Würstel e Crauti.
Früher einmal gab es in Mailand einen sehr beliebten „panino“, nämlich den „tirolese“: ein Baguette mit Frankfurter Würstchen und Sauerkraut. Eine in Südtirol absolut unübliche Kombination, die aus der Verbindung zweier gastronomischer Klischees, nämlich Würstel und Crauti, entstanden war; eine Fiktion, die im Land selbst keinen Anklang fand und der sich die örtliche Gastronomie standhaft verweigerte.
Dennoch wurde dieser Panino am Bozner Weihnachtsmarkt offenbar immer wieder verlangt. Dann schließlich fand der „Panino Würstel e Crauti“ irgendwann Eingang ins Angebot des beliebten Mercatino. Die Mailänder Besucher des vorweihnachtlichen Waltherplatzes mögen sich nun zu recht in der Vorstellung bestätigt fühlen, dass diese Kombination „typisch Südtirol“ sei.
Diese kleine Beobachtung fasst sinnbildhaft zusammen, wie Angebot und Nachfrage nicht nur markt-, sondern auch meinungs-und mentalitätsbildend sind und wie sehr Tourismus auch die eigene und fremde Wahrnehmung verändert.
Auch die Beziehungen zu den TouristInnen verändern sich stetig:. In den 60er und 70er Jahren hießen sie noch „Fremden“. Zugleich gab es damals vertieften, oft engen Kontakt mit ihnen (manchmal auch allzu eng – wenn etwa die Kinderzimmer im Sommer zu Fremdenzimmern umfunktioniert wurden und die Gäste ihre Abende im Familienwohnzimmer verbrachten).
Heute ist der Fremde längst zum „Gast“ geworden. Die freundlichere Bezeichnung kaschiert jedoch, dass die Distanz in Wirklichkeit gewachsen ist. Oft genug wird dem Tourist, der Touristin eine Welt vorgesetzt, die mit dem echten Südtiroler Alltag wenig zu tun hat.
Die neuen Resorts, die in entlegensten Winkeln unseres Landes ebenso aus dem Boden schießen wie sie sich in den Ortskernen auftürmen– beides verändern sie unwiderruflich, oft mit unverhohlener Brutalität – sind in sich geschlossene Gebilde, die im umfassenden Urlaubspaket die Inszenierung „Südtirols“ mitliefern.
Der Gast wohnt nun im „Chalet“. Er nutzt nicht nur die Wellnessoasen und die Kaminlounge, sondern genießt auch den chaleteigenen „Bauerngarten“ und kauft im fingierten „Bauernmarkt“ oder „Hofladen“ des Hotels ein. Die Kinder von Gästen erleben Hase und Zicklein im „Streichelzoo“, einer Stallsimulation, garantiert geruchfrei und klinisch sauber. Diese konstruierte bäuerliche Welt hat auch nichts von der Unordnung und intensiven Arbeitsumgebung eines echten Bauernhofs. Es ist eine kontrollierte Ländlichkeit, mit der der Tourist delektiert wird. Die gleiche Illusion von Nähe wird zur Bergwelt hergestellt, wenn man im von der Architektur in Panorama-Lage platzierten „Infinity Pool“ quasi in die Berggipfel hineinschwimmt – allerdings, ohne sich Tücken und Gefahren der echten Berge aussetzen zu müssen.
So ist der Gast heute fremder denn je. Es könnte uns egal sein – wenn diese Entwicklung nicht auch eine Gefahr bergen würde. Nämlich dass wir uns am Ende, Schritt für Schritt, uns selbst und unserem Land entfremden werden. Die vorgetäuschte Authentizität bildet eine Falle, in die wir selbst hinein tappen und oft genug nicht mehr heraus finden.
Diese Entfremdung ist schon
Diese Entfremdung ist schon längst passiert.
Die Fragen sind in wieweit
- dafür noch Förderungen ausgegeben werden sollen
- nachhaltiger Verkehr und Lebensmittelproduktion realisiert werden kann
- welche Begrenzungsmöglichkeiten bestehen
- andere Wirtschaftszweige als Alternative auf den Weg gebracht werden können (Holzhochbau, u.ä.)