Politik | 19 Fragen in Sachen „Frauen" und "Quoten“

Heute spricht: Arno Kompatscher

Vor etwas mehr als einer Woche habe ich, recht spontan, einen Fragenkatalog an Arno Kompatscher geschickt (Internet verkürzt tatsächlich die Distanzen zwischen dem Volk und seinen Vorgesetzten) mit der Frage, ob er sie für meinen Salto-Blog beantworten wolle. Ehrlich gesagt, rechnete ich kein bisschen damit, auch nur Antwort zu erhalten - und sei die eine höfliche, abschlägige. Für letztere hätte ich durchaus Verständnis gehabt, haben doch die politischen Größen und vor allem dieser Tage wahrscheinlich sehr viel und vermutlich Besseres zu tun als die Fragen einer beliebigen Salto-Bloggerin zu beantworten. Aber nein - Arno Kompatscher hat mich eines Besseren belehrt und sehr schnell, sehr professionell und sehr höflich reagiert. Das ist nicht alltäglich, und spricht jedenfalls sehr für ihn und dafür, dass womöglich schon bald tatsächlich ein frischer, modernerer Wind wehen könnte durch die Amtsstuben bei SVP. Noch ein kleiner technischer Hinweis: Arno Kompatschers Antworten auf meine Fragen stammen direkt aus seiner Feder bzw. Tastatur - ich stelle sie unbearbeitet ein und überlasse sie gern dem Geiste und den Köpfen der Leserinnen.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

 

  1. Die SVP praktiziert erstmals eine 30-Prozent-Quote und tut sich schwer damit, sie zu erfüllen. Was muss sich ändern? Welche Chancen sehen Sie in dieser, oder überhaupt: Quoten?

Diese Quote ist im Landeswahlgesetz festgeschrieben und gilt für alle politischen Mitbewerber. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang EU-Kommissarin Viviane Reding zitieren: „Ich mag die Quote nicht. Aber ich mag, was die Quote erreicht.“ So wie in vielen anderen Bereichen der Gesellschaft auch, braucht es in der Politik ein Gleichgewicht in der Entscheidungsfindung. Meine persönliche Erfahrung zeigt mir allerdings, dass es in der Tat schwieriger ist, Frauen für eine Kandidatur in der Gemeinde oder für den Landtag zu begeistern als Männer. Das mag vielerlei Gründe haben, vor allem aber haben Frauen Angst davor, dass durch ihr politisches Engagement die Familie zu kurz kommen könnte. Auch trauen sich Frauen oft weniger zu als Männer. Während Männer oft dazu neigen, sich zu überschätzen, unterschätzen Frauen oft Ihre Chancen und Ihre Fähigkeiten.  Vielleicht sollten wir gemeinsam im Kleinen zu einem besseren Selbstbewusstsein der Frauen beitragen, damit sich das ändert.

 

  1. Wenn es nach der Bevölkerungsstruktur ginge, müssten im Landtag etwa die Hälfte Frauen arbeiten, aber auch z. B. Menschen mit Behinderung sowie solche mit Migrationshintergrund. Die Realität ist aber eine andere. Sollte sich das ändern?

Wie gesagt, aufs Gleichgewicht kommt es an. Ich hoffe, den Zeitpunkt noch erleben zu können, zu dem Frauen und Männer in politischen Gremien gleichermaßen vertreten sind. Aber leider geht diese Entwicklung sehr langsam voran, und auch die Quote bringt nicht überall den gewünschten Erfolg. Was die Vertretung verschiedener Bevölkerungsgruppen in den politischen Gremien betrifft, so liegt die Entscheidung letztendlich am Wähler und an der Wählerin. Mir ist aber schon klar, dass zum Beispiel Migranten die schwächere Lobby haben.

 

  1. Warum gibt es so viele Vorbehalte gegenüber Frauenquoten? Sehen Sie Alternativen?

Die Vorbehalte gegenüber Frauenquoten sind auf den ersten Blick auch nachvollziehbar: Es muss allein die Kompetenz zählen, heißt es dabei meistens, auch von Seiten von Frauen. Trotzdem: Frauen haben die schlechteren Startbedingungen, weil sie in der Familie und oft auch im Betrieb oder am Hof unabkömmlicher sind. Bis es nicht selbstverständlich ist, dass Männer und Frauen am Verhandlungstisch sitzen, werden die Frauen das Gefühl nicht los werden, sich für ihr Engagement rechtfertigen zu müssen.

 

  1. Ein Lieblingsargument der Quotengegner ist, dass ja nicht „Quotilden“, sondern „die Besten“ regieren und für die Bevölkerung arbeiten sollen. Gilt denn dieser Maßstab auch für die männlichen Politiker? Regieren uns „die (objektiv) Besten“?

Objektiv – und subjektiv – gesehen, regieren uns sowieso nicht immer die Besten, unabhängig davon, ob es Männer oder Frauen sind. Politiker/innen sind auch nur Menschen, ich bin aber überzeugt davon, dass sie – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – meist versucht sind, das Beste für Ihr Land und die Menschen zu geben. Es kann kaum Entscheidungen oder Vorgangsweisen geben, die allen gefallen, wodurch sich das Prädikat „der/die Beste“ relativiert.

 

  1. Wie wird man Politiker? Und wie macht er politische Karriere?

Es wird keine/r als Bürgermeister/in oder als Landeshauptmann/frau geboren. Für die politische Karriere gilt sicher dasselbe wie für andere Karrieren: Es braucht in erster Linie Begeisterung für die Sache, eine gute Vorbereitung, Einsatzwillen, Hausverstand und Empathie. Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein und Menschen um sich haben, welche die Anliegen und Ziele mittragen, ganz gleich auf welcher politischer Ebene.

 

  1. Wie wird frau Politikerin? Und wie macht sie politische Karriere?

Als Optimist denke ich, dass für Politikerinnen dasselbe gilt wie für Politiker.

 

  1. Angenommen, Sie wären Landeshauptmann: Welche Maßnahmen würden Sie ergreifen, um Frauen politisches Engagement schmackhaft zu machen?

Wenn Frauen auf allen Ebenen gleichermaßen in die Entscheidungsfindung eingebunden werden wie Männer, dürften sich das politische Engagement sowie der Wille und das Selbstverständnis, vorne dabei zu sein, von alleine ergeben.

 

  1. Gehen Sie zu den Elternsprechtagen Ihrer Kinder?

Mittlerweile sind unsere Kinder an der Uni, in der Oberschule, in der Mittelschule, in der Grundschule und im Kindergarten unterwegs. Bei den Elternsprechtagen wechseln wir uns ab, wobei der/die andere auf die Kleinen aufpasst. Auch Veranstaltungen wie das Vatertagsfrühstück im Kindergarten oder die Schulveranstaltungen der Kinder lasse ich mir nur ungern entgehen.

 

  1. Über Menschenhandel wird kaum gesprochen. Wie sieht’s in Südtirol damit aus, und was wird dagegen unternommen?

Menschenhandel zählt zu den abscheulichsten Verbrechen überhaupt, zumal davon die Hilflosesten, meist Frauen, betroffen sind. Hier sind zum einen die Polizeikräfte gefordert -  auf lokaler, staatlicher und internationaler Ebene -, zum anderen müssen aber die Wurzeln des Übels bekämpft werden: die gesellschaftliche und ökonomische Unterentwicklung der Herkunftsländer.

 

  1. Was halten Sie vom „Schwedischen Modell“ in Sachen Prostitution?

Ich bin mit dem Grundgedanken, dass der Kunde und nicht die Prostituierte strafbar ist, einverstanden. Ob es das absolute Verbot der Prostitution wirklich bringt, wage ich zu bezweifeln. Das Problem ist ja auch nicht damit gelöst, wenn die schwedischen Männer in Folge in benachbarte Länder fahren, um dort Prostituierte aufzusuchen.

 

  1. Wäre es Ihrer Meinung nach denkbar, dass z. B. eine Wirtschaft, an deren Gestaltung Frauen maßgeblich beteiligt sind, eine sanftere, nachhaltigere wäre?

Es ist längst erwiesen, dass Unternehmen, die in Führungspositionen und Verwaltungsräten einen höheren Frauenanteil haben, die besseren Resultate erzielen. Ja, ich bin absolut der Überzeugung, dass Frauen in der Regel nachhaltigere Entscheidungen treffen. Vor allem bei den sogenannten „Software-Fragen" sind sie uns Männern überlegen, während Männer in anderen Bereichen Stärken haben. Die Mischung bringt den Qualitätssprung.

 

  1. Empfinden Sie es als Verlust, dass Sie – gesetzt den Fall, Sie wären Landeshauptmann - in familiären Belangen vermutlich stark zurück stecken müssten?

Absolut. Obwohl wir das in unserer Familie sehr lange und ausführlich besprochen haben, wird es schwierig werden, beidem gerecht zu werden. Die Hauptlast daheim trägt bereits jetzt meine Frau. Ich habe mir aber fest vorgenommen, mir eine gewisse Zeit für die Familie vorzubehalten, vor allem auch sonntags. Das muss möglich sein. Ich erachte es nicht als Aufgabe des Landeshauptmanns oder der Landeshauptfrau, bei jedem Wiesenfest oder jeder Weinverkostung dabei zu sein. Schließlich sollte ein Landeshauptmann doch auch Vorbild sein, oder?

 

  1. Wäre eine „Doppelspitze“ für den Posten der Südtiroler Landesführung denkbar, im Sinne größerer Ausgewogenheit, aber auch besserer Verteilung der Lasten und Verpflichtungen?

Darüber habe ich mir, ehrlich gesagt, bisher noch keine Gedanken gemacht. Ich gehe aber davon aus, dass die künftige Landesregierung noch stärker als Team die verschiedenen Aufgaben bewältigen wird müssen, wobei aber klar definiert werden muss, wer für was zuständig ist. Es kann nicht sein, dass für jedes Problem der Landeshauptmann oder die Landeshauptfrau belangt werden muss, denn dann braucht es keine Landesregierung.

 

  1. Viele Männer glauben ja immer noch, dass ihnen und ihren Geschlechtsgenossen Verweichlichung bzw. Verweiblichung droht, wenn sie ihre Frauen in der Erziehung und im Haushalt gleichberechtigt unterstützen. Wie sehen Sie das?

Die Zeit mit den Kindern und die Arbeit im Haushalt sehe ich für mich als Mann als Bereicherung. Wer glaubt, dadurch verweichlicht oder verweiblicht zu werden, hat vielleicht ein grundsätzliches Problem.

 

  1. Könnten Sie für Ihre sechs Kinder kochen, waschen, bügeln?

Als unsere ersten Kinder noch klein waren, haben meine Frau und ich aufgrund unserer damaligen beruflichen Situation  einige Jahre lang alle Hausarbeiten und Kinderbetreuungstätigkeiten mehr oder weniger gleich auftgeteilt. Heute ist das leider nicht mehr möglich und die weit überwiegende Last liegt bei meiner Frau. Aber immer wenn ich zu Hause bin beteilige ich mich bei allen gerade anfallenden Hausarbeiten. Übrigens koche ich sehr gerne, bügeln hasse ich. Meine Frau sagt immer, ich sei ein guter Hausmann, die Kinder sollten sich mich zum Vorbild nehmen und die Arbeit ebenfalls machen ohne extra dazu aufgefordert werden zu müssen.

 

  1. Die Berufs- und die politische Welt nehmen kaum Rücksicht auf die Bedürfnisse von Müttern und Vätern. In Dänemark z. B. ist das anders: Dort verlassen in der Regel alle das Büro, wenn die Kita schließt. Dem Vater, der um sieben Uhr noch im Büro sitzt, kann es passieren, dass ihn Kollegen fragen, ob ihm seine Familie nicht wichtig sei. Halten Sie ein solches familienorientiertes Modell, in dem sich die Arbeits- und politische Welt nach den Bedürfnissen der Familien richtet, auch in Südtirol für erstrebenswert?

Wenn in Südtirol von Vereinbarkeit von Beruf und Familie gesprochen wird, dann meinen die meisten damit, dass es den Frauen noch besser gelingen müsste, Beruf, Haushalt und Kindererziehung unter einen Hut zu bringen. Das ist ein Trugschluss. Es braucht meines Erachtens neue Arbeitszeitmodelle für Frauen UND Männer, damit Väter und Mütter besser den Bedürfnissen ihrer Familie gerecht werden können. Es gibt Jobs, die rigide Arbeitszeiten erfordern, es gibt aber auch sehr viele Aufgaben, die von den Unternehmen (und den Arbeitnehmer/innen) flexibler bewältigt werden könnten. Dafür braucht es die Bereitschaft von beiden Seiten. Und in der Familie braucht es den Willen, sich die Aufgaben zu teilen.

Was den politischen Bereich betrifft, so ist es generell schwierig, sich nach den zeitlichen Bedürfnissen der Familien auszurichten, weil es auch nicht DEN idealen Termin für Sitzungen o.ä. gibt. Aber auch das Ehrenamt verlangt den Menschen sehr viel an Zeit ab, die dann  - so ehrlich muss man sein – den Familien fehlt.

 

  1. Wer berät Sie in diesem Wahlkampf? Männer? Oder auch Frauen?

Zum Glück Frauen und Männer gleichermaßen. Mein Team ist offen und kritisch. Wer keine Kritik verträgt oder sich Verbesserungsvorschlägen verwehrt, kann sich nicht weiter entwickeln.

 

  1. Der „Alto Adige“ hat einen Appell für die doppelte Vorzugsstimme gestartet, um Frauen in der Politik zu fördern. Was halten Sie von dieser Initiative?

Ich bin dafür das Angebot für die Wählerinnen und Wähler auszugleichen. Das soll die Quote schaffen. Ich halte es aber für eher  bedenklich, den WählerInnen auch noch vorzuschreiben, wen sie zu wählen haben, wenn ich auch die Zielsetzung teile. Wenn die Liste passt, kann der/die Wähler/in für sich entscheiden, ob er/sie eins, zwei, drei oder vier Frauen oder Männer wählt.

 

  1. Wenn Sie Landeshauptmann wären und die Wahl hätten – in welcher Situation würden Sie sich wohler fühlen und lieber arbeiten: Mit mehrheitlich Männern, wie aktuell, oder mit je zur Hälfte Frauen und Männern?

Als ich 2005 zum Bürgermeister von Völs gewählt wurde, war es für mich selbstverständlich, zwei Männer und zwei Frauen in den Gemeindeausschuss zu berufen. Wenn das Wahlergebnis für die Frauen passt, was ich sehr hoffe, werden kompetente Frauen auch auf Landesebene in Zukunft eine gewichtigere Rolle spielen als bisher.