Gesellschaft | EU-Urheberrecht

Freies Internet in Gefahr?

Heute hat das Europäische Parlament über die Reform des Urheberrechts abgestimmt: Ende des freien Internets oder überfälliger Schritt, damit Konzerne zahlen?
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Foto: CC0 Creative Commons
In der Diskussion ums Europäische Urheberrecht hatten sich unübliche Fronten gebildet. Im Vorfeld der Abstimmung zirkulierten online Videos, die vor der Gesetzesnovelle warnten. Sie sei das Ende des freien Internet, hieß es. Und Wikipedia rief in den vergangenen Tagen Nutzer dazu auf, bei „ihren“ EU-Abgeordneten gegen die Veränderung zu protestieren. Auf der anderen Seite baten der italienische Verlegerverband FIEG und der deutsche Journalistenverband DJV das EU-Parlament, für die Reform zu stimmen. Nun hat das Parlament abgestimmt, und die Kritik im Netz ist groß.

Eine folgenreiche Entscheidung

„Wer intellektuelles Eigentum verbreitet, muss das Urheberrecht respektieren. Wenn Kulturschaffende nichts für ihre Inhalte bekommen, dann werden sie irgendwann aufhören, geistiges Eigentum zu produzieren. Deshalb brauchen wir diese Änderung.“, sagt der Südtiroler SVP-Abgeordnete Dorfmann. Er hat für die Änderung gestimmt. „Wir müssen aufhören, das Internet anders zu betrachten als andere Medien.“, so der Parlamentarier.
 
Das Internet wurde lange als freier Raum ohne spezielle Regeln angesehen. Dadurch entstanden Räume für Experimente, Kreativität und das Teilen von Wissen, aber das bisherige Fehlen von Regulierung nützte vor allem den großen Konzernen. Das sehen auch Aktivisten für ein offenes Internet so, auch sie sind für eine Veränderung, allerdings nicht für die im Juli ursprünglich vorgeschlagene. Im EU-Parlament ging es also heute darum, den Spagat zu schaffen zwischen dem Schutz der Rechte von KünstlerInnen, SängerInnen, AutorInnen, und der nötigen Offenheit, damit das kooperative Arbeiten an Inhalten und deren Verbreitung weiterhin möglich ist. Ist dieser Spagat gelungen?

Memes und Panoramafreiheit

Uploadfilter: Hier geht es darum, dass Plattformen wie Youtube alle Inhalte schon beim Hochladen überprüfen muss, um die widerrechtliche Veröffentlichung von geistigem Eigentum zu vermeiden. Die  Plattformen haften für Urheberrechtverstöße von Nutzern - klar, dass Youtube-Eigentümer Google dagegen war.

Memes: Es gibt eine ganze Internetkultur, die auf Zusammenschnitten bekannter Filme und „untertitelten“ Bildern, Fotos und Screenshots basiert, die von Nutzern leicht bearbeitet und weiterverbreitet werden. KritikerInnen wie Julia Reda von der deutschen Piratenpartei beanstandeten, dass automatisierte Filter nicht zwischen tatsächlich widerrechtlicher Vervielfältigung und legaler Verwendung wie zum Beispiel für Parodien unterscheiden können. Der Upload-Filter wurde nun eingeführt - mit Ausnahmen nur für Kleinstunternehmen. Breda ist überzeugt, dass in diesen Filtern auch Memes "hängenbleiben".

Opere D’Arte und Panoramafreiheit: Wem gehören die Fotos einer bekannten Statue oder Panoramabilder? Dürfen KünstlerInnen und ArchitektInnen als „geistige EigentümerInnen“ des Abgebildeten die Verbreitung verhindern, bzw. haben sie ein Recht auf Vergütung? Die Gesetzeslage in EU-Staaten ist nicht eindeutig - auch zu diesem Thema sollte heute abgestimmt werden. In Sachen Panoramafreiheit gibt es ersten Informationen des Vereins Wikimedia Deutschland zufolge auch in Zukunft keine gemeinsame Regelung.

Einschränkung von Links

Außerdem ging es in der Diskussion darum, inwieweit Ausschnitte von Texten gratis übernommen werden dürfen. Unter anderem als "Vorschau-Links", zum Beispiel auf Seiten wie Google News, die nur auf der Bereitstellung von Links basieren. Bisher zahlte Google für diese Inhalte nicht. Medien auf der anderen Seite sind davon abhängig, auf Google zu erscheinen und konnten ihre Rechte deshalb schwer durchsetzen. Deshalb unterstützen Verlage und Medien die Veränderung des Urheberrechts. Mit der heutigen Änderung dürfen Textausschnitte nicht mehr ohne Erlaubnis übernommen werden, sondern nur mehr einzelne Wörter.

In dieser Entscheidung ging es um die Position des EU-Parlaments, die nun festgelegt ist. Mit diesem Mandat werden die Parlamentsvertreter nun, moderiert von der Kommission, mit dem Ministerrat versammeln. Das Erfebnis dieses sogenannten "Trilogs" muss dann im Frühling noch einmal vom Parlament bestätigt werden.

Vertagung durch Großkampagne

Anfang Juli war ein vom deutschen EU-Abgeordneten Axel Voss eingebrachter Reformvorschlag im EU-Parlament überraschend nicht durchgegangen. Unter anderem, weil online zu Protest gegen die Novelle aufgerufen worden war. Zigtausende Emails gingen bei ParlamentarierInnen ein, um das Durchwinken der Neuerung zu verhindern. Mit Erfolg: Die Entscheidung wurde vertagt. Inzwischen wurden mehr als 200 Abänderungsanträge eingebracht, über die heute im Plenum abgestimmt wurde.
 
Auch Dorfmann hatte gegen die Novelle gestimmt, allerdings vor allem aus prozeduralen Gründen: „In der ersten Abstimmung ging es darum, einem Ausschuss des Parlaments das Mandat zu geben, sich direkt mit den Mitgliedstaaten zu einigen, ohne dass sich das Parlament im Plenum damit beschäftigt. Das Parlament bei einer so wichtigen Frage zu übergehen, fand ich falsch.“ Der Aufschrei gegen die Novelle war Dorfmann allerdings suspekt: „Mehr als 4,5 Millionen Emails haben uns erreicht. Diese Kampagne wurde von großen Anbietern des Silicon Valley finanziert, die nicht für die von ihnen verbreiteten Inhalte haften und zahlen wollen.“