Gesellschaft | Löhne

Zweiklassengesellschaft im Dienstleistungssektor

Die Halbierung der Arbeitszeit für das Reinigungspersonal in Bozens Altersheimen wirft Licht auf ein immer größeres soziales Problem, zu dem die Auslagerung von öffentlichen Diensten führt.

„Was wir davor in drei Stunden gemacht haben, soll nun in nicht einmal eineinhalb Stunden erledigt werden“: Genchi Nicoletta ist eine von 137 Beschäftigten der Sozialgenossenschaft Euro&Promos, die für vier Altersheime und einige weitere Strukturen des Betriebes für Sozialdienste Reinigungsdienste durchführt. Im Zuge der Neuausschreibung des Auftrags hatte sich Euro&Promos mit der Sozialgenossenschaft Mebocoop zusammengeschlossen; ab 1. April sollen die Reinigungskräfte einen neuen Vertrag unterzeichnen. Der sieht allerdings für die unbefristet Beschäftigten eine Verkürzung der Arbeitszeit – und damit auch der Entlohnung von 50% vor.

Ein Vorgehen, das heute Nachmittag zu einem Treffen zwischen den  Fachgewerkschaften Filcams-Cgil/Agb, Fisascat SgbCisl und UilTucs geführt hat. Um 17 Uhr wollen die Gewerkschaften schließlich im Theater Cristallo bei einer Pressekonferenz auf die Angelegenheit aufmerksam machen. Denn die Vertragsänderung des Reinigungspersonals betrifft nicht nur die  140 Beschäftigten, die zum großen Teil Frauen und vielfach  Migrantinnen sind, sondern auch die Bewohner der Strukturen selbst. „Es ist klar, dass unsere bisherige Arbeit nicht in der Hälfte der Zeit erledigt werden kann“, meint Nicoletta.

Vor allem ist der aktuelle Fall nur die Spitze eines Eisbergs. „Die zunehmende Auslagerung von Dienstleistungen wie Reinigung, Mensen oder privaten Wachdiensten ist generell ein Riesenproblem“ , sagt Ulrike Egger, von der Fachgewerkschaft Handel-Tourismus-Dienstleistungen im SGBCISL. Aufgrund des Sparzwangs in der öffentlichen Verwaltung würden die Ausschreibungen ausschließlich nach dem Preis entschieden. In Folge des Preisdumpings könnten dann häufig die Arbeits- und Materialkosten nicht abgedeckt werden. „Auch in vielen anderen Fällen wurden bei Auftragsvergaben bestehende vertraglichen Rechte umgangen und die Arbeitszeit bei gleichbleibendem Arbeitsvolumen reduziert“, so Egger.

Kein gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Eine weitere Folge dieser Entwicklung ist laut der Gewerkschafterin die Entstehung einer Zweiklassengesellschaft. Während beispielsweise Reinigungspersonal  im öffentlichen Dienst nach vier Dienstjahren ein Brutto-Stundenlohn von 10,53 Euro zusteht, erhalten Angestellte privater Reinigungsfirmen laut Kollektivvertrag 7 Euro. Noch niederer sei die Entlohnung, die im Kollektivvertrag für Sozialgenossenschaften vorgesehen ist. „Von gleichem Lohn für gleiche Arbeit kann also absolut keine Rede sein“, sagt Egger, „ganz abgesehen von der normativen Besserstellungen im öffentlichen Dienst und dem sicheren und garantierten Arbeitsplatz.“