Die Geschichte ist keineswegs neu. Schon Berlusconis Finanzminister Giulio Tremonti hatte 2005 "dismissioni del patrimonio nazionale in grande stile" angekündigt. Auch die Regierungschefs Enrico Letta und Matteo Renzi hatten versprochen, in grossem Stil ungenutzte Immobilien aus dem umfangreichen Staatsbesitz zu veräussern. Und jetzt kündigt Luigi Di Maio angesichts der überbordenden Staatsverschuldung Ähnliches an: "Dismetteremo parte del patrimonio statale. Ma non certo i gioelli dello stato." Die Absicht der Regierung, staatliche Besitztümer im Wert von 18 Milliarden Euro zu veräussern, klingt wie ein Witz.
Zwar gibt es in Italien nach Aussagen der staatlichen Domänenverwaltung rund eine Million öffentlicher Gebäude und Liegenschaften im Schätzwert von 283 Milliarden - doch 77 Prozent davon sind unverkäuflich. Das gilt nicht nur für für weltbekannte historische Kunstdenkmäler wie Kolosseum, Dogenpalast oder Quirinal, sondern auch für Zehntausende Gebäude wie Rathäuser, Markthallen, Bahnhöfe, Häfen oder andere öffentliche Infrastrukturen. Nach einer Bestandsaufnahme von Dezember 2017 wurden 30.285 Gebäude und knapp 13.000 Liegenschaften und Gründe im Schätzwert von gut 60 Milliarden Euro gezählt. Viele davon sind für öffentliche Dienste zweckgebunden und daher unveräusserlich. Verkäuflich sind Wälder, landwirtschaftliche Betriebe, Bergwerke - sofern sie nicht von historischem Interesse sind. Das riesige Gelände des aufgelassenen Erzbergwerk auf der Insel Elba etwa wird seit Jahrzehnten erfolglos zum Kauf angeboten. Glück hatte der Staat nur mit der Veräusserung von knapp 20 unbenutzten Leuchttürmen. Die dabei kassierte Summe war freilich bescheiden.
Auch die durchaus verlockend anmutenden Objekte aus dem Angebot der Domänenverwaltung finden kaum Käufer. Ein Musterbeispiel dafür ist die Insel Poveglia in der Lagune von Venedig. Für die seit dem 8. Jahrhundet bewohnte, 7,5 Hektar grosse Insel mit ihrem Kirchturm und historischen Schloss finden sich keine Käufer. Bestes Angebot : 513.000 Euro für eine Miete von 50 Jahren. Ob das am Ruf der Insel als ehemaliger Quarantäne-Ort für Pestkranke oder an den Auflagen des Denkmalschutzes liegt, bleibt ungeklärt. Ähnliches gilt für das Castello di Gradisca d'Isonzo bei Görz. Die um 1170 errichtete Festung, die sich durch Jahrhunderte im Besitz der Seerepublik Venedig befand, steht seit einigen Jahren zum Verkauf.
Doch auch riesige Kubaturen im Zentrum der Grossstädte bleiben leer: das gilt etwa für den Palazzo della regione Piemonte auf der belebten Piazza di Castello in Turin (Bild oben), der nach dem Umzug der Beamten in den neuen Fuksas-Wolkenkratzer leersteht und in Zukunft kommerziellen Zwecken dienen soll. Seit gut zwei Jahren wird der 16.000 Quadratmeter grosse Palast für 39 Milionen Euro angeboten - bisher vergeblich.
Auch weitere Gebäude in der piemontesischen Haupstadt finden keine Abnehmer: etwa das Gelände der Ex-Kasernen Saluzzo und La Marmora und das ehemalige Industrie-Areal der Fiat Avio in der Nähe des neuen Fuksas-Hochhauses. Unverkauft blieben bisher auch die ehemaligen Banca d'Italia-Sitze in Görz und Imperia, der Palazzo degli esami im römischen Stadtviertel Trastevere, die Thermen von Salomaggiore, die Piazza d'armi in Mailand, das Grand Hotel in San Pellegrino und viele andere vermeintliche Leckerbissen in der Liste der Domänenverwaltung wie der Palazzo Artelli in Triest, die Villa Giovio in Como, der Palazzo Dondo dell'orologio in Padua und viele Dutzend anderer historischer Gebäude, die auf der Webseite invimit.it der Domänenverwaltung zum Kauf angeboten werden.
Sie beweisen, dass die massenhafte Veräusserung von Staatsbesitz zur Tilgung von Milliardenschulden nichts anderes ist als ein politischer Bluff - ob unter Tremonti oder Salvini.