Wirtschaft | Bauernbund

Das Märchen vom bösen Wolf

Der Bauernbund macht jetzt auch per Video gegen den Wolf mobil. Man will die Südtiroler Realität zeigen. Mit der Wahrheit nimmt man es dabei aber nicht allzu genau.
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Foto: upi
Rund 40.000 Empfänger erhielten die Mail. Am vergangenen Dienstag kurz nach Mittag trudelte zeitgleich bei allen Mitgliedern des Südtiroler Bauernbundes eine Botschaft ein. Die Absender: Bauernbund-Obmann Leo Tiefenthaler und SBB-Direktor Siegfried Rinner.
Im Schreiben mit dem Betreff: „Videos zum Wolf - Das ist die Realität!“ heißt es:
 
Geschätztes Mitglied,
die Ausbreitung der Wölfe bringt unsere Almwirtschaft in Gefahr. 80 Schafe und 16 Ziegen hat Landwirt Franz Anton Reiterer im letzten Sommer durch Wolfsattacken verloren. Seine Erlebnisse und Sorgen schildert Herr Reiterer in diesem Video des Bauernbundes. Damit wollen wir betroffenen Bauern eine Stimme geben. 
 
Das Bauernbund-Video
Bitte senden Sie diesen Video-Link an Ihre Freunde und Bekannte weiter, insbesondere an Nicht-Bauern, und helfen Sie mit, dass die Bevölkerung sensibel für die Zukunft der Berg- und Almwirtschaft wird. Es ist auch möglich, den Videolink über WhatsApp zu verschicken. Sie können das Video zudem über Facebook ansehen und teilen.“
 

Die Realität

 
Dieses Video soll nur das erste in einer ganzen Reihe von solchen Botschaften sein. Der Bauernbund bläst zur Großoffensive. Mit durchaus gut gemachten Videos, in denen die berechtigten Emotionen und Ängste der Südtiroler Viehbauern eingefangen werden.
Dass in dieser gut getimten Propagandaschlacht im Jahr der Landtagswahlen, aber zu allererst die Wahrheit auf der Strecke bleibt, wird schnell deutlich.
Franz Anton Reiterer, der Bauer vom Proherhof in Verschneid/Mölten spricht im Video, dass „wir insgesamt 80 Schafe und 16 Ziegen verloren haben“. Wer „wir“ sind wird dabei nicht ganz klar.
Im Mail der SBB-Spitze steht aber etwas anderes, das weit mehr Eindruck machen soll. Dort heißt es explizit, dass „der Landwirt Franz Anton Reiterer im letzten Sommer 80 Schafe und 16 Ziegen durch Wolfsattacken verloren hat“.
Kann das wirklich wahr sein?
Kaum. „Ich würde diesen Fall kennen, wenn es ihn geben würde“, sagt Luigi Spagnolli, Direktor im Landesamt für Jagd und Fischerei. Der zuständige Amtsdirektor kann über diese Video-Botschaft nur den Kopf schütteln. Im Jahr 2016 wurden dem zuständigen Landesamt 17 von Wölfen getötete Schafe und eine getötete Ziege gemeldet. Die Bauern erhielten dafür eine Entschädigung  Laut der offiziellen Statistik des Landes wurden 2017 in Südtirol 70 Schafe gerissen. 40 vom Wolf und 30 vom Bär. Rechnet man auch einige Fälle dazu, die nicht gemeldet wurden, dann kommt man vielleicht auf jene Zahl, die angeblich allein der Möltner Bauer verloren haben soll.
Wenn das wahr wäre, dann müsste ein ganzer Haufen von Meldungen und Entschädigungsansuchen von diesem Bauern in meinem Amt liegen“, sagt Amtsdirektor Spagnolli zu salto.bz. Doch diese Ansuchen gibt es nicht.
Außer in der Phantasie und im Video der Südtiroler Bauernbundführung.