Der Shitstorm gegen meine Jahrgangskollegin Martha Stocker nervt mich. Sie ist nicht die erste, die's im Netz erwischt. Kübelweise Scheiße gab's auch für Kasslatter Mur, Foppa, Boldrini, Klotz, Kyenge, Merkel undundund.
Wenn ein Mensch mit Namen und Gesicht öffentlich von Menschen beschimpft wird, die weder Namen noch Gesicht haben, sagt man dazu Shitstorm. Meistens stürmen Männer. Bluemchen zum Beispiel. Er hat sich auf der Kommentarschiene eines lokalen Online-Portals bereits in den Status des „Tratschers“ (600) geklickt. Es gibt nämlich Portale, die anonymes Dissen fördern, indem sie es zum Wettbewerb erklären. Je nach Anzahl der Kommentare wird ein Status verliehen, der vom „Grünschnabel“ (200) bis zum „Kinig“ (10.000+) reicht. Wie in einem Online-Spiel kann sich der Gamer von Ebene zu Ebene klicken und zum König werden. Cool. Nur dass das Spiel nicht auf virtuelle Feinde schießt, sondern auf echte Menschen. Das ist der Kick. Was ich dem Chef nicht ins Gesicht sagen kann, tippe ich in die Kommentarfunktion. Frust weg und ich bin um einen Level weiter.
Ein Großteil der Online-Kommentare hätte das Licht der Welt besser nie erblickt. Darunter haben auch Qualitätsmedien zu leiden. Die NZZ stoppte diese Online-Funktion wegen steigender Gehässigkeit.
Dass 80 Prozent der anonymen Disser Männer sind, ist mir wurscht. Dass es immer nur Frauen erwischt, ist mir aber nicht wurscht. „Was die Mumelter da wieder moralinsauer gendert,...die soll....“, könnte in Kürze hier drunter stehen.
Inzwischen weiß ich, welche Knöpfe ich drücken muss, damit sich der Kübel Scheiße leert. Mein Frau-Sein beschleunigt den Vorgang, gleichzeitig gibt mir meine Rente die Freiheit, damit zu spielen. Andere Frauen haben diese Freiheit nicht.