Gesellschaft | Interview

„Diskriminierungen am Arbeitsplatz“

Andreas Unterkircher über den erfolgreichen „Dolomiti Pride“, Flüchtlinge die wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt werden und über Diskriminierung am Arbeitsplatz.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Andreas Unterkircher
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Andreas Unterkircher ist Präsident der Schwul- und Lesbischeninitiative Südtirols Centaurus und arbeitet bei der Gewerkschaft CGIL-AGB im Bereich öffentlich Bedienstete. Er spricht über den erfolgreich verlaufenen „Dolomiti Pride“ in Trient, über Flüchtlinge die in ihrem Heimatland auf Grund ihrer sexuellen Orientierung verfolgt werden und über Diskriminierung am Arbeitsplatz.

 

Herr Unterkircher, wie war der „Dolomiti Pride“ in Trient am 9.Juni?

Andreas Unterkircher: Der Pride war ein voller Erfolg. Wir von Centaurus haben gemeinsam mit vier anderen Vereinen monatelang an der Organisation gearbeitet. Den größten Arbeitseinsatz haben die Trientner gezeigt, wir haben aber so viel wie wir gekonnt haben mitgeholfen. Am Ende hat es hat sich gelohnt, es waren doppelt so viele Leute da, wie erwartet, insgesamt haben 10.000 Menschen teilgenommen. Bei so einer Kundgebung ist es wichtig, dass nicht nur Schwule, Lesben und Transgender auf die Straße gehen, sondern auch und vor allem sogenannte „traditionelle Familien“ teilnehmen. Hier wurde voll ins Schwarze getroffen: ich habe Kinder und Familien gesehen. Es war toll, die Stimmung war super, einer meiner schönsten Prides, wenn nicht der Schönste. 

 

Gerade in Zeiten wie diesen…

Ich habe eine kurze Ansprache gehalten, in der ich unterstrichen habe, dass besonders zur Zeit, wo alle Minderheiten, Ausländer, Roma und Sinti, Behinderte angegriffen werden, wir eine Solidarität gegenüber den Anderen zeigen sollten. Außerdem hoffe ich, dass eine Kundgebung wie diese auch mal in Bozen möglich ist, denn das bräuchte es auch bei uns.

 

Italiens Familienminister Fontana sagt: „Le famiglie gay? Non esistono“. Was bedeutet das?

Wenn sich Familienminister Fontana erlauben darf zu sagen, welche Familien existieren und welche nicht, dann ist das allerhand. Dasselbe gilt für den Innenminister, wenn dieser von „natürlicher Familie“ spricht.

 

Wie schätzen Sie die Situation in Südtirol ein?

Das ist schwierig zu sagen. Ich glaube, dass Südtirol Schwulen und Lesben wenig bietet, es gibt wenige Treffpunkte.

 

In vielen Ländern werden Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt. Kennt ihr dieses Problem auch bei Centaurus?

Parallel zum Flüchtlingsproblem sind wir in Europa auch damit konfrontiert, dass Leute zu uns kommen, weil sie in ihrem Heimatland auf Grund ihrer Sexualität verfolgt werden. Wir haben in Südtirol Fälle, wo Menschen aus diesen Gründen zu uns gekommen sind. Wir haben sie dann beraten, das gehört auch zu unseren Aufgaben, dass wir Leute, die in ihrem Land verfolgt werden unterstützen. Einige haben aus diesem Grund den Flüchtlingsstatus beantragt.

 

Inwiefern kann man von einer Diskriminierung von Homosexuellen, Bisexuellen und Transgender am Arbeitsplatz sprechen?

Diskriminierungen sind ein Problem. Die CGIL-Kategorie Filcams hat seit 2015 einen eigenen Schalter für Diskriminierung bezüglich sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität. Es haben sich bisher noch wenige Leute an den Schalter gewandt, Ich denke, die Leute haben noch Angst sich zu outen. Der Schalter heißt „Nuovi diritti“ / „neue Rechte“ und befindet sich am Sitz der CGIL-AGB in der Romstraße in Bozen.

 

„Diskriminierungen am Arbeitsplatz gibt es noch überall“

 

Wird der Dienst in Anspruch genommen?

Diskriminierung am Arbeitsplatz gibt es noch überall. Die Leute haben aber häufig noch nicht die Courage sich zu outen, deswegen bleibt die Diskriminierung im Verborgenen. Die Gewerkschaft ist jedoch sehr aktiv.

 

Wie sieht dieser Dienst aus?

Bisher ist die CGIL in der Funktion nur beratend aktiv geworden, eine rechtliche Intervention war bisher noch nie notwendig.

 

Glauben Sie, dass sich die Menschen vielfach auch nicht bewusst sind, dass Aussagen und Handlungen diskriminierend bzw. beleidigend auf andere wirken können?

Viele sind sich sicher nicht bewusst, dass sie homophobe Witze machen. Wenn man diese Personen auf die Beleidigung hinweist, wird immer gleich gesagt: „Ich hab nichts gegen Schwule“ oder „Ich habe viele schwule Freunde“. Die Leute denken oft nicht nach und erlauben sich dabei einiges. Jeder sollte beginnen zu hinterfragen.

Zuletzt ist dieses Jahr etwas historisches passiert: Die Transsexualität ist endlich von der Liste der Geisteskrankheiten gestrichen worden.

 

Was erhoffen Sie sich von der Zukunft?

Besonders in diesen Zeiten ist es wichtig zu sensibilisieren. Wenn ich das Vertrauen in die Politik verliere, dann spielen Organisationen wie die Gewerkschaft eine große Rolle. Mein Wunsch ist, dass nicht nur die CGIL-AGB klar Stellung bezieht, sondern auch andere Organisationen folgen und Position ergreifen.