Politik | Meran

Von 30 auf 40

Die drei Tempo 30-Zonen, die in Meran für dicke Luft gesorgt haben, wurden abgeschafft. Ein Kniefall vor der SVP? “Ein kohärenter Schritt,”, kontert Stadtrat Frötscher.
Tempo 30
Foto: Pixabay

“Jeder kann und wird hineininterpretieren was er will.” Stefan Frötscher weiß, dass das Signal, das die Meraner Stadtregierung mit ihrem jüngsten Beschluss gesetzt hat, großen Raum für Spekulationen auftut.
Ist der Bürgermeister vor der SVP in die Knie gegangen? Hat Paul Rösch dem Druck des Koalitionspartners und der Opposition nachgegeben?
Tatsache ist: Die Stadtregierung hat am gestrigen Dienstag beschlossen, das Tempolimit 30, das in den vergangenen Wochen hohe Wellen der Empörung geschlagen hatte, aufzuheben.

 

Ein 30er sorgt für dicke Luft

Im Herbst 2017 beschließt die Meraner Stadtregierung, drei neue 30er-Zonen einzuführen. In der Goethestraße zwischen Rennweg und Krankenhaus, in der Piavestraße zwischen Thermentunnel und der Kreuzung mit der Petrarcastraße sowie auf der Achse Mazziniplatz-Raetiastraße-Petrarcastraße-Romstraße bis zur Postbrücke gilt ab Oktober eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h. Außerdem wird auf allen Durchzugsstraßen, auf denen bisher 50 km/h erlaubt waren, Tempolimit 40 eingeführt.
Gründe für die Entscheidung gibt es mehrere: insbesondere die hohe Lärmbelastung, aber auch die Sicherheit – und langfristig die Reduktion des Autoverkehrs.
Die Entscheidung der Stadtregierung fällt einstimmig.

Ein paar Monate bleibt es still. Dann, Mitte Jänner, bricht das Chaos aus. Die in der Romstraße angebrachte orange Speedcheck-Box blitzt innerhalb 24 Stunden über hundert Temposünder. Blitzschnell die Kritik. Als “Frechheit” und “Abzocke” bezeichnet der Gemeinderat der Süd-Tiroler Freiheit, Christoph Mitterhofer, das herabgesetzte Tempolimit und kritisiert, dass die Bevölkerung nicht ausreichend darüber informiert sei – auch weil die entsprechenden Geschwindigkeitsbegrenzungen fehlten. Es folgen Josefa Brugger (Bürgerunion) und Rita Mattei (Lega Nord), La Civica reicht einen Beschlussantrag ein, mit der Forderung, den 30er abzuschaffen und das Tempolimit auf 40 km/h anzuheben.
Schließlich werden auch aus den Reihen der SVP kritische Stimmen laut. “Ideologien legen die Stadt lahm”, titelt die Tageszeitung Dolomiten am 9. Februar. Der Spruch stammt von SVP-Fraktionssprecher Gerhard Hölzl, der gemeinsam mit dem Meraner SVP-Stadtobmann Andreas Zanier und den Stadträten Stefan Frötscher und Gabi Strohmer medial gegen das Tempolimit 30 auftritt.

Derart heftig, dass sich der Bürgermeister bemüßigt sieht, eine Stellungnahme an die Medien zu verschicken. “Es ist schade, dass die Meraner SVP, obwohl sie als Koalitionspartner in der Stadtregierung sitzt, plötzlich mit Populismus zu punkten versucht”, kontert Paul Rösch. Und: “Es ist nicht eine Ideologie, die die Stadt lahm legt, sondern der viele Verkehr.”

 

Vierzig gegen Verwirrung

Gut zehn Tage später dann die Kehrtwende. Paul Rösch liegt mit Grippe im Bett. Daher ist es Madeleine Rohrer, die Stadträtin für Mobilität und Urbanistik, die am Mittwoch (21. Februar) verkündet: “Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass die Verwirrung der Autofahrerinnen und -fahrer groß ist und es einigen Widerstand gegen Tempo 30 auf den Durchzugsstraßen gibt. Wir halten deshalb nicht blindlings an den Beschränkungen fest, sondern vereinfachen die geltenden Geschwindigkeitsbegrenzungen.”

Konkret hat die Stadtregierung beschlossen, die drei im Oktober eingeführten 30er-Zonen zu 40er-Zonen umzuwandeln.
Auf den kommunalen Durchzugsstraßen gilt deshalb künftig überall generell Tempo 40. Ausgenommen sind die Gampen- und Romstraße im Abschnitt Mangionibrücke – Haus Arnika sowie die Straßen in der Untermaiser Handwerkerzone. Dort dürfen maximal 50 km/h erreicht werden.
“Auf allen anderen Straßen Merans, also vor allem auf den Wohnstraßen, gilt weiterhin Tempo 30”, führt Rohrer aus. Eingeführt hat diese Beschränkungen übrigens die Vorgängerregierung unter der Riege der SVP. Auf diesen Straßen habe sich das niedrige Tempolimit bewährt, betont die Stadträtin.

 

“Keine Kraftprobe”

“Nicht nur wir hatten mit der Entscheidung im Herbst Bauchweh”, erklärt Stefan Frötscher auf Nachfrage von salto.bz. “Vor allem weil es keine einheitliche Regelung für die Durchzugsstraßen gab – was für Verwirrung gesorgt hat.” Die heftigen Reaktionen hätten schließlich zu einer weiteren, langen Diskussion in der Stadtregierung geführt, verrät er. “Aber auch von fachlicher Seite wurde bestätigt, dass Tempo 30 nur relativ Verbesserungen bringen würden.”
Es sei daher eine “rein sachliche Entscheidung” gewesen – und “keine Kraftprobe” mit dem Bürgermeister, betont der SVP-Stadtrat. “Ich spreche für mich: Es war keine Aktion für oder gegen Paul.”

Zumal auch Tempo 40 einstimmig beschlossen wurde. “Ein kohärenter Schritt, der in der Bevölkerung sicherlich größere Akzeptanz finden wird”, ist sich Frötscher sicher.
Die politischen Spielchen in der Passerstadt ist er leid. Dass sich einige aus seiner Partei seit der Wahl Röschs 2015 ein stetiges Kräftemessen mit dem Bürgermeister liefern, weiß der SVP-Stadtrat. “Das Geplänkel mag ich nicht. Als Stadtrat geht es mir um die Sache und um Kohärenz.” Frötscher hat sich eingestanden, dass er die Einführung von Tempo 30 heute nicht mehr befürwortet. “Dazu stehe ich. Aber es ist gut, dass wir eine klare Entscheidung gefällt haben – sonst wäre das Ganze wirklich zum Politikum verkommen.”

Der Abstimmung über den Beschlussantrag von La Civica – und der Befürchtung, dass Heckenschützen aus seiner Partei die Gelegenheit nützen, um erneut gegen den Bürgermeister zu schießen – sieht er gelassen entgegen. Die nächste Gemeinderatssitzung findet am 28. Februar statt. Frötscher dazu: “Wir müssen den Antrag erst genau studieren, da er über die Rückkehr zu 40 km/h hinausgeht – und werden ihn ganz normal behandeln.”