigen hat. Es geht hier schlicht und einfach, wie wir diese 1.700 Personen, die bereits im Land sind, gut und effektiv betreuen können. Denn das ist auch im Interesse der Südtiroler und Südtirolerinnen, damit es nicht zu Problemen bei der Integration dieser Menschen kommt.
Es geht nicht an, dass jene, die solidarisch sind, am Ende sozusagen als Deppen dastehen.
Eine Gemeinde, die sich bisher weigert Asylwerber aufzunehmen, ist die reiche Tourismusgemeinde Kaltern. Bürgermeisterin Gertraud Benin will jetzt, dass Sie auf einer Bürgerversammlung in Kaltern Rede und Antwort stehen. Werden Sie das?
 
Die Gemeinde Kaltern hat uns vor wenigen Tagen mitgeteilt, dass sie sich nicht am SPRAR-Programm beteiligen, sondern das CAS-Programm des Landes wählen will. Das heißt, das Land wird für Kaltern die Unterbringung durchführen. Wir haben inzwischen bereits mehrere Standorte ausfindig gemacht und wir haben die Gemeinde auch um ihre Meinung gefragt. Ich fahre ganz sicher nicht nach Kaltern um über das Thema zu diskutieren, ob Flüchtlinge aufgenommen werden sollen oder nicht. Diese Frage ist die falsch gestellt. Denn alle müssen ihren Beitrag leisten, sonst wären die anderen wirklich die Dummen. Sobald aber der Standort geklärt ist und die Gemeinde auch mitarbeitet, bin ich gerne bereit nach Kaltern zu fahren und den Bürgerinnen und Bürgern zu erklären, wie das Ganze so abläuft. Wie sich die Lage in Nordafrika darstellt und wie die Lage der Asylwerber in Südtirol ist.
 
Die zuständigen Landesämter, der Gemeindeverband aber auch die Landesregierung hüten die genaue Liste, jener Gemeinden, die sich weigern am SPRAR-Programm teilzunehmen wie ein Staatsgeheimnis. Will die SVP-Regierung Ihre Parteifreunde in den Gemeinden schützten?
 
Nein. Das ist der Tatsache geschuldet, dass einige Gemeinde diese Entscheidungen erst in den nächsten Wochen treffen wollen. Dabei muss allen klar sein, dass es nicht möglich ist, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Entweder SPRAR oder Landesprogramm CAS. Es wäre also nicht klug, verfrüht solche Listen zu veröffentlichen, während in einigen Gemeinden diese Debatte noch läuft.
 
Das heißt: Das Land wird am Ende transparent aufzeigen, welche Gemeinde sich nicht solidarisch zeigt?
 
Selbstverständlich werden wir das tun. Ich will es noch mal sagen: Alle müssen ihren Beitrag leisten. Wahrscheinlich werden am Ende nicht in allen Gemeinden Menschen untergebracht werden. Denn nach dem Aufnahmeschlüssel handelt es sich manchmal wirklich um sehr kleine Zahlen. Es geht hier um 3,5 Personen pro 1.000 Einwohner. Mir geht es aber um das Prinzip, dass wirklich alle Gemeinden ihre Bereitschaft erklären, hier mitzumachen. Danach setzt man das Schritt für Schritt um.
 
Sehen Sie ein Lösung für das schwierige Problem der Zuwanderung?
 

Meine Position und jene der Landesregierung sind seit langem klar. Wir haben immer die Auffassung vertreten, dass das Problem vor Ort angegangen werden muss. Dass es nicht mehr so weit kommen darf, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken. Die Boote dürfen erst gar nicht mehr in See stechen. Deshalb müssen Italien und die europäischen Staatengemeinschaft in Nordafrika und vor allem in Libyen agieren. Genau das ist inzwischen erfreulicherweise ja auch passiert. Man hat Fortschritte gemacht und es gilt daran weiterzuarbeiten. Aber auch wir in Südtirol müssen unsere Hausaufgaben machen. In Bezug auf jene Personen, die bereits in diesem Land leben.
Es darf nicht mehr so weit kommen, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken. Die Boote dürfen erst gar nicht mehr in See stechen.
Das Thema Zuwanderung und Flüchtlinge wird eines der Hauptthemen des Landtags-Wahlkampfes werden. Sie sind in dieser Frage sehr offen und liberal. Viele in der SVP haben hingegen Angst, dadurch Stimmen an die rechte Opposition zu verlieren?
 
Ich habe hier überhaupt keine Angst. Denn unsere Position ist klar: Illegale Zuwanderung bleibt illegale Zuwanderung und sie ist zu unterbinden. Das findet auch dort statt, wo es notwendig ist. Uns in Südtirol bringt es aber gar nichts, darüber zu streiten, wer die Menschen betreut, die bereits im Land sind. Wir haben 1.700 Flüchtlinge zu betreuen und das ist eine Aufgabe, die wir bewältigen können. Alles andere ist reiner Populismus. Schauen Sie: Als Politiker, der in der Regierungsverantwortung steht, muss man seriöse Antworten geben und die Dinge so darstellen, wie sie in der Realität sind. Man muss gleichzeitig aber auch umsetzbare und realistische Lösungen finden. Während mancher in der Opposition sehr oft leichtfertig mit Parolen agieren kann, mit denen man vielleicht kurzfristig Zuspruch am Stammtisch findet. Genau das ist aber nicht meine Art.