Umwelt | Gewässernutzung

Wässriges Wahlzuckerl?

Wird der Bergbauer zum Stromproduzenten? Ein Artikel im Omnibusgesetz sorgt bei Fischern für großen Unmut: “Äußerst fragwürdig, höchst alarmierend und sozial ungerecht!”
Wasserfall Gilfenklamm
Foto: Othmar Seehauser

Es war Anfang Juni dieses Jahres. Landesumweltagentur und EURAC hatten ihre Wahl getroffen: Die Gebirgsbäche sind Südtirols Gewässertyp des Jahres 2018. “Ihnen soll heuer besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden”, verkündet Landesrat Richard Theiner.
“Ironie? Oder wie hat er das gemeint?”, fragt sich Markus Heiss nur wenige Wochen später. Heiss ist Präsident des Fischereivereins Eisacktal – und hat im jüngst verabschiedeten Omnibusgesetz ein “brisantes Wahlzuckerl” ausgemacht. Ein “brisantes Wahlzuckerl für die Landwirtschaft”, präzisiert Heiss, das zugleich “soziale Ungerechtigkeit auf Kosten der Umwelt” schaffe.

 

Heißer Art. 25

Seit dem gestrigen Freitag (13. Juli) ist das Landesgesetz Nr. 10/2018 in Kraft. Das Sammelgesetz enthält eine Reihe an Änderungen an Landesgesetzen. Unter anderem am Landesgesetz Nr. 2 vom 26. Jänner 2015 “Bestimmungen über die kleinen und mittleren Wasserableitungen zur Erzeugung elektrischer Energie”.
Am 15. Juni wird ein Artikel des Sammelgesetzes im Landtag besonders heiß diskutiert. Es geht um Art. 25. Dieser sieht unter anderem vor, dass Bergbauernhöfe mit mehr als 40 Erschwernispunkten Kleinkraftwerke bis 50 Kilowatt mittels vereinfachtem Genehmigungsverfahren errichten können – auch wenn sie bereits an das Stromnetz angeschlossen sind. Die produzierte Energie, die den Eigenbedarf übersteigt kann ins Stromnetz eingespeist werden.

Sogar in den Reihen der SVP sorgte entsprechender Artikel für Unmut. So teilte etwa Veronika Stirner die Forderung der Grünen, die Möglichkeit, ein Kleinkraftwerk bis 50 kW zu errichten, auf Almwirtschaften und Berghöfe zu beschränken, die nicht an das Stromnetz angeschlossen sind.
Auch Landesfischereiverband und Dachverband für Natur- und Umweltschutz hatten vor der Debatte im Landtag Kritik geübt. Nichtsdestotrotz wurde Art. 25 mit 16 Ja, 3 Nein und 10 Enthaltungen am 15. Juni genehmigt – und ist seit Freitag in Kraft.

 

Der Bergbauer als Energieproduzent?

“Was sich auf den ersten Blick recht harmlos liest, ist in seiner praktischen Auswirkung auf die Umwelt höchst alarmierend und sozial ungerecht”, zeigt nun der Fischereiverein Eisacktal in einer Aussendung auf:

  • “Ein Großteil der Südtiroler Grünlandbetriebe (mit Ausnahme jener der Tallagen) fällt in die Kategorie mit mehr als 40 Erschwernispunkten. Somit hätten theoretisch tausende Landwirtschaftsbetriebe die Möglichkeit, die Errichtung von Klein- und Kleinstkraftwerke zu beantragen.
  • Eine Leistung von 50 kW entspricht in etwa dem Bedarf von 30 gewöhnlichen Haushalten (3 kW x 15 Haushalte ergibt 45 kW; da ein Haushalt normalerweise den Löwenanteil der Energie nur am Tag benötigt, das Kraftwerk aber rund um die Uhr produziert, würde die Leistung rein rechnerisch für die doppelte Anzahl an Haushalten ausreichend sein).
  • Die Leistung, welche über den Eigenbedarf hinaus geht (somit ein Großteil), darf verkauft werden!
  • Als Projektunterlagen reichen der technische Bericht mit den technischen Daten, den Eigenschaften der Anlage sowie eine gewässerökologische Beschreibung des betroffenen Gewässers.
  • Kleinst- und Kleinkraftwerke haben erwiesenermaßen überproportional negative Auswirkungen auf das betreffende Gewässerökosystem. Je kleiner ein Gewässer ist, desto schlimmer wiegt die Ableitung von Wasser. Die Restwasserstrecken (Ausleitungsstrecken) drohen zu Rinnsalen zu verkommen!”

“Dem ‘Run’ auf die Bergbäche steht praktisch nichts mehr im Wege!”, kommentiert Vereinspräsident Markus Heiss trocken. Findige Ingenieurbüros seien bereits in den Startlöchern, “um Landwirten die ‘geschenkte Energie’ schmackhaft zu machen”.

Obwohl man beim Fischereiverein “ausdrücklich die bisherige Gesetzeslage (Wassernutzungsplan), die es Bergbauern OHNE Anschluss an das öffentliche Stromnetz ermöglicht, den Eigenbedarf durch Kleinstkraftwerke zu decken” begrüße – “diese Regelung ist nachhaltig und ökologisch sinnvoll”, meint Heiss – gehe die neue Regelung weit darüber hinaus: “Sie macht den Landwirt zum Energieproduzenten!”

 

Sozial und rechtlich unverträglich?

Auch aus sozialer Sicht sei dieser Akt “äußerst fragwürdig”, gibt Heiss zu bedenken. “Denken wir z.B. an die vielen Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen oder die Pensionisten mit ihren Mindestrenten. Während sie es kaum schaffen, ihre Stromrechnungen zu begleichen und bis Monatsende ein halbwegs würdiges Auskommen zu haben, wird Landwirten nun die Möglichkeit geboten, ihren Eigenbedarf an Strom selbst zu erzeugen und alles, was darüber hinaus geht, zu verkaufen. Wir sind gespannt, wie Sozialverbände auf dieses Gesetz reagieren werden!”

Reaktionen erwarte man sich ebenso vom Landesvischereiverband und dem Dachverband für Natur- und Umweltschutz, so Heiss. Denn die neue Regelung, die mit dem Sammelgesetz eingeführt wurde, verstoße “ganz offensichtlich” gegen die EU-Wasserrahmenrichtlinie und eine zentrale Bestimmung des Südtiroler Wassernutzungsplans. Dieser wurde erst vor einem Jahr, am 22. Juni 2017, vom Staatspräsidenten per Dekret abgesegnet, wie der Fischereiverein Eisacktal erinnert:
“In Art. 16, Abs 2 heißt es dort:

‘In Abweichung der gemäß Absatz 1 angeführten Ausschlussprinzipien können Konzessionen für neue Ableitungen zur Erzeugung elektrischer Energie, nach vorheriger Überprüfung der Vereinbarkeit mit den Bedürfnissen des Umweltschutzes, auch in den folgenden Fällen ausgestellt werden:
a) für die hydroelektrische Versorgung von Schutzhütten, Almen, Bergbauernhöfen und Wohnstrukturen, für die der Anschluss an das öffentliche Stromnetz und andere energetische Quellen aus technischer, ökologischer und wirtschaftlicher Sicht nicht vertretbar [ist]; für die hydroelektrische Versorgung von Bergbauernhöfen in Extremlagen nach Einzelfallprüfung’.”

“Wir gehen davon aus, dass der Landesfischereiverband Südtirol als auch der Dachverband für Natur- und Umweltschutz den zuständigen Gremien in Rom und Brüssel einen Wink geben werden, damit diese den Art. 25 des Landesgesetzes 10/2018 wieder kassieren”, sagt Markus Heiss.

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19 amet So., 15.07.2018 - 12:28

Ich verstehe nicht warum man es immer gegen die armen Bauern hat. Weil sie so arm sind, zahlen sie fast keine Steuer, kriegen von unserem Steuergeld Beiträge aller Art u.s.w.u.s.w. Nun will man ihnen nicht einmal gönnen , dass sie mit unserem Wasser Strom produzieren und verkaufen. Dabei könnten sie mit den 50KW ja sowieso nur einen Teil des Dorfes mit Strom versorgen, es sei denn mehrere tun sich zusammen, dann braucht es die Alperia nicht mehr. Ja Bauer müsste man sein, dann fliesst das Geld solange das Wasser rinnt.

So., 15.07.2018 - 12:28 Permalink
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Peter Gasser Di., 17.07.2018 - 07:00

Antwort auf von 19 amet

... da gibt es sicher den einen oder anderen Berghof zu kaufen: schlagen Sie sofort zu und beginnen das sorgenlose, freizeitreiche und arbeitsarme Leben des Bergbauern, dem von allen Seiten das Geld in den Rachen fliesst...
nur Mut, Sie schaffen das auch!
Mit freundlichen Grüßen PG

Di., 17.07.2018 - 07:00 Permalink
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19 amet Mi., 18.07.2018 - 08:41

Antwort auf von Peter Gasser

Ja die armen Bergbauern. Das Aushängeschild des Bauernbundes und seiner Lobbyisten. Sie müssen für alle Bevorteilungen und Extrawürste, die ihre Lobby in den Jahren vom Steuerzahler abgezwackt haben herhalten.
Dabei solle dieser Strom nicht für die Fremdenpension (pardon, die paar winzigen Zimmer) des Bauern verwendet werden.
Und für den "Hofschank" vulgo "Gasthaus ohne scontrino", auch nicht ? Was bleibt dann ? Die Schlafzimmer des Bauern?
Denn die Küche und die Stube werden ja für die lieben Gäste gebraucht.

Mi., 18.07.2018 - 08:41 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Di., 17.07.2018 - 10:29

ja die armen armen Bergbuaern die sich zu Tode schuften! Eigentlich müsste das Land ihnen gleich gratis AKWs auf die Almen bewilligen, sonst sterben sie bald aus. Also bitte!
Schön und gut dass die Berglandwirtschaft kein Bürojob ist (Maurer oder Monteur übrigens auch nicht) der aus vieler Hinsicht auch gefördert werden sollte, aber müssen die Landwirte immer und immer wieder bei allem die Extrawürste sein? Wenn der Bergbauernhof Milch und Milchprodukte produziert, dann soll er dabei unterstützt werden, von mir aus auch gerne bei der Forstwirtschaft wenn Wald vorhanden ist. Und wenn es hinten und vorne immer noch nicht reicht, dann kann auch direkte finanzielle Unterstützung fließen. Wieso sollen aber Bergbauern gratis Lizenzen zum Umwelt zerstören bekommen, für Strom den wir sowieso schon zur genüge haben?

Di., 17.07.2018 - 10:29 Permalink