Gesellschaft | Polemik

Feindbild Julia

Kurz vor ihrem Termin mit Staatspräsident Sergio Mattarella wird Julia Unterberger von ihrer Vergangenheit eingeholt - in Form einer beunruhigten Männertruppe.
Julia Unterberger
Foto: Suedtirol Foto/Othmar Seehauser

Es ist eine alte Feindschaft – die ihren bisherigen Höhepunkt vor zehn Jahren erreicht hatte. Im Mai 2008, also knapp ein halbes Jahr vor den damaligen Landtagswahlen, hatte sich gut ein Dutzend weißgekleideter Männer rund um den im Vorjahr verstorbenen damaligen Präsidenten der Männerinitiative Südtirol (MIT) Klaus Pirhofer vor der SVP-Zentrale versammelt. „Don’t vote for Julia“ stand auf ihren T-Shirts und auf Flugblättern, die sie eifrig an die SVP-ler verteilten. Das Ziel der damaligen Aktion: Den SVP-Parteiausschuss davon zu überzeugen, die damalige Landtagsabgeordnete und Präsidentin des Landesbeirates für Chancengleichheit Julia Unterberger nicht wieder für die Landtagswahlen zu nominieren. Denn, wie die MIT in diesen Jahren nicht müde wurde anzukreiden: „Das System Julia“ trage Schuld daran, dass getrennte Männer zu Besuchs- und Zahlvätern degradiert, finanziell ausgenommen und aus ihren Wohnungen und Häusern vertrieben würden.

Angesichts der Wahlschlappe Unterbergers bei den Landtagswahlen 2008, aufgrund der sie erst 2010 statt Christian Egartner in den Landtag nachrückte, konnten die MIT-Männer sogar kurzzeitig jubilieren. Nun, da die Anwältin Südtirols starke Frau in Rom, ist offenbar - zumindest für die MIT-Männer - die Zeit reif, die alte Fehde wieder aufzuwärmen. Just im Vorfeld des bisher wichtigsten Termins der Fraktionssprecherin der Autonomiegruppe im Senat, dem für 16 Uhr anberaumten Konsultationsgespräch mit Staatspräsident Sergio Mattarella, verschickt die auch außerhalb von Frauengruppen als extrem verschriene Männergruppe ein neues Unterberger-Pamphlet. Anlass dazu gibt die „erste feministische Gesetzesinitiative“ der „neuen Frau Quoten-Senatorin“, wie MIT-Obmann Franz Gasser den vergangene Woche eingereichten Gesetzesentwurf zum Thema Ehegattenunterhalt kritisiert.

"Es kann nämlich befürchtet werden, dass Frau Unterberger zusammen mit der ähnlich gesinnten Abgeordneten Renate Gebhard, vorrangig Gender-feministische Interessen, Frauenquoten und Frauenthemen vorantreiben wird, anstatt sich den wirtschaftlichen Anliegen zu widmen und mehr wirtschaftliche und völkisch-kulturelle Zuständigkeiten nach Südtirol zu holen."

Ein bereits in der vergangenen Legislatur begonnenes Vorhaben, mit dem nach einer Richtungsänderung des Obersten Gerichtshofes im Mai 2017 Klarheit in der nun auch unter Gerichten unterschiedlich ausgelegten Frage geschaffen werden soll, wann Ehefrauen nach einer Trennung Unterhalt zusteht. Ein gänzlich überflüssiges Unterfangen, wie die Männerinitiative urteilt – nachdem das Oberste Kassationsgericht „endlich eine längst fällige, neuzeitliche Interpretation des Scheidungsgesetztes Nr. 898/7 vorgenommen und eine gerechte Regelung zum Gattenunterhalt festgelegt habe“.  Es sei alles klar, die Kassation habe genügend neue Kriterien und Parameter festgelegt, versichert die Vertretung der Scheidungsväter. „Es ist schon sonderbar, das sich nun gerade eine Südtiroler Neo-Senatorin im Übereifer anmaßt, sogar die Rechtsprechung des Obersten Kassationsgerichtes Rom zu kritisieren“, heißt es in der Pressemitteilung. „Der MIT-Männerverein ruft die übrigen SVP-Senatoren und Abgeordneten auf, die gänzlich unnütze und Männer-schädliche Gesetzesinitiative nicht zu unterstützen und Frau Unterberger in ihrem feministischen Übereifer zurück zu pfeifen.“

„Don’t vote for Julia“ in Neuauflage also. Doch, wie die MIT offen schreibt, gibt es konkrete Gründe, warum ausgerechnet Unterberger wie ein rotes Tuch auf sie wirkt. „Mit dieser Initiative hat sich Frau Unterberger einmal mehr in ihrer bekannten Rolle als sogenannte feministische Frauenrechtlerin und männerfeindlichen Genossin gezeigt die, die Südtiroler Männervereine auch als Anwältin öfters in Scheidungsprozessen sehr diskriminierend erfahren haben und mehrere Trennungsväter geschädigt wurden.“

Und so erstellen die geschädigten Scheidungsväter nicht nur ein Psychogramm der neuen Senatorin, sondern fürchten auch in Rom das Schlimmste. „Frau Unterberger ist scheinbar im Feminismus gefangen, kann es nicht lassen, will weiter den Multi-Gender-Gleichheitswahn und Geschlechterkampf schüren, eine abartige Ideologie, die bekanntlich auch Scheidungen und Abtreibungen fördert und darauf ausgerichtet ist, unsere christliche Ehe und Familien zu zerstören, oft auf dem Rücken der leidenden Kinder“, heißt es da unter anderem. Voll und ganz stellt sich die Männerinitiative deshalb hinter die Kritik, die von Seiten der SVP-Wirtschaft angesichts von Dieter Stegers Niederlage bei der Wahl Unterbergers zur Fraktionssprecherin der Autonomiegruppe geübt worden war. „Es kann nämlich befürchtet werden, dass Frau Unterberger zusammen mit der ähnlich gesinnten Abgeordneten Renate Gebhard, vorrangig Gender-feministische Interessen, Frauenquoten und Frauenthemen vorantreiben wird, anstatt sich den wirtschaftlichen Anliegen zu widmen und mehr wirtschaftliche und völkisch-kulturelle Zuständigkeiten nach Südtirol zu holen“, fürchtet die MIT-Truppe. Wer hier welchen Wahn schürt, mag jedem selbst zu beurteilen überlassen sein. Sicher scheint: An das Feinbild Julia reicht für die MIT so schnell niemand heran.