Feuer
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Politik | Regierungsbildung

Spiel mit dem Feuer

Italien droht eine folgenschwere politische Krise.
Vor den Augen von Millionen Fernsehzuschauern ist Italien am Sonntagabend in die gefährlichste Krise seiner jüngsten Geschichte geschlittert.  Ausgelöst haben sie zwei Studienabbrecher ohne Beruf, die es kaum erwarten konnten, endlich an die Macht zu kommen. Matteo Salvini und Luigi Di Maio befanden sich auf Wahlveranstaltungen in Terni und Fiumicino, wo sie lautstarke Protestkundgebungen inszenierten und der Fünfsterne-Chef  dem Staatspräsidenten sogar mit impeachment drohte. Anlass der Krise:  die Erneuerungswütigen scheiterten bei ihrem Vorhaben, einen 82-jährigen zum Wirtschaftsminister zu befördern. Am Abend überschlugen sich die Ereignisse. Zunächst heizte Salvini in Terni die Stimmung an: "Non saremo mai servi, mai schiavi."   Er könne "bereits morgen früh im Innenministerium sitzen und für die Ausweisung der ersten Ausländer sorgen", versicherte der Lega-Chef unter dem Jubel der Menge, die sich anschliessend einem Protestmarsch anschloss. Wenig später begab sich der mit der Regierungsbildung beauftragte Präsident Giuseppe Conte in den Quirinal, wo er seinen Auftrag zurücklegte.  Dann wandte sich der Staatspräsident an das italienische Volk.
Er habe sich nach Kräften um die Bildung einer neuen Regierung bemüht und alle Wünsche der beiden Parteien erfüllt - bis auf einen - die Ernennung Savonas zum Wirtschaftsminister.  Er trage Verantwortung dafür, das Sparaufkommen der Italiener keinem Risiko auszusetzen, versicherte Mattarella.
Nur wenige Minuten später folgte der nächste Paukenschlag: der Präsident bestellte den Mailänder Ökonomen Carlo Cottarelli für Montag früh in den Quirinal. Der 62-jährige Universitätsprofessor hatte als Sparkommissar der Regierung Renzi einen detaillierten  Plan zur Eindämmung der zunehmenden Staatsverschuldung vorgelegt, der rasch in den Schubladen der Regierung verschwunden war. Der Ökonom gilt als internationaler Experte für die Prüfung von Staatsausgaben und hat im Auftrag des Internationalen Währungsfonds die Budgets in zahlreichen Ländern analysiert. Cottarelli erklärte, vordingliche Aufgabe sei es, das Defizit nicht weiter zu erhöhen.  Die ständig wachsende Verschuldung Italiens beläuft sich auf eine  Rekordsumme 2300 Milliarden Euro.
Vor der politischen Eskalation  hatte der Staatspräsident  beiden Parteien angeboten, Salvinis Stellvertreter und engen Vertrauten Giancarlo Giorgetti zum Wirtschaftsminister zu bestellten - ein versöhnlicher und sinnvoller Vorschlag, der vom Lega-Chef abgelehnt wurde - weil er bereits beschlossen hatte , einen neuen, populistischen Wahlkampf zu inszenieren.
Nachdem er in Terni einen turbulenten Protestmarsch angeführt hatte, legte Salvini in der Nacht noch ein Scheit nach "Vogliamo la data delle elezioni, Sarà un referendum per chi non vuole un paese servo." Di Maio kündigte im Parlament ein Verfahren zur Amtsenthebung Mattarellas an und lobte dabei die "eigene Mässigung":  "Siamo fin troppo responsabili."
Nun steuert das Land mit seinen Rekordschulden von 2300 Euro auf Neuwahlen im September zu - der spread wird dabei wohl wieder zum Krisenbarometer. Genau wie bei Berlusconis denkwürdigem Abtritt im November 2011.  Der Cavaliere hatte das Land in neun Jahren an den Rand des Ruins geführt - zusammen mit jener Lega, die heute versucht, sich als Retterin der Nation zu präsentieren.