Politik | EU-Erweiterung

Kroatien ist drinnen

Kroatien ist mit heutigem 1. Juli 28. EU-Mitglied. Zum siebten Mal vergrößert sich die Europäische Union. Chance für ein Land, das eine Jugendarbeitslosigkeit von 43 Prozent aufweist.

Zehn Jahre dauerte es vom Antrag Kroatiens zur Aufnahme in die EU bis zum tatsächlichen Beitritt am 1. Juli 2013. Deshalb auch verhaltene Dankesworte von Kroatiens Premier Zoran Milanovic an die Union: "Das war eine lange Reise, mit viel Überprüfungen, vielen Kontrollen, einer Menge Verhandlungskapitel."

Rigoroser Beitrittsprozess

Stefan Füle, zuständiger Kommissar in Brüssel bestätigt: "Kroatien hat den bisher rigorosesten Beitrittsprozess von allen Kandidaten durchlaufen. Und er ist glaubwürdig." Dieser Prozess sei völlig umgestaltet worden - dank Erfahrung aus der vorigen Erweiterungsrunde. 2007 wurden Rumänien und Bulgarien aufgenommen, nach allgemeiner Einschätzung viel zu früh. Von den EU-Standards sind diese Länder in vielen Bereichen auch heute noch weit entfernt, so dass die Beobachtung der EU-Kommission nach wie vor aufrecht ist. Im Falle Kroatiens wird auf einen solchen Verifizierungsmechanismus verzichtet, berichtet der Erweiterungskommissar. "Wir hätten einen solchen Mechanisms, wenn es notwendig wäre. Aber wir sehen keine Notwendigkeit dafür."

Kroatische Rezession

Dabei steckt das neue EU-Land das fünfte Jahr in Folge in der Rezession, Korruption steht auf der Tagesordnung. Anders als die Mitgliedsländer hat Kroatien seit Einbruch der Krise keine Erholung erlebt; die Arbeitslosigkeit hat sich auf knapp 15 Prozent verdoppelt, bei den Jugendlichen sind es 43 Prozent, der zweitschlechteste Wert hinter Griechenland. So hofft vor allem Kroatiens Jugend auf den EU-Beitritt, auf mehr Chancen in Ausbildung und Beruf.

Verstoß in letzter Sekunde

Eine unangenehme Überraschung hat Kroatien bereits dargeboten. Ein Verstoß des Landes - kurz vor dem Beitritt - gegen europäische Verpflichtungen. Das Parlament in Zagreb stimmte am Freitag, 28. Juni, für ein Gesetz, das die Auslieferung von Kroaten an die europäischen Partnerländer verbietet, wenn die Straftat mehr als zehn Jahre zurückliegt. Geschützt wird damit der frühere Geheimdienstchef Josip Perkovic, der vom Deutschen Bundeskriminalamt zur Fahndung ausgeschrieben ist.

EU-Kommissar Füle glaubt an die Entscheidung Brüssels. "Kroatien ist das beste Beispiel dafür, dass der Beitrittsprozess ein Land und eine Gesellschaft wirklich verändern kann." Und Füle ist überzeugt: "Kroatien wird nicht nur die Mitgliederzahl erhöhen, sondern unsere Union auch stärker machen." In den Finanzrahmen bis 2020 hat die Union für ihr neues Mitglied schon mal zusätzliche 500 Millionen Euro eingestellt. Vorsichtshalber.

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Benno Kusstatscher Mo., 01.07.2013 - 10:02

Willkommen Kroatien, ich freue mich, dieses so schöne Land und das leider noch immer vom Krieg gezeichnete, sympathische Volk in unserer Gemeinschaft begrüßen zu dürfen!
Alle Zeitungen schreiben von den Problemen, die Kroatien hat: marode Wirtschaft, Vetternwirtschaft, Nationalismen, lange Gerichtszeiten usw. Da werfe Italien den ersten Stein. Natürlich hat Kroatien umgekehrt auch Probleme mit der EU, die Grundstückspekulation etwa, die äußere Entnarbung der eigenen Kriegswunden, die Besteuerung von Luxusyachten. Natürlich wird manchen Branchen nach dem Anschluss der kalte Wind ins Gesicht wehen, der Weinwirtschaft zum Beispiel, der aber langfristig mit dem Beitritt die Welt zu Füßen liegen wird. Dass der Wechselkurs der Währung Kuna schon seit Jahren zum Euro äußerst stabil ist, um nicht gekoppelt zu sagen, ist aber doch ein Hinweis, dass das Land so schlecht nicht vorbereitet ist, wie alle schreiben.
Heute ist ein wichtiger Stichtag, von dem an die EU den durch den Friedensnobelpreis bekommenen Ehren wieder gerecht werden kann: durch die Befriedung und Stabilisierung des Balkans. Kroatien ist politisch ein schwieriges Land, für eine handlungsfähige EU sollte diese Herausforderung aber mit Leichtigkeit zu bewältigen sein. Der Fall Ungarn hat uns gelehrt, dass die EU schwach ist, wenn sie sich dauernd nur mit sich selbst beschäftigt. Dass Frau Merkel sich bei den Beitrittsfeierlichkeiten zurückhaltend zeigt, ist jetzt auch kein gutes Omen. So mache ich mir weniger Sorgen, ob Kroatien auf die EU vorbereitet ist, sondern mehr, ob denn die EU auf Kroatien vorbereitet ist. Wollen wir uns endlich wieder etwas anstrengen, für unser Europa. Kroatien braucht uns, aber braucht von uns auch nur das, was wir selber von uns brauchen: Handlungsfähigkeit.
So freue ich mich ganz ungezwungen, dass die Ära Jugoslawien zwischen den Jahrhunderten der gemeinsamen Geschichte und der gemeinsamen Zukunft als kurze Episode in die Geschichtsbücher eingehen wird.

Mo., 01.07.2013 - 10:02 Permalink