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Zieht die SVP die Reißleine?

Der Wertekodex der SVP sorgt für erste Spannungen mit der Lega. Die Volkspartei will ein mögliches Bündnis “auch scheitern” lassen. Die Grünen sehen schwarz.
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Foto: Pixabay/salto.bz

Wer gemeint hatte, dass die Unterschrift unter dem Wertekodex, den die SVP der Lega als Bedingung für die Aufnahme von Regierungsverhandlungen vorgelegt hat, nur eine Pro-Forma-Sache sei, hat sich offenbar geirrt. “Ich höre doch tatsächlich, dass sie mit einigen Punkten Schwierigkeiten hat”, meint ein erstaunt wirkender SVP-Obmann am Dienstag Abend. “Vor allem in der Europafrage.”

Tatsächlich hat sich der Südtiroler Lega-Chef und Landtagsabgeordnete Massimo Bessone an Roberto Calderoli gewandt. “Sono un uomo di partito, non posso decidere da solo su una partita così importante”, erklärt Bessone im Alto Adige. “A Salvini questo sistema non piace”, habe ihm Calderoli ausrichten lassen, so Bessone im Corriere dell'Alto Adige. Und am Mittwoch Mittag wird Bessone im Gespräch mit der ANSA noch deutlicher: Es sei “beinahe demütigend, etwas so Selbstverständliches zu unterzeichnen”: “La Svp deve essere fiera di lavorare con la Lega, come lo siamo noi di lavorare con lei, e non può vederci solo come il male minore.”

In Mailand ist man offensichtlich gar nicht erfreut, dass die SVP den vier Lega-Landtagsabgeordneten vorab eine Unterschrift abringen will. “Andernfalls fangen wir aber gar nicht erst an, zu verhandeln”, so die klare Ansage von Landeshauptmann und SVP-Obmann am Montag. Nun zeigt man sich flexibler: Es reiche die offizielle Zusage, dass der Wertekatalog – darin sind die “unverhandelbaren Werte” der SVP aufgelistet: friedliches Zusammenleben, keine Diskriminierung, Autonomie, Europa – passe, heißt es aus der Volkspartei. Denn da dieser Wertekatalog die Präambel für ein mögliches – technisches – Regierungsabkommen darstellen soll, müsse ihn die Lega ohnehin unterzeichnen – sollten die Verhandlungsgespräche erfolgreich abgeschlossen werden.

 

Grüne sehen schwarz

“Gerade wenn man Zweifel am Partner hat, gilt es mehr denn je klarzustellen, welche die Voraussetzungen für die Aufnahme von Koalitionsgesprächen sind. Für uns sind es diese Werte, auf denen die Regierungsarbeit basieren soll – und wenn es hier schon Schwierigkeiten gibt, dann gibt es keine Verhandlungen mit der Lega.” Mit dieser Ansage versucht Philipp Achammer die Vorwürfe von Brigitte Foppa zu entkräften. Der SVP-Obmann und die Grüne Co-Vorsitzende diskutieren am Dienstag Abend bei “Pro & Contra” von RAI Südtirol über das Ja der SVP zur Lega. “Für die SVP war es eine der schwierigsten Entscheidungen der jüngsten Zeit”, sagt Achammer, die man deshalb getroffen habe, “weil man das Wahlergebnis nicht wegschieben kann”. Hätte die SVP über das starke Abschneiden der Lega hinweggesehen und sich für andere Regierungspartner entschieden, “hätte das das Unbehagen unter den Italienern befeuert”.

Kopfschütteln bei Brigitte Foppa. Die SVP treibe das Land nach rechts, “in diese populistische Welle, auf der auch die SVP nicht reiten will”. “Unser Eindruck ist, dass man mit dieser ethnischen Begründung kaschieren will, dass die Werte in Wirklichkeit hintangestellt werden. Hintenrum hört man, dass ihr euch gegen die Grünen ausgesprochen habt, weil gewisse Lobbys ihre Interessen in Gefahr sahen. Dabei sollte man doch genau umgekehrt vorgehen: schauen, mit wem man gemeinsame Werte teilt und dann auf die Interessen achten. Und übrigens sind Schwarz-Grüne Koalitionen im restlichen Europa ganz normal.”

Umgehend der Konter von Achammer: “Man kann es glauben oder nicht glauben, aber wir kaschieren gar nichts.” Ganz entschieden weise er die Behauptung zurück, “dass die Lobbys die Entscheidung getroffen haben und niemand anderes”. “Ganz offen” habe sich der Parteiausschuss am Montag mit der Frage “Lega Ja oder Nein?” auseinandergesetzt, die die SVP “in zwei Lager entzweit” habe. Doch auch, dass man mit der Lega eine Zweierbündnis und keine Dreierkoalition wie mit Grünen und PD eingehen müsse, habe eine Rolle gespielt. “Ihr habt auch jetzt einen Dreier, denn ihr habt Salvini mit hineingeholt”, führt Foppa Achammer vor Augen. “Pervers” sei es, so die Grüne, dass sich die SVP jetzt “mit jenen verbünden will, die sich am Matteottiplatz mit CasaPound zeigen und nichts anderes als Neofaschismus in Reinkultur betreiben. Dabei ist die SVP aus dem Antinazismus und Antifaschismus entstanden!”

 

Im Namen der Macht?

“Das weiß ich”, entgegnet Achammer, “und wir sind nach wie vor gegen jegliche Form der Diskriminierung”. “Das Problem, unser Problem mit der Lega heißt Salvini.” Die Hoffnung, die Lega durch die Hineinnahme in die Regierung zähmen oder gar entzaubern zu können – “der raue Stil wird sich weniger zeigen, wenn jemand Verantwortung übernehmen muss”, ist Achammer überzeugt –, tut Foppa als Illusion ab: “Wenn ihr meint, dass die Lega Kreide frisst, nur weil ihr ihr dieses Papier vorlegt, täuscht ihr euch – die hängt am Gängelband von Salvini. Und der brüllt noch lauter seit er in der Regierung ist.”

Am Ende wirft der Moderator Christian Bassani noch eine Frage in den Raum, die sich wohl vielen stellt: Wie wird die SVP damit umgehen, wenn sich die Lega-Vertreter gegen die von ihr “unverhandelbaren Werte” verstößt? “Zuerst ist zu schauen, ob wir überhaupt zu einem technischen Abkommen kommen. Aber wir werden es nicht akzeptieren, wenn diese roten Linien überschritten werden. Wenn sie sich im Regierungshandeln nicht niederschlagen”, verspricht Achammer, werde die SVP unter Umständen auch die Reißleine ziehen: “Es muss auch scheitern können. Denn in der Politik geht es nicht nur um Machtdenken.”

Von der Botschaft des Parteiobmannes, dass die SVP ihre in dem Wertekatalog festgehaltenen Prinzipien über den Machterhalt stellt, lässt sich Brigitte Foppa nicht überzeugen. Europa, friedliches Zusammenleben ohne jegliche Form der Diskriminierung – “der Bruch dieser Werte macht die Lega aus. Deshalb wird sie gewählt. Aus der Lega eine Nicht-Lega machen, wäre Wählerbetrug”.