Wirtschaft | Bahnhofsareal

Der Paukenschlag

Hermann Berger ist am Freitag als Koordinator der Areal Bozen AG zurückgetreten. Aus Protest gegen die Verfahrensverantwortlichen in der Gemeinde Bozen.
Il rendering dell'areale ferroviario di Bolzano
Foto: upi
Hermann Berger zog jetzt die Reißleine.
Am Freitagvormittag verschickte der langjährige Generalsekretär der Landesverwaltung ein Schreiben an das Büro von Landeshauptmannes Arno Kompatscher, an den Bozner Bürgermeister Renzo Caramaschi und an die Verwaltungsräte der „Areal Bozen AG“ (ABZ), in dem er seinen unwiderruflichen und umgehenden Rücktritt als Koordinator und Verfahrensverantwortlicher für das Projekt Bahnhofsareal bekannt gab.
Es ist ein eklatanter Schritt, der für alle Beteiligten durchaus überraschend kommt. Denn das Boot Bahnhofsareal steuert auf die Ziellinie zu. Dass ausgerechnet jetzt der Kapitän von Bord geht, damit hatte kaum jemand gerechnet.
Hermann Bergers Rücktritt ist dabei ein Akt des Protestes. Gegen die Gangart der Gemeinde Bozen und gegen die dortigen Verantwortlichen für das Verfahren zum Bahnhofsareal.
Im Streit geht es um viel Geld und eines der größten Infrastruktur-Projekte Europas.
 

Das Bahnhofsareal

 
Das Projekt Bahnhofsareal ist ein Jahrhundertprojekt. Durch die Verlegung des Bahnhofs und des Schienenstranges unterirdisch in den Virglberg soll am heutigen Bahnhofsareal auf einer Fläche von 475.000 Quadratmeter ein neues Stadtviertel entstehen. Geplant sind Wohnungen, Grünanlagen, öffentliche Gebäude aber auch Büros und Dienstleistungseinrichtungen. Zudem soll in diesem Viertel ein neuer Mobilitätsknotenpunkt entstehen. Das gesamte Projekt hat einen Wert von über 2 Milliarden Euro.
Die Idee, die von Anfang an dahintersteht, war eine Art PPP-Modell. Die öffentliche Hand sollte den Wiedergewinnungsplan und den Großteil der Bebauungsvorschläge vorgeben. Die Realisierung und Bebauung des gesamten Areals sollte aber Privaten überlassen werden, die in genau vorbestimmten Zonen Wohnungen und Immobilien verwirklichen können.
2006 startet das Projekt mit einem Abkommen zwischen Land und Gemeinde Bozen. Im August 2007 gründeten das Land und die Gemeinde Bozen die „Areal Bozen AG“ (ABZ), der anfänglich Gerhard Brandstätter vorsteht. Mit 1. Februar 2014 wird dann Hermann Berger als Koordinator und einziger Verfahrensverantwortlicher für das Projekt ernannt. Seine Beauftragung wird im Mai 2016 für weitere drei Jahre verlängert.
 
Hermann Berger steht ein vierköpfiger Verwaltungsrat zur Seite, der derzeit aus Johann Schmiedhofer, Silvana Giancane, Paola Pozzi und Martin Ausserdorfer besteht.
Unter Hermann Berger wickelt die ABZ alle notwendigen Vorbereitungsarbeiten für die Verwirklichung des Mammutprojektes ab. So wird 2010 ein Wettbewerb für die Neugestaltung des Bozner Bahnhofs Areals ausgeschrieben, den der Wiener Boris Podrecca mit Partnern gewinnt.
Nach der Genehmigung des Masterplans und dem Abschluss der Machbarkeitsstudien ging es in die zähen Endverhandlungen mit den verschiedenen Vertragspartner. Vor allem mit der italienischen Eisenbahnverwaltung RFI, die als Schienen- und Zugbetreiber den Großteil der Flächen zur Verfügung stellen muss.
 

Der Startschuss

 
Am 15. Mai 2018 gibt die Landesregierung dann den Startschuss für das Projekt zur Aufwertung des Bahnhofsareals sowie für den Verkauf der Areal Bozen AG. Per Beschluss wird Landeshauptmann Arno Kompatscher dazu ermächtigt, eine Dienststellenkonferenz einzuberufen und eine programmatische Vereinbarung zu unterzeichnen: Es handelt sich dabei um jenen Vertrag, der als Grundlage für die Ausschreibung des Projektes dient.
Der Wert der öffentlichen Bauten, die der Käufer in einer festgelegten Qualität zur Verfügung stellen muss, beträgt 382 Millionen Euro. 204 Millionen Euro davon werden die neuen Bahnstrecken und die Neuerrichtung des Bahnhofs an der aktuellen Stelle kosten, 115 Millionen Euro die öffentlichen Bauarbeiten: Straßen, Grünanlagen, Busbahnhof, ein olympisches Hallenbad, ein Kulturzentrum und Bauten für öffentliche Dienste für das neue Stadtviertel. 64 Millionen Euro sind für Enteignungen, Erschließungen und begleitende Bauarbeiten vorgesehen.
Zu den 382 Millionen Euro für die öffentlichen Bauten kommen die Kosten von etwa 537 Millionen für private Bauten hinzu. Letztere kann der Käufer dann zu Marktpreisen veräußern. Festgeschrieben sind im Vertrag auch beispielsweise spezielle Wohnanlagen für ältere Menschen im Wert von 17 Millionen Euro. Der Marktwert aller privater Bauten wird auf rund 1,29 Milliarden Euro geschätzt.
 
Die Vereinbarung legt fest, dass sich die Vertragspartner innerhalb von 120 Tagen auf ein Programm zur Aufwertung des Territorium einigen und es dann unterzeichnen. Dieses Programm wird in der Bürokratensprache mit dem schrecklichen Kürzel PUVaT (programma unitario di valorizzazione territoriale) abgekürzt.
Die Vertragspartnern dabei: das Land Südtirol, die Stadtgemeinde Bozen und die Areal Bozen AG, sowie die drei Bahngesellschaften Rete Ferroviaria Italiana, Trenitalia, FS Sistemi Urbani.
Nach der Unterzeichnung des PUVaT soll über eine doppelte Ausschreibung ein privater Käufer für die Gesellschaftsanteile der Areal Bozen gesucht, der die Immobilien erwirbt und die gesamten Bauarbeiten übernimmt. Dann wird der Käufer das Ausführungsprojekt ausarbeiten, das dem ursprünglichen Podrecca-Projekt entsprechen muss. Bis Frühling 2020 sollten plangemäß die Bauarbeiten beginnen.
 

Der Konflikt

 
Doch genau diese programmatische Vereinbarung und das Programm zur Aufwertung des Territoriums ( PUVaT) sind jetzt der Grund für den Rücktritt von Hermann Berger. Seit lange gibt es tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten zwischen dem ABZ-Koordinator und den Verantwortlichen in der Gemeinde Bozen. Allen voran City-Manager Andrea Zeppa und der Direktorin der Abteilung Vermögen Ulrike Pichler.
Hier prallen einfach zwei verschiedene Verwaltungskulturen aufeinander“, sagt ein neutraler Beobachter, der die letzte Konflikte detailliert verfolgt hat. 
 
Hermann Berger kommt aus der Durnwalder-Ära und der ehemalige Generalsekretär der Landesregierung liebt pragmatische und schnelle Lösungen, die rechtlich nicht immer die beste Absicherung haben. Das Duo Zeppa-Pichler hingegen will bei diesem Milliardenprojekt, bei der es für die Stadt Bozen um sehr viel geht, alles perfekt machen. Immer wieder kam es deshalb bereits in der Vergangenheit zu Meinungsverschiedenheiten in Detailfragen.
Der Konflikt hat sich jetzt an der von Hermann Berger ausgearbeiteten Vereinbarung zugespitzt. Dabei streitet man auch über Formulierungen. Pichler weigert sich viele der Berger-Vorschläge so - wie vorgeschlagen - zu unterschreiben. "Wir sollen hier nur absegnen, was das Land vorgibt", ärgert man sich in der Gemeinde Bozen.
Hermann Berger hingegen lanciert immer offener den Vorwurf, die Gemeinde Bozen verzögere und sabotiere damit die geplante Unterzeichnung des PUVaT. „Alle sind bereit, nur Bozen eiert immer noch herum“, sagt man im Berger-Lager.
Denn in weniger als 80 Tagen müssen das Programm zur Aufwertung des Territoriums und die Vereinbarung unterschrieben werden. Hermann Berger hat sich jetzt durch seinen überraschenden Rücktritt selbst aus dem Spiel genommen.
Und er hat gleichzeitig der Gemeinde Bozen den Schwarzen Peter zugeschoben, sollte der Termin nicht eingehalten werden.