Umwelt | Das gute Leben

Von der Renaissance der "Segns

Nebenan dröhnt die elektrische Sense und spritzt Grün und auch sonst allerhand Kleinzeug durch die Gegend - es hat wohl gute Gründe, dass der Mahder mit Schutzvisier gewappnet ist. Und weil's grad so schön passt und sich fügt, nutze ich die Gelegenheit, um ein kleines Textlein los zu werden über die Renaissance der alten, der „richtigen“ und Mutter aller Sensen. Die frohe Botschaft von ihrer Wiederbelebung erreicht uns aus der Schweiz, und zwar via „GEO“, einem Magazin, dem ich unbedingt vertraue.
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Foto: © Oswald Stimpfl

Bei uns ist die „Segns“ (althd. „segensa“ = die Schneidende), wie sie bei unseren älteren Leuten auch heute noch heißt, ja leider schon längst völlig aus dem ländlichen Alltag verschwunden. Nur hin und wieder, allzu selten, bearbeitet noch ein alter Bauer ganz und gar händisch den einen oder anderen Hang, der jedenfalls so steil ist, dass der Bauer während der Arbeit den Käfern und Ameisen, die sich zwischen den kurzen Halmen tummeln, in die Augen schauen kann, ohne sich zu bücken. „Altmodisch“, nennt wahrscheinlich sein Sohn dieses Tun. „Wie romantisch“, mögen sich andere denken. „Überaus modern“, sagen die Schweizer, und denken dabei an Umwelt- und Lärmschutz, aber auch Kostenreduzierung.

Allerdings: Es braucht schon ein gerüttelt Maß Querdenken, um darauf zu kommen, welch ungeheures „besser-leben“-Potential unsere gute alte Sense doch innehat, und wie modern sie ist, in ihrer schlichten Genialität, ganz im Sinne der großen Designer und Architekten, "form follows function“, „less is more“ und überhaupt in ihrer ganzen, umfassenden Sinnhaftig- und Umweltfreundlichkeit. Da kommst besagtes GEO (Heft 07/Juli 2013) mit dem schönen Titel: „Einfach besser leben“ gerade recht, und im Heft im „Schauplatz Schweiz“ ein groß angelegter Artikel darüber, wie die Schweizer, da schau an, Trendsetter und Avantgarde sind. Denn während bei uns die Sense zu einem Sport- und Wettbewerbsgerät, ja fast schon zu einem Museumsstück degradiert wird, rollen die behäbigen Eidgenossen das Feld von hinten auf und holen die Sense aus der Versenkung, zurück in den Alltag:

„Mähen mit der Sense erlebt eine stille Renaissance.  In Privatgärten, auf Ökowiesen und im urbanen Raum setzen Besitzer und Behörden das traditionelle Werkzeug wieder ein, um Lärm zu vermeiden und Naturnähe zu fördern“, schreibt Paul Imhof in seinem Artikel.

Ganze Städte lassen die gute alte Sense wieder hochleben und bescheren ihr ein grandioses Comeback:  „Grün Stadt Zürich“ zum Beispiel - keineswegs rückständige Provinzstadt, sondern vielmehr ein Riesenbetrieb mit 430 Mitarbeitern, 4.440 Hektar Grünraum und einem Maschinenpark von rund 1.700 Geräten - arbeitet aus Umwelt-, Lärmschutz- und nicht zuletzt Kostengründen vermehrt und sogar möglichst häufig mit der Sense. „Die Auswirkungen der Geräte auf Menschen, Tiere und Pflanzen haben uns bewogen, wieder mit der Sense zu arbeiten“, sagt dazu Christian Heule, Grünflächenverwalter bei Grün Stadt Zürich.

Aber die Renaissance der Sense hat, in der Schweiz zumal, noch sehr viel weiter ausgegriffen: Regelrechte Kurse werden dort schon angeboten - das Interesse ist überaus rege -, in denen vor allem Stadtmenschen (hin und wieder mischen sich aber auch ein paar Bauern unter die Lernwilligen) das umweltfreundliche, leise und – so sagt, wer’s kann - geradezu meditative Mähen mit der Sense lernen können. Die wenigen Lehrmeister, die’s noch gibt, sagen Dinge wie „ja, ein Golf-Green mit der Sense zu mähen, das wäre schon zu machen, (…), das Blatt muss gut hauen, und es braucht Übung“. Bleibt zu hoffen, dass sie noch lange leben, lang genug zumal, um ein paar Nachfolger auszubilden, solche, die ein Golf-Green mit der Sense zu mähen imstande sind.

Und derweil also die Schweizer sich vermutlich bald dran machen werden, den Rasen ihrer Golfplätze auf die elegante Art und Weise kurz und knackig zu halten, bin ich gespannt, wie lange es dauern wird, bis wir – bäuerliche Bergbevölkerung und stolz drauf – das in jeder Hinsicht so schöne Tun der Schweizer nachahmen und unsere Sensen wieder zum Leben erwecken, ganz und gar „slow“ und so wunderbar "altmodisch", dass es, ja genau, schon wieder Avantgarde ist.