Politik | Burschenschaften

Schlagende Sänger

Die Tiroler Grünen fordern, dass die Universität Innsbruck der schlagenden Sängerschaft Skalden den Ehrentitel entzieht. Die Uniführung gerät unter Druck.
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Foto: Suedtirolfoto.com / Othmar Seehauser
Am 25. Februar stehen in Nordtirol Landtagswahlen an. Es war deshalb nur eine Frage der Zeit, wann das brisante Thema der schlagenden Burschenschaften – nach dem Landbauer-Skandal – auch nach Innsbruck überschwappt.
Inzwischen ist es so weit. Seit Tagen findet sich die Führung der Universität Innsbruck im Fadenkreuz der politischen und der öffentlichen Kritik. Der Fokus liegt dabei auf die Verbindungen der Alma Mater zur schlagenden Universitätssängerschaft Skalden sowie zu den akademischen Burschenschaften Suevia und Brixia.
Wie sehr die Unispitze dabei unter Druck gerät, zeigt sich in einer Presseerklärung des Rektoras am Mittwoch. „Die Universität Innsbruck steht für Weltoffenheit und Toleranz, dies drückt sich in ihrem alltäglichen Handeln, ihrer internationalen Vernetztheit und dem Engagement ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr als deutlich aus“, erklärt der Rektor der Universität Innsbruck Tilmann Märk. Der Rektor verweist dabei auf die 2015 verabschiedete Charta zur gesellschaftlichen Vielfalt und neu erarbeitete Leitbild.
Doch damit dürfte es nicht getan sein.
 

Der Ehrentitel

 
Wie an jeder deutschen und österreichischen Universität bestehen auch in Innsbruck seit Jahrhunderten enge Beziehungen zwischen den Universitätsinstitutionen und den deutschnationalen Waffenstudenten.
Der Klubobmann der Tiroler Grünen Gebi Mair hat jetzt offiziell die Forderung erhoben, dass eine Historikerkommission das Verhältnis zwischen der Uni Innsbruck und den zwei deutschnationalen Burschenschaften Brixia und Suevia, sowie der schlagenden Sängerschaft Skalden untersuchen soll.
 
Vor allem die Tatsache, dass der Senat der Universität Innsbruck 1983 der Sängerschaft Skalden den Ehrentitel „Universitätssängerschaft“ verliehen hat, stößt auf mehr als nur Unverständnis. „Es muss geklärt werden, wie eine größtmögliche Distanz zwischen braunem Gedankengut und der Universität Innsbruck erreicht werden kann“, sagt Gebi Mair. Auch die Grüne Fraktionssprecherin im Innsbrucker Gemeinderat Uschi Schwarzl bläst ins selbe Horn: „Nun liegt es an der Universität, sich ebenfalls von diesen rechtsextremen, geschichtsrevisionistischen und vollkommen weltfremden Verbindungen zu distanzieren“.
Nachdem die konkrete Gefahr besteht, dass sich die Geschichte zu einer nationalen Affäre ausweitet, musste die Uniführung reagieren.
 

Die Prüfung

 
Am Dienstag nahm die Universität erstmals offiziell zur Polemik Stellung. „Aufgrund der gegenwärtig laut gewordenen Forderung, die Vergabe von Ehrentiteln an Studierendenverbindungen zu prüfen, ist die Universität bereits tätig geworden“, heißt es in der Aussendung. Recherchen im Universitätsarchiv sollen jetzt prüfen, in welchem Umfang derartige Ehrentitel vergeben worden sind.
 
Gleichzeitig verweist man darauf, dass die  Universität Innsbruck bereits seit geraumer Zeit ihre Vergangenheit konsequent aufarbeite. Im Rahmen des 2019 anstehenden 350-Jahr-Jubiläums der Universität wurde eine Arbeitsgruppe aus Historikerinnen und Historikern beauftragt, die Universitätsgeschichte unter Beizug der gegenwärtigen Forschungslage neu aufzulegen.
Seit den 1990er Jahren vergebe die Universität Innsbruck keinerlei Auszeichnungen mehr an juristische Personen.
Man bestätigte die Vergabe des Ehrentitels an die schlagende Sängerschaft Skalden. In diesem Zusammenhang verweist die Universität auf folgenden Protokollauszug aus der Niederschrift über die Sitzung des Akademischen Senates der Universität Innsbruck vom 30. Juni 1983, TOP 37 c):
 
„Nach Berichterstattung durch [einen Vertreter der Studierenden – Name aus datenschutzrechtlichen Gründen anonymisiert; Anm.] und den Rektor beschließt der Senat auf Antrag des Rektors, der Akademischen Sängerschaft Skalden den Titel ‚Universitäts-Sängerschaft‘ (verliehen 1927) wiederzuverleihen. Einstimmig angenommen.“
 
Das Rektorat und der Senat der Universität Innsbruck wollen die Verbindungen zu den deutschnationalen Waffenstudenten gemeinsam unter die Lupe nehmen. „Jedoch ist die Recherche nicht ganz einfach, da die damals handelnden Organe nicht mehr bestehen und sich die Gesetzeslage seither verändert hat“, heißt es in der Aussendung der Universität
 

Gehlers Mahnung

 
Dabei wurde das Thema in Wirklichkeit seit Jahrzehnten bewusst verdrängt.
Denn bereits 2002 hat der Historiker Michael Gehler, in einem Buch der Universität vorgeworfen, „ihre eigene Vergangenheit noch in den achtziger und neunziger Jahren nur äußerst unzureichend bzw. nicht frei von Einseitigkeiten aufgearbeitet“ zu haben. Er spricht von „mangelnder Erforschung der jüngeren Geschichte“ ebenso wie von „grundsätzlich fehlender Bereitschaft der Spitzenfunktionäre zur Kenntnisnahme wissenschaftlicher Forschungsergebnisse zur jüngeren kritischen Universitätsgeschichte“ und gelangt zum Schluss, die Universität Innsbruck habe bei der Aufarbeitung „mit ihren zuständigen Organen eindeutig versagt.
Gehler schreibt auch, dass eine vom akademischen Senat 1988 angestoßene Prüfung der Aberkennung oder rechtlicher Schritte gegen die Verwendung des Titels „Akademische Burschenschaft“ durch die Brixia sich nicht zufällig im Sand verlaufen habe.
 
Gehler wörtlich: Das Thema wurde „vom Rektorat weiter delegiert und dort zu Tode diskutiert. Es bestand in den universitären Führungsgremien bis hin zum Rektor letztlich kein Interesse an der weiteren Untersuchung und Verfolgung des Falls Brixia‘“.
Dabei hatten Mitglieder der Brixia Materialien an der Universität verteilt, in denen der Nationalsozialismus und der „Anschluss“ relativiert wurden. Später lud die Brixia den Holocaustleugner David Irving für den 9. November, dem Jahrestag der Novemberpogrome, zu einem Vortrag nach Innsbruck ein. Die Veranstaltung wurde polizeilich untersagt, nachdem ein Haftbefehl gegen Irving erlassen wurde.
 

Die GRAS-Recherche

 
Vor allem die grün-alternative Studenteninitiative GRAS hat inzwischen aber historische Details ausgegraben, die zeigen, wie eng das Verhältnis zwischen Unispitze und den schlagenden Burschenschaften war.
So gab es eine aktive Beteiligung eines ehemaligen Rektors am Zustandekommen des Ehrentitels „Universitätssängerschaft“ für die Skalden. Ein Nachruf auf den ehemaligen Architekturprofessor Karl Rudelstorfer erwähnt, dass der Verstorbene die Verleihung des Ehrentitels an die „Skalden“ im Jahr 1983 durch die Unterstützung des damaligen Rektors Clemens August Andreae im Akademischen Senat geschafft und dem Rektor ebenso gerne wie Rudelstorfer dafür die Burschenschafter-Auszeichnung „Alter Herr Honoris Causae“ verliehen hätten, wofür „die Zeit noch nicht reif“ gewesen sei. Rektor Andreae war übrigens auch ein gern gesehener Gast bei Veranstaltungen der Burschenschaft Suevia, wie aus burschenschaftlichen Schriftstücken hervorgeht.
 
Schließlich wurden der GRAS Schriftstücke zugespielt, die einen ehemaligen Rektor als Unterstützer einer Innsbrucker Burschenschaft deklarieren, der auch heute noch als Vorsitzender des Innsbrucker Universitätsrats ein hohes Amt innehat: Christian Smekal.
Smekal hat in der 1998 erschienen Festschrift „130 Jahre Suevia“ in seiner Funktion als Rektor ein Grußwort verfasst, in dem er der Suevia „Engagement für eine freie und gerechte Welt“ wünscht.. Abschließend hofft Rektor Smekal, die Suevia möge „auch in den nächsten hundertdreißig Jahren gedeihen, blühen und wachsen.“ 
Die grün-alternativen Studenten geben zu bedenken, dass die Suevia noch heute an einem Denkmal am Innsbrucker Westfriedhof einem der Mörder aus der Innsbrucker Reichspogromnacht 1938, Gerhard Lausegger, gedenkt. Während der jüdische Teil des Friedhofs 1961 von Mitgliedern der Burschenschaften Suevia und Brixia – darunter zwei bekannte Südtiroler - geschändet wurde. 
 

Die Reaktion

 
Dejan Lukovic sitzt als Studentenvertreter der GRAS im Senat der Universität Innsbruck. Dort reichte Lukovic einen Antrag auf sofortige Aberkennung des Ehrentitels „Universitätssängerschaft“ für die Sängerschaft Skalden ein. In einem zweiten Schritt soll dann das Verhältnis der Universität Innsbruck zu den beiden anderen deutschnationalen Burschenschaften Suevia und Brixia geklärt werden.
 
Spätestens damit ist Feuer am Dach.
Wir haben nichts zu verbergen und wir agieren gerade auch im Hinblick auf dunkle Kapitel unserer Vergangenheit sehr sensibel“, erklärt am Mittwoch Rektor Tilmann Märk in einer Aussendung. Märk kündigte an, dass er die zuständige Ehrungskommission einberufen habe, um diese Entscheidungen von vor 35 Jahren noch einmal zu diskutieren und allfällige Konsequenzen zu ziehen.